3. Schweizer   Strategietag 
 Industrie 4.0 

 3. Schweizer   Strategietag 
 Industrie 4.0 

 

 11.01.2018 im GDI in Rüschlikon 


«Technologie im Vordergrund – der Mensch im Mittelpunkt». Um dieses grosse und anspruchsvolle Thema drehte sich der 3. Strategietag Industrie 4.0 am Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon. Rund 200 Industrievertreter nutzten diese Jahresauftakt-Veranstaltung für Branchen-Leader als Inspirationsmöglichkeit auf der Suche nach neuen Ideen, Visionen und Geschäftsmodellen.

Eine Produktion von «Technik und Wissen»

Die digitale Wirtschaft erfordert neue menschliche Fähigkeiten. In der aktuellen Phase der digitalen Transformation rücken immer mehr der Mensch und seine Aufgaben in den Vordergrund. «Wer sind wir im Zeitalter der Digitalisierung?» Mit dieser Frage befasst sich nun nicht mehr nur der Philosoph im stillen Kämmerlein, sondern immer mehr der in der Industrie tätige Mensch.

Im Fokus des 3. Schweizer Strategietages standen flexible Denkweisen für die digitale Ökonomie und die Herausforderung, Mitarbeiter für die Megatrends 4.0 zu begeistern. Denn Industrie 4.0 ist immer noch ein Begriff, der viele Fragen aufwirft. Mit Best-Practice-Präsentationen stand an dem von Euroforum organisierten Anlass auch der Produktionsstandort Schweiz im Mittelpunkt. Geboten wurde eine Mischung aus visionären Keynote-Referaten und vertiefenden Fachforen mit führenden Industrievertretern sowie renommierten Querdenkern. Eugen Albisser, Mitinhaber und Chefredaktor der neuen Online-Nachrichtenplattform «Technik und Wissen», führte durch die interessante Tagung, die mit Live-Abstimmungen, aktiven Diskussions- und Networking-Möglichkeiten aufgefrischt wurde.

Neue Technologien und ihre Auswirkungen auf die Schweiz

Mensch und Maschine nähern sich

Vortrag: Digitale Wirtschaft und die Rolle der Menschen: Wo stehen wir heute und in zehn Jahren?

Gleich zu Beginn der Veranstaltung hielt Dr. David Bosshart den Spiegel vor das europäische Gesicht und sagte, wir hätten zu wenig Lust, die Welt zu verändern. Dringend müssten wir sie jedoch weiterentwickeln. Gerade in der Schweiz, wo wir uns nicht auf eine Rohstoffwirtschaft stützen könnten. Geschäftsmodelle sollten konstant in Frage gestellt werden, eine Lernkultur der kontinuierlichen Anpassung von Strategien müsse her.

«Wir haben zu viel Warner und zu wenig Macher. Zu sehr beherrscht die ‹German Angst› unseren Kontinent.»

Öffnung statt Schliessung lautet das Credo, «spill over» statt «Silo», austesten statt verhindern, Kooperation statt Alleingang. Viele Zukunftsvisionen sind schon da (z.B. KI, Gesichtserkennung), zwar noch im Hintergrund, aber plötzlich werden sie massentauglich und erobern die Welt. Zurzeit sieht ein Roboter den Kontext nicht, doch das kann sich plötzlich ändern. Deswegen müssen wir bereit sein für Veränderung. Denn «die Bäume der Technik wachsen eben doch in den Himmel». (Arnold Gehlen).


Wir sind bereits Teil der Technik, wir haben Implantate und benutzen ständig digital vernetzte Infrastrukturen. Technologie macht uns freier, auch wenn sie autonomer wird. Für das Leben in permanent sich wandelnden Ökosystemen ist traditionelles Branchendenken nicht nützlich. Und wir haben einen Vorteil: Unser ureigener Spieltrieb wird durch das Digitale erweckt.


Dies erfordert zudem Vorstellungsvermögen und eine Psychologie zwischen Mensch und Maschine. Was Europa braucht, ist ein pragmatischerer Zugang zu Technologien. Ausserdem braucht es bessere Technologielösungen, die unabhängig von menschlichen Launen sind. Technische Probleme sind lösbar, Wertekonflikte nicht. Auch deshalb darf Führung nicht mehr emotional sein. Gute Manager sind heute wie intelligente Maschinen.

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Kooperation als Rezept

Vortrag: Chancen durch die Digitalisierung für KMU

Ein chinesisches Sprichwort lautet: «Die Chancen multiplizieren sich, wenn man sie ergreift.» In diesem Sinn stellte Prof. Dr. Jürgen Prenzler das Projekt «KMU Digital» der Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs NTB vor.

«Erst muss man die Chancen ergreifen können. Wie kann ein KMU sein Digitalisierungspotenzial identifizieren?»

Wie können KMU mit ihren Firmenzielen von «digitalen Enabler» profitieren? Diese Fragen zu beantworten sei das Ziel von Projekten, welche die Forschung bündeln, Cluster und Labs wie «KMU Digital» bilden. Insgesamt sind Partnerhochschulen aus vier Ländern involviert, darüber hinaus beteiligen sich Verbände, Unternehmen und Verwaltungen aus der Region.

Für die politischen Rahmenbedingungen und die Koordination sorgt die «Digitale Agenda Bodensee» (DAB) und «DigiNav» als nutzenbasierter Digitalisierungsnavigator für die Prozesse und die Zusammenarbeit. Im Netzwerk ist das Personal ein bedeutender Faktor: Was kann es? Wie motiviert ist es? Bei der Entwicklung von Massnahmen zur Unterstützung des regionalen Mittelstandes für den digitalen Wandel dürfe der Mensch nicht im Hintergrund bleiben.



Die richtigen Daten am richtigen Ort für den richtigen Zeitraum

Vortrag: Digitally Transformed or Digitally Disrupted?

«Ein Datendiebstahl kann ein ganzes Unternehmen ruinieren.» Damit eröffnete Ian Wood und betonte, wie wichtig Datensicherheit sei. Wie wir wissen, haben Informationen als wertvollste Ressource das Öl abgelöst. Noch im Jahr 2020 werden 80% aller Daten unstrukturiert sein. Wir sind jetzt noch nicht fähig, diese in Wert zu verwandeln. Global sind insgesamt 54% der Daten «dunkel», unter der Eisbergspitze befindet sich also eine Menge «dark data». Davon ist unklar, ob es sich z.B. um ein Katzenvideo oder wichtige Finanzinformationen handelt. Wir müssen herausfinden, wie diese Daten «monetarisiert» werden können.

Dafür müssen Ressourcen her, die diese organisieren bzw. fein «raffinieren» können.
Zwei Typen von Organisationen gebe es: Einerseits jene, die «digitally disrupted» sind, also Organisationen mit ungeplanten Ausfällen, konstanten «Brüchen», langen Entwicklungszeiten und grosser Datenflut. Andererseits jene, die «digitally transformed» sind, also ihre digitale Welt im Griff haben, sich die neu mögliche Agilität zunutze machen und «Insights» extrahieren können aus ihrem Informations-Pool.

«Wenn wir Öl und Daten vergleichen, müssen wir uns eingestehen: Wir tun das mit den Daten nicht wirklich gut.»

Finden wir neue Datenfelder? Nein, zudem müssen wir unstrukturierte Daten erkunden, besser sichtbar und brauchbar machen. Wie das Rohöl feinst verarbeitet wird, müssen wir auch die Daten optimieren. Wir haben oft eine zu alte Infrastruktur (gerade im Bereich der Datenspeicherung), die mit neuen Workloads nicht mehr mithalten kann. Wir müssen verstehen, dass es von grossem Nutzen sein kann, Workloads portabel zu machen, den Zugriff auf Daten dann zu ermöglichen, wenn er nötig ist. Es geht darum, die richtigen Informationen für den richtigen Zeitraum am richtigen Ort zu speichern – mit Wertschöpfungsgedanke und in einem dafür designten Umfeld. Das Stichwort hierzu lautet kontrollierbare Multi-Cloud-Lösungen. Oder kurz: Die Cloud-Strategie beschleunigen.

Ian Wood spricht über Veritas Technologies, Datenmanagement und zum Thema «Digitally Transformed or Digitally Disrupted».


«Sense, Analyze, Act» als kontinuierlicher Prozess

Vortrag: Digitalisierung als industrielle Dienstleistung

Dass in der digitalisierten Industrie alle Beteiligten von einem gut organisierten zyklischen Datenfluss profitieren, erklärte Dr. Christopher Ganz. Reine Reaktion bringe nichts, die Datenanalyse nehme einen wichtigen Platz ein. Genauso wichtig sei jedoch, dass nach der Datenauswertung diese wieder in die industrielle Anlage zurückgebracht werden.

«Der digitale Wert muss wieder zurückgebracht werden in die reale Welt beziehungsweise dort umgesetzt werden.»

«Do better, do more, know more», lautet der Leitspruch. Oder wie im Titel: Fühle, analysiere, handle – als kontinuierlicher Prozess. Doch wo liegt hier der Dienstleistungsaspekt? ABB hilft seinen Kunden, ihre Datenkreise zu schliessen und den Betrieb zu verbessern. Die Evolution des Industrial Internet of Things kann also als Chance für neue Dienstleistungsmodelle genutzt werden. Dabei steht der Kundennutzen im Fokus. Er kann sein gesamtes Ökosystem verbessern, Dinge antizipieren oder Fehler früher erkennen. «Wir wissen zum Beispiel: Dieser Roboter könnte in drei Wochen ausfallen.» Dank IIoT-Lösungen kann besser vorausgesagt werden, wann Geräte gewartet werden müssen.
Gemeinsame Datenbasen von Lieferanten und Kunden machen die Kollaboration für beide Seiten effizienter. Nicht nur Wartungskosten, Ausfallzeiten und Energiekosten können dank IIoT reduziert werden, sondern auch Installationszeiten.



Natur noch immer Vorbild

Best-Practice-Vortrag: Industrie 4.0 – Digitalisierte Pneumatik und Inspiration aus der Natur

Dass Maschinen eben nicht nur konzeptuell fremde und künstliche – und deshalb für manche so furchteinflössende – Gebilde sind, daran hat Jonas Jeisy in seinem Vortrag erinnert. Und er hat ebenso den Link von der Natur zur Digitalisierung geschaffen: Die BionicANTs, die «Festo-Ameisen» zeigen, dass wir gut von der Natur lernen können, wenn es um unsere Fabriken der Zukunft geht. Die intelligenten «BionicANTs» sind in der Lage, mit gegenseitiger Abstimmung Lasten zu bewegen und Handlungen zu vollziehen.

Intelligente «BionicANTs» von Festo. (Quelle: Youtube-Kanal Festo)

Das «Bionic Learning Network», ein von Festo ins Leben gerufener Forschungsverbund, bestehend aus einem Forschungs- und Entwicklungs-Kernteam von Festo, namhaften Hochschulen und Instituten, Entwicklungsfirmen und privaten Erfindern, gibt neue Impulse für die Fabrik- und Prozessautomatisierung. Kreative Lösungsfindung heisst das Stichwort. Ein anderes Produkt aus dieser Schmiede ist der «BionicCobot», ein Roboterarm mit sieben Freiheitsgraden.

«BionicCobot» Roboterarm mit sieben Freiheitsgraden. (Quelle: Youtube-Kanal Festo)

Vorgestellt wurde auch das neue «Festo Motion Terminal», in dem alle Komponenten in einer Hardware integriert sind. Bis zu 50 Einzelkomponenten sind in digitalen «Motion Apps» untergebracht. Die Funktion der Hardware wird also durch die App festgelegt und gesteuert. Das flexible Pneumatik-4.0-Konzept erlaubt somit schnellste Formatwechsel, Condition Monitoring und Prozesstransparenz. Kunden können auf Komponenten und Verdrahtungsaufwand verzichten und benötigen weniger Einbauraum. Festo betreibt in Scharnhausen neben dem «Produktionswerk der Zukunft» auch die Lernfabrik «Didactic», eine Forschungs- und Lehrplattform für die digitale Produktion.


Gesprächsrunde: Neue Technologien und ihre Auswirkungen auf den Produktionsstandort Schweiz

Wann kommen die Hochschulen aus dem Spieltrieb und setzen neue Technologien um?

Jürgen Prenzler: Ich finde, man sollte aus dem Spieltrieb gar nicht so richtig herauskommen. Ausprobieren und verwerfen halte ich für wichtig, obwohl wir da wohl eher noch zu zurückhaltend sind und eigentlich uns sagen müssten: Frühes Scheitern ist nicht schlimm.


Haben in der Schweiz neue Technologien schon Auswirkungen?

Christopher Ganz: Auf jeden Fall. Automatisierungstendenzen sehen wir schon länger. Die Medien und die Musik sind bereits vollständig digitalisiert, und wir gehen souverän damit um. Wir wissen jedoch nicht genau, wo es hingeht. Die Tools liegen aber auf dem Tisch.


Von welchen neuen Technologien reden wir eigentlich?

Christopher Ganz: Interessanterweise sind viele davon alte Technologien, die von neuen ergänzt werden. Künstliche Intelligenz startete in den 1950er-Jahren, hatte auch in den 1980ern eine Welle, neuronale Netze sind nicht neu. Wir machen uns Gedanken, wie die Automatisierung mit künstlicher Intelligenz unterstützt werden kann. Es sind neue Kombinationslösungen.


Soll man sich in der Schweiz eigentlich auf bestimmte Technologien konzentrieren?

Jürgen Prenzler: Ich würde mich nicht festlegen, das Feld ist viel zu weit. Es ist nicht nötig und nicht richtig. Denn Dinge können in unserer schnelllebigen Welt plötzlich veraltet sein. Man muss einfach offen sein und die Augen offenhalten. Das iPhone etwa ist von 2006, das ist nicht so lange her.


Man hört immer von Maschinen. Was sollen denn Menschen können?

David Bosshart: Das ist eine sehr westliche Frage. Wir sind längst zur Maschine geworden, die Schnittstelle Mensch -Maschine kommt immer näher zusammen. Was wir können sollen, ist, Kontext zu beobachten. Und in Konzernen etwa dürfen Manager nicht zu persönlich werden, sie müssen sich verhalten wie eine Maschine. Sonst sinkt beispielsweise der Börsenkurs. Donald Trump ist die Anti-Maschine, er sagt jeden Morgen etwas, das die Gesellschaft spaltet. Die Maschine ist zuverlässiger. Wir brauchen aber starke Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Elon Musk.


Macht Ihnen Datensicherheit Sorgen?

Christopher Ganz: Wir nehmen das Thema Datensicherheit sehr ernst, da Anlagen von Hackern nicht nur beeinflusst, sondern auch zerstört werden könnten. ABB investiert sehr viel, um unsere Geräte und Anlagen sicherer zu machen. Es ist ein Wettrennen gegen die Hacker.

David Bosshart, CEO GDI (rechts), am Strategietag auf die Frage, welchen USP sich der Mensch in Zukunft zulegen müsse:



Social Media der Maschinen

Fachforum 1: Mit dem digitalen Zwilling zu mehr Effizienz bei Industrie 4.0

Business- und Automatisierungsebene wachsen zunehmend zusammen. Doch wie kriegt man eine ganze Systemlandschaft (IoT, MES, ERP usw.) unter einen Industrie-4.0-Hut? Auf diese Fragen gaben Marcel Trümpy und Andreas Läng praxiserprobte Antworten.

«Basis einer erfolgreichen Industrie-4.0-Strategie ist ein einheitlicher Datenansatz vom Sensor bis in die Cloud.»

Denn alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette benötigen dieselben Daten in ihren unterschiedlichen IT-Systemen. In einem System mit klassischem Datenfluss werden die Daten von einer Ebene zur anderen übermittelt. Das Konzept des digitalen Zwillings erlaube es nun, die Daten direkt von Punkt zu Punkt vertikal in die Cloud zu übertragen. Dabei können diese auch abgefangen und weiterverarbeitet werden, z.B. für Diagnosemöglichkeiten. 

Die SAP-Lösung etwa stellt Anwendern so eine einfache Möglichkeit zur Verfügung, um Edge-Gatways mit der Cloud zu verbinden. Ein Netzwerk-Analyzer zeichnet alle Steuerungstelegramme auf (Protokolle aller Hersteller werden damit gelesen), und der passive Zugriff auf die Automatisierungsnetzwerke ist gewährleistet – und gesichert. Ziel dabei ist die digitale Repräsentation von existierenden Shop-Floor-Anlagen für Industrie-4.0-Implementierungen und damit eine engere Verbindung von Geschäftszielen und Produktionssystemen. In anderen Worten: Der ganze Produktlebenszyklus — von CAD und CAM über die Montage bis zum Verkauf und Service —, kann digital nachhaltig verbunden werden. Kontinuierliche Daten-Updates sorgen dabei für mehr Effizienz.


Personalisiert digitalisieren

Fachforum 2: Integration «Digitaler Immigranten» in Industrie-4.0-Prozesse

Industrie 4.0 verändert die manuellen Aufgaben der Mitarbeiter laufend. Situativ, auf das Produkt und den Kunden abgestimmt, muss flexibel reagiert werden können. Wir hätten heute bereits in höchstem Masse digitalisierte Arbeitsprozesse, die Arbeit an sich sei aber noch kaum moderner geworden – wir würden noch so wie vor zehn Jahren arbeiten. Dies sagten Florian von Lepel und Dr. Matthias Gutknecht, die im Forum 2 Wege aufzeigten für das Training und die Anleitung von technischen Mitarbeitern in flexiblen Arbeitsprozessen. Dabei sei bei der Integration von digitalen Arbeitsmitteln die Personalisierung zentral. Dem Mitarbeiter dürften nicht zu viele oder zu wenige Informationen angeboten werden, da er sonst die Tools nicht richtig einsetzen kann.

«Menschen können nur effizient arbeiten, wenn die Infrastruktur auch auf sie abgestimmt ist. Die digitalen Mittel müssen auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter abgestimmt sein.»

Die Lösung hierfür seien Sprachassistenten, die Informationen im natürlichen Dialog liefern oder im Fall der Protokollierung digital erfassen können. Oder aber mittels Visualisierung von Arbeitsschritten für Installation, Reparatur oder Prüfung die Ausführung neuer Tätigkeiten erleichtern. Dabei könnten Multimedia-Arbeitsanweisungen, Augmented (AR) und Virtual Reality (VR) die Einführung digitalisierter Prozesse vereinfachen und beschleunigen.

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Digitalisierte Kundenreisen

Fachforum 3: Industrial Internet of Things – Sinneswandel in der Industrie?

Im Forum 3 referierte Dr. Wolf Birkhofer über den Wandel von Kundenbedürfnissen. Ursprünglich gab man sich mit Instrumenten, Services und Lösungen zufrieden. Wie im Consumer-Bereich möchte nun auch der Industriekunde ohne Umstände und Wartezeiten ein Produkt via Kreditkarte im Onlineshop bestellen. Zudem möchte er ein Package mit Apps unmittelbar nutzen, um die damit gewonnenen Daten gleich zu analysieren. Die digitalisierte Kundenreise umfasse wenige Klicks: Option wählen, sich einmalig registrieren, inklusive sofortigem Cloud-Zugriff. Erwartet werden «Ease of Use»-Produkte in einfach konfigurierbaren Varianten, schnelle Dateneinsicht und ein vereinfachter Support direkt via App, die mit dem CRM-System verlinkt ist.

«Wir möchten ja auch kein Zugticket auf CD erhalten.»

Diesem Sinneswandel ist Endress+Hauser entgegengekommen und schickt z.B. die aus seinen «Edge»-Geräten gewonnenen Daten gleich in die Cloud. Die Schnittstelle zum Kunden habe sich erweitert: Er möchte in Verbindung bleiben, sei es für Ersatzteile, Informationen zu neuer Software oder Updates.


Dafür erfüllt das Internet der Dinge die Voraussetzungen optimal. Möchte jemand z.B. neu Durchflussdaten extrahieren, kann problemlos ein durch die App ans IoT angeschlossener Bypass installiert werden – also mittels Lowcost-Komponenten. Somit kann zusätzlicher Revenue geschaffen werden.



Menschlichkeit: Emotionen und Sinnhaftigkeit

Fachforum 4: Die «Thank God it‘s Monday (TGIM)»-Kultur, Schlüssel-
faktor Mensch 4.0

 Bei Industrie 4.0 geht es nicht nur um Technologien, Systeme und veränderte Prozesse. Das Forum 4 widmete sich dem Menschen und seiner Haltung zur Arbeit sowie der Rolle der Führung in der Gestaltung von Rahmenbedingungen für Arbeit. Die Arbeit sollte gemäss den Spezialistinnen der fourpointzero GmbH in einer zeitgemässen Form gestaltet werden, nur so könnten und wollten alle Mitarbeiter eines Unternehmens ihr volles Potenzial einbringen. Und hier ist natürlich Führung gefragt.

«Über 50 Prozent aller Mitarbeiter wollen sich im Unternehmen nicht voll engagieren. Das ist ein enormer Verlust. Nicht-zeitgemässe Führung ist einer der Haupttreiber dieser Entwicklung.»

Unternehmens-, Führungs- und Arbeitskultur müssen neu gedacht und neu gelebt werden. Denn «neurobiologisches Wohlbefinden» sei die Grundlage für gute und nachhaltige Leistung bzw. volles Engagement. Daran knüpft die «Thank-God-it’s-Monday»-Mentalität (TGIM). fourpointzero glaubt an eine neue Effizienz und Produktivität 4.0, die mit Kreativität, kritischem Denken, Vorstellungskraft, emotionaler Intelligenz und Empathie zum Erfolg führt. Unternehmen, die Räume schaffen, dass Menschen so arbeiten dürfen, würden gewinnen. Den Rest übernimmt die «Maschine». TGIM bedeutet: Weg von der Sicht, dass der Mensch funktionieren muss wie eine Maschine; dies können die wahren Maschinen besser. Arbeit 4.0 bedeutet neues Denken, Agilität, Dezentralität, Aufbrechen von festen Strukturen und Hierarchien, während das Emotionale, das Sinnvolle und das Humane mehr im Fokus stehen. Menschlichkeit ist unser neues Alleinstellungsmerkmal in automatisierten Umfeldern. Menschen werden heute wie auch morgen den Unterschied machen, nicht die Roboter.

Neue Denkweisen für die digitale Ökonomie

Wie Speedboat und Mutterschiff

Impulsreferat: Denken wie ein Jungunternehmen – Fail fast, and learn even faster.

Referentin: Eva Richterich, Geschäftsführerin von Ricolab

Die Digitalisierung verändert Geschäftsmodelle und verschiebt die Handlungsgrenzen der Industrie. Wie schafft man Raum für neue Ideen und Konzepte in einem traditionellen Umfeld? Eva Richterich teilte ihre mit Ricolab gesammelten Erfahrungen dem neugierigen Publikum mit und forderte dieses auf, verstärkt kundenzentriert und zukunftsorientiert zu denken.

«In der neuen digitalen Ökonomie geht es darum, was und wie man denkt.»

Gefragt sei Start-up-Denken. Ricolab ist die Tochterfirma von Ricola, die ausserhalb von Marke und Branche mit neuen Ideen experimentiert und die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen ans Mutterhaus zurückgibt. Ricola ist das Mutterschiff, und Ricolab ist ihr kleines Speedboat, das man auf hoher See hinauslässt. Das Beispiel des Traditionsunternehmens zeigt, wie man als bewährter Akteur modern denkt, handelt und agil bleibt.
Ein Innovations-Framework besteht aus drei Stufen: Erstens, «sense», also dem Spüren, zweitens «create», der Herstellung von Prototypen, und drittens «stretch», der Produktlancierung, bei der das Projekt zum eigenen Start-up mutiert. Wichtig dabei ist das Scheitern, aus dem immer am meisten gelernt wird: «Fail fast, learn fast». Doch zentraler im Prozess gilt das «Reason while execute», das klare Denken, das bei-der-Sache-Bleiben. Gefragt ist also neben Disziplin und Faktizität auch Entrepreneurship und Menschlichkeit. Schliesslich soll jeder etwas zur Welt beitragen.



Podiumsdiskussion: Neue Denkweisen für die digitale Ökonomie

(v.l.) Gesprächsleiter Nicolas Bürer, Managing Director Digital Switzerland; Eva Richterich, Geschäftsführerin von Ricolab; Robert Rudolph, Bereichsleiter Bildung und Innovation, Mitglied der Geschäftsleitung, Swissmem; Urs Haeusler, Unternehmer, Präsident der Swiss Startup Association.

 

Wie beurteilen Sie die Schweizer Industrie so weit?

Robert Rudolph: Wir haben ganz unterschiedliche Verhältnisse. Gewisse Firmen sind in einer hilflosen Starre, andere haben schon lange erkannt, dass Wandel wichtig ist und sind sich gewohnt, neue Technologien aufzunehmen. Allgemein kann man eine gewisse Unsicherheit konstatieren. Viele befinden sich im Mittelfeld, haben vielleicht schon eine Strategie für den Wandel ...

Wie sieht es aus bezüglich Kooperationen mit Start-ups?

Urs Haeusler: Immer mehr Unternehmen starten ein Corporate Venturing. Vielen ist bewusst, dass es nicht reicht, Innovation intern zu suchen, sondern aktiv über den Tellerrand zu schauen. Gerade heute, wo Konkurrenten plötzlich aus völlig anderen Bereichen auftauchen. Und gerade Start-ups denken globaler und sehen die Bedürfnisse des Kunden besser.

Ist Ricolab eine solche Lösung?

Eva Richterich: Es braucht beides, man darf die beiden Akteure nicht gegeneinander ausspielen, denn sie sind verschieden. Je nach dem muss Innovation intern gebildet werden. Wenn Sie jedoch wirklich neue Denkweisen, also radikale Innovation, haben möchten, wird dies innerhalb der eigenen Organisation nicht funktionieren.

Sehen Sie ein Szenario, bei dem Schweizer Unternehmen radikal «disrupted» werden könnten in nächster Zeit?

Robert Rudolph: Man muss zwischen Branchen differenzieren. Den klassischen Maschinenbau in der Schweiz kann man nicht so schnell kopieren. Ich glaube daher nicht, dass aufgrund neuer, disruptiver Firmen in unserer Branche in den nächsten drei Jahren 50 Prozent der Geschäfte wegfallen. Denn wir haben Hardware und Mechanismen, die andersartig funktionieren. Natürlich gibt es neue Geschäftsmodelle für bestimmte Bereiche. Doch alles kann nicht digitalisiert werden.

Was muss passieren, dass in der Industrie grosse Firmen mit Start-ups zusammenarbeiten?

Urs Haeusler: Es braucht Mut und eine Art von Motivation auf höchster Ebene. Man muss lernen, sich zu kannibalisieren – besser als wenn es später eine externe Firma tut. Age und Skill Diversity sind wichtig. Man sollte sich auch kritische Fragen stellen. Und zudem braucht es Ehrlichkeit in der Zusammenarbeit mit Start-ups.

Wo steht Ricolab im Jahr 2019?

Eva Richterich: Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Aber ein wichtiger Punkt wird sein, dass wir uns künftig selbst herausfordern und nicht betriebsblind werden. Eine Organisation hat immer die Tendenz, auf sich selbst zu schauen. Es gibt jedoch von unserer Seite eine Richtung, die sich momentan herauskristallisiert und die wir in den nächsten Jahren verfolgen werden. Mehr kann ich aber dazu noch nicht sagen.


Die Unternehmenskultur als Voraussetzung für Industrie 4.0

Co-Creation anstatt Zombie Agility

«Europa ist im Sandwich zwischen den amerikanischen Internet-Riesen und den tüchtigen, pünktlichen und erst noch billigeren Asiaten.» – Marc Stoffel spricht Klartext, wenn es um die Konkurrenzfähigkeit geht, und verlangt radikale Veränderung. «Wir müssen unser Betriebssystem ändern.» Unsere Managementsysteme, unsere DNA seien veraltet, seien die Gleichen wie vor hundert Jahren. Weisung und Kontrolle führe zur Schattenorganisation und Überlastung.

«Wir tun so, als ob wir super agil wären, haben aber immer noch Jahresbudgets.»

Doch Hierarchien sollten nicht verteufelt werden. Der Tipp des vom eigenen Team demokratisch gewählten Geschäftsführers bei der Haufe-umantis AG (jährlich werden in diesem Unternehmen alle Führungsrollen neu gewählt) ist: Klein starten und in den Bereichen Organisation, Umfeld und Mitarbeiter optimieren. Veränderung sollte nicht zu schnell erfolgen, sie sollte mehr im Experimentmodus stattfinden.


Das «Organisational Design» müsse neu konzipiert werden. Es genüge nicht, agile Frameworks aus dem Silicon Valley zu implementieren und Büros im Google-Stil einzurichten. Das sei «Zombie Agility» – nur so tun, als ob. Denn Technologie alleine wird die zentralen Herausforderungen der Zukunft nicht lösen.

Der Kontext verändert unsere Denkweise. Wenn diese nicht radikal geändert wird, verhalten wir uns genauso wie die letzten 100 Jahre. Der Mensch ist immun gegen Veränderung. Deswegen braucht es Mitarbeiterförderung, die Einklang in das Team bringt. Auch Co-Creation und Flexibilität könnten helfen: Daimler ändert die Konzernstruktur und wird künftig ein Fünftel des Personals zu einer Schwarmorganisation formieren, die flexibel einsetzbar ist.



Mazubi – Wenn Lernende zu Unternehmern werden

Kurzinterview: Fabia Schönenberger, Geschäftsführerin Mazubi (Lernfirma für Lehrlinge), Micarna SA

Fabia Schönenberger ist Geschäftsführerin der Lernfirma Mazubi, sie ist 19 Jahre alt und im 3. Lehrjahr als Mediamatikerin. Die Lernfirma Mazubi, das sind 130 Lernende der Micarna SA, die in Bazenheid und Courtepin ein eigenständiges Unternehmen führen. Oder wie es auf der Website mazubi-island.ch heisst: «Die Mazubi ist ein Unternehmen innerhalb der Micarna-Gruppe, das von unseren Lernenden betrieben und geführt wird. Sie kümmern sich vom Einkauf über Produktion und Logistik bis zum Marketing und Verkauf um alle Geschäftsbereiche und entwickeln und produzieren reale Produkte. Ziel der Mazubi ist es, dir eine praxisnahe Ausbildung zu ermöglichen, sowie dein Verantwortungsbewusstsein und dein unternehmerisches Denken zu fördern.

Frau Schönenberger, Sie sind 19 Jahre alt, im dritten Lehrjahr – und Geschäftsführerin bei Mazubi. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Fabia Schönenberger: Wie in einem richtigen Unternehmen, haben auch wir eine Geschäftsleitung, die mir obliegt. Ich bin dafür verantwortlich, dass intern die Kommunikation zwischen den verschiedenen Bereichen funktioniert und die Zusammenarbeit gefördert wird. Ich führe die GL-Sitzung und leite die Bereiche Marketing und Events. Als Mediamatikerin bin ich zum Beispiel auch zuständig für Drucksachen und Unternehmensvideos.

Spielt Digitalisierung in einer Lernfirma auch eine Rolle?

Fabia Schönenberger: Sie wird erwähnt und in Zukunft auch kommen, doch wir haben produktbedingt einen grossen Teil an Handwerksberufen, und diese werden immer noch gebraucht. Wir möchten aber diesen Trend ins Geschäft einbinden und in Zukunft zum Beispiel einen Onlineshop aufbauen, um Kunden anstatt über die Filialen direkt zu beliefern.

Merken Sie mit 19 Jahren schon, wo man in einer Firma Erfolg haben kann?

Fabia Schönenberger: Ja, das merke ich, das ist ein wichtiger Punkt. Das wird im richtigen Leben dann vermutlich anders sein, da wir uns bei Micarna im geschützten Rahmen befinden. Wir haben nicht «die Möglichkeit», unser Unternehmen an die Wand zu fahren, sondern haben immer die Unterstützung unserer Berufsbildner und der Geschäftsleitung über uns. Gleichwohl haben wir die Möglichkeit, herauszufinden, was es braucht, um erfolgreich zu sein.

Wenn eine Firma eine Lernfirma aufbauen möchte, was würden sie der Firma raten? Wie begeistert man junge Leute? Was braucht es für ein Umfeld?

Fabia Schönenberger: Wichtig ist, dass man selbst etwas auf die Beine stellen kann, mit freier Hand agieren kann, ausprobieren, was funktioniert und was nicht. Gleichzeitig ist es hilfreich, Unterstützung und Rückendeckung von leitenden Personen zu haben.

Was ist Ihnen wichtig bei der Jobsuche nach der Lehre? Erwägen Sie noch mehr Verantwortung?

Fabia Schönenberger: Ich weiss es ehrlich gesagt noch nicht, es gibt ja so viele Möglichkeiten. Sicher ist, dass mir das Projekt Mazubi einen Mehrwert erbracht und mich persönlich weitergebracht hat. Ich habe viel dazugelernt und kann daher nur empfehlen, solche Projekte auch in anderen Firmen zu starten. Es lohnt sich, auch wenn es mit hohen Kosten verbunden ist.


Positive Veränderung beginnt beim Individuum

Impulsreferat: Mitarbeiterverantwortung 4.0

«Sind sie bereit für die digitale Revolution?» – zu solchen Statements meinte Dr. Dirk Kammermeier treffend: «Das geht doch entspannter!» Denn die Digitalisierung helfe uns ja. Sie nehme uns ja die langweiligen, sich wiederholenden und anstrengenden Arbeiten ab. Kein Grund für den angsteinflössenden Kraftbegriff der Revolution. Die Digitalisierung sei keine Revolution, sie sei bereits Teil unseres Lebens – zu einem grösseren Teil als uns bewusst ist. Und sie habe keinen Einfluss auf das Unternehmensleitbild. Denn bei diesem muss der Mensch im Zentrum stehen («Das ist keine Floskel.»). Die Angestellten sollen mehr Zeit für Kreativität erhalten und mehr Eigenverantwortung übernehmen.

«Mitarbeiterführung beginnt damit, die Führungsstrategie transparent mitzuteilen.»

Information und Kommunikation sind Schlüsselelemente. Auch die Mitarbeiter an den Maschinen müssen begreifen, was los ist, und tief eingebunden sein. Die globalen Herausforderungen verlangen kluge Mitarbeiter. Man dürfe die Leute nicht loslassen, als Arbeitgeber ist man verantwortlich für sie, man muss sie einbinden in die Veränderung, deswegen sind Bildung und Nachholbildung essentiell. Der Mensch ist ja ein flexibles Wesen. Kluge Mitarbeiterförderung ist die Voraussetzung für Loyalität. Anerkennung und Motivation sind Produktionsbooster. Deswegen das Fazit:

«Planen Sie die Veränderung mit ihren Mitarbeitern. Automation geht nicht top-down.»



Podiumsdiskussion: Kulturwandel am Anfang des Digitalisierungs-Prozesses

Wir möchten hier von Kulturwandel reden, aber zuerst stellt sich doch die Frage: Warum braucht es einen Kulturwandel?

Dirk Kammermeier: Ich bin der Meinung, dass sich der Kulturwandel ergibt, durch das Umfeld radikaler Veränderung. Wir haben ihn jetzt schon, wenn ich mit meinen Töchtern kommuniziere, geht das in Richtung Hieroglyphen.

Wir haben heute gehört, dass Agilität wichtig sei und auch das Fehlermachen. Gehört dies ebenfalls zu einem Kulturwandel?

 Dirk Kammermeier: Unbedingt. Man muss dazu fähig sein, das negative Ereignis in eine positive Erfahrung umzuwandeln. Überhaupt erstmal Fehler zulassen. Agilität kann man mit einem Boot vergleichen. Je schneller ich fahre, desto besser kann ich es lenken.

Wie sieht es bei Ihnen aus, Herr Stoffel?

Marc Stoffel: Ich finde die Frage ein bisschen abstrakt. Wir gehen nicht hin und sagen, dass wir jetzt die Kultur ändern wollen. Bei uns sind es eher die Aktionen oder Strategien, die zu einem Kulturwandel führen. Wir versuchen einfach, Probleme pragmatisch und entspannt zu lösen.

Oft wird mit der Digitalen Transformation auch von einer flacheren Hierarchie gesprochen, die sich Firmen zulegen sollten. Ist dies bei Fraisa bereits geschehen?

Dirk Kammermeier: Wichtiger ist, dass man den Mitarbeitern ein sicheres Gefühl gibt, sie motiviert, dass man transparent ist. Jeder in der Firma möchte wissen, was los ist, denn das Handeln wird vom Denken bestimmt. Wenn Grauzonen existieren, sitzt das Personal 60% der Zeit in der Kaffee-Ecke, eine Katastrophe für ein Unternehmen. Gute Firmenstrategie und gute Kommunikation sind das A und O.

Marc Stoffel: Ich denke, dass es ein schwieriger Spagat ist, flache Hierarchien zu praktizieren und gleichwohl von den Mitarbeitern Eigenverantwortung und Unternehmergeist zu verlangen. Meiner Ansicht nach darf man in bestimmten Situationen auch eine gewisse Unsicherheit ausstrahlen.

Dirk Kammermeier: Aber wenn ich meinem Mitarbeiter als Randbedingung versichern kann, dass er einen sicheren Arbeitsplatz hat, und ihm Flexibilität und Freiheit gebe, ist er motivierter. Und das ist eine fruchtbare Ausgangslage für Veränderung.

Soll man Kulturwandel nach aussen tragen?

Marc Stoffel: Bei uns war es hilfreich. Eine erfolgreiche Präsenz in der Öffentlichkeit kann andere Leute anziehen und neue Geschäfte ermöglichen.

Dirk Kammermeier: Dem kann ich mich nur anschliessen. Wir brauchen gut ausgebildete Leute. Wenn Sie das Image einer verstaubten Bude haben, kommt kein Mensch zu Ihnen. Eine attraktive Firmenkultur ist sehr wichtig.


Technologie für den Menschen kreieren

Abschluss-Keynote: Outthink the Revolution

Zum Schluss der Tagung wurde wieder ein Spiegel vor das Gesicht der ganzen Welt gehalten – von einem Philosophen mit scharfer Beobachtungsgabe. Anders Indset, auch bekannt als Rock’n’Roll-Platon, sagte, dass uns der Kompass fehle, eine gemeinsam einzuschlagende Richtung. Die Komplexität der Welt werde durch den Technologiewandel sichtbar und verunsichere und überfordere uns. Wir wüssten keine zehn Adjektive über uns selbst aufzuzählen – wir könnten unser wirkliches Ich nicht ergreifen. Nur Leere sei da. Und die Technologie könne uns dabei nicht helfen.

«Künstliche Intelligenz wird bald den IQ des Menschen erreichen. Alles ist schon da, aber keine emotionalen Reaktionen. Wir spüren nichts.»

Wir haben Angst, da wir Technologien entwickeln, die uns überflüssig machen. Nach der digitalen Transformation kommt der Homo obsoletus. Aus diesen Gründen müsse die Welt die Hacker-Mentalität wiederfinden. Intelligente Firmen suchen andersartige Denker, die auf sogenannt «wildes Wissen» stossen, oder «Unknown Unknowns», mit denen sie geniale Produkte entwickeln. Wir brauchen eine «Action Economy», wir müssen die Perspektiven wechseln. Aber dies erfordert denken. Und absurderweise machen wir alles für unseren Körper, aber nichts für unseren Kopf. Wir sollten pro Woche, zum Beispiel statt einer Fitnessstunde, eine Denkstunde einführen. Denn die Kunst des klaren Denkens sei wichtig, gerade für Führungskräfte im 21. Jahrhunderts. Ideal als Take-Home-Message, schloss Anders Indset mit seinen zehn Postulaten für den Wandel ab:

  1. Why? – Wir müssen wissen, warum Dinge getan werden. Dies erfordert transparente Kommunikation.
  2. Forget what – Vergessen Sie, was sie sehen. Es gibt immer andere Sichtweisen.
  3. Forget who – Wir brauchen menschliche Vielfalt, Unterschiede, Facetten.
  4. «Me» to «We» – Wir müssen neue Teams bilden, neue Ökosysteme.
  5. Fail – Fails sind Erfahrungen, nicht Misserfolge. Wir sollten nicht alles minutiös durchdenken, einfach loslegen und Erfahrungen machen.
  6. Nein sagen – Wir sollten Dinge hinterfragen, Dinge nicht akzeptieren.
  7. Be resilient – Wir sollten nachgiebiger sein.
  8. Become a storymaker – Wir sollten lernen, Geschichten zu erzählen, Gedanken und Bilder zu visualisieren.
  9. Practice your roles – Wir sollten unserer wirklichen Rolle besser auf die Schliche kommen, unsere eigenen Stärken entdecken.
  10. Curators of compassion – Damit Wandel entsteht, muss es im kapitalistischen Umfeld mehr Mitgefühl geben.

Zusammengefasst ergeben die zehn Postulate von Anders Indset dieses Schlussplädoyer:

«Hinterfragen Sie immer wieder die Revolution!»


EUROFORUM Ansprechpartner

Ihre Fragen zur Konzeption des Tagungsprogrammes sowie zu den verpflichteten Referenten beantwortet gerne:

Ingrid Della Giustina
Conference Director
EUROFORUM Schweiz AG
www.euroforum.ch
ingrid.DellaGiustina (at) euroforum.com

Impressum

Eine Produktion von «Technik und Wissen»
Das moderne Onlinemagazin für die Industrie

Skript: Eugen Albisser
Text: Luca Meister
Produktion: Didi Kälin, Kaspar Flückiger
Fotografie: Sonia Di Paolo
Film: Sonia Di Paolo, Eugen Albisser
IT-Support/Software: Sebastian Hanig, Scalar

TECHNIK UND WISSEN GmbH
Innovationsdorf Bern
Wylerringstrasse 36
3014 Bern
Schweiz

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Veröffentlicht: Februar 2018 /
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