Rosmarie Schoop hat ein Buch geschrieben über einen Monteur, der für Sulzer in die Welt zog. Doch dann ging das Herz dieser Firma, die Dieselmotorenabteilung, unter und die Winterthurer Firma war nie mehr dieselbe. Ein Interview mit der Autorin.
Frau Schoop, Sie haben den Roman «Herzlos – Vom Monteur, der für Sulzer in die Welt zog» geschrieben. Können Sie die Geschichte kurz zusammenfassen?
Es geht um einen Sulzer-Dieselmotorenmonteur, der im Jahr 1965 im Salpeterwerk María Elena in der chilenischen Atacamawüste einen Einsatz hat und dort auf seinen verschollen geglaubten Onkel trifft. Im Werk lernt er auch Norma kennen und verliebt sich in sie. Das Paar lässt sich nach einem Aufenthalt in Lima und Iquitos in Winterthur nieder. Bald wird ihre Tochter geboren. Der Roman wechselt von der Schweiz nach Chile und zurück, bis ins Jahr 2000. Der Fokus liegt auf der Dieselmotorenabteilung von Sulzer, es wird aber vieles andere thematisiert, was in den 35 Jahren sowohl die Schweiz als auch Chile bewegt. Der Roman ist auch eine Familien- und Liebesgeschichte, er ist vielschichtig. Und übrigens eine lose Fortsetzung des Romans «Chile-Salpeter und Edelweiss – eine Familiengeschichte», der im Jahr 2020 unter meinem Pseudonym Emma Olivares erschien.
In welchem Sinne muss man dieses «Herzlos» im Titel vorstellen?
Ich finde es eigentlich spannend, dass sich der Titel während des Lesens eines Romans erschliesst. Aber auf Ihren Wunsch löse ich auf: Das Dieselmotorengeschäft war während vieler Jahre der Kernbereich von Sulzer, man kann auch sagen das Herz. Als der Dieselmotorenbereich ausgegliedert wurde, war das Unternehmen vorübergehend herzlos.
Das Buch gibt Einblicke in die Welt von Sulzer – woher haben Sie dieses Wissen?
Dem Schreiben des Romans ging eine monatelange Recherche voraus. Mein Vater und mein Grossvater haben viele Dokumente ihres Berufslebens bei Sulzer aufbewahrt. Geschäfts- und Presseberichte, Jubiläumsschriften, Zeitungsausschnitte, Mitarbeiterzeitschriften und vieles mehr. Ich habe natürlich auch einige Bücher über die Firma gelesen, das Internet half auch.
Es ist zwar ein Roman, aber ist eingebettet in die real existierende Geschäftswelt von Sulzer – was alles ist oder war Realität und welche Teile sind Fiktion?
Was mit Sulzer bzw. seiner Dieselmotorenabteilung passierte, entspricht in meinem Roman den Tatsachen. Ich erwähne nicht jedes Detail, da ich ja kein Sachbuch geschrieben habe. Ich habe mich von der Geschichte meiner Eltern inspirieren lassen. Sie waren in Iquitos und Lima und kamen dann in die Schweiz. Ich weiss, auf welchen Schiffen, wo überall mein Vater im Einsatz war, welche Kurse er besucht hat. Er hat alle seine Einsätze dokumentiert, und zwar seit seinem Lehrabschluss bis zur Pensionierung. Erfunden ist der Onkel, der Bezug zum Salpeterwerk, die gesamte chilenische Familie. Was zwischen den Familienmitgliedern in der Schweiz passiert, ist fiktiv, aber ich gehe von meinem eigenen Familienkonstrukt aus.
Warum haben Sie dieses Buch auf diese Weise geschrieben mit Sulzer im Mittelpunkt?
Weil ich es schade finde, dass es in Winterthur kein Museum über Sulzer gibt. Die Dieselmotorenabteilung war einst wichtig für das Unternehmen, in meinen Augen wesentlich, eben das Herz. Deshalb der Fokus darauf. Ich wollte den stillen Sulzer-Helden, den Monteuren, die für das Unternehmen im Ausland waren, ein Denkmal setzen.
Haben Sie jemals von Sulzer etwas gehört? Hat man mit Ihnen Kontakt aufgenommen?
Ich habe Suzanne Thoma per Mail über meinen Roman informiert, in den Medien konnte sie ja nicht über mein Buch erfahren. Sie hat mir zeitnah sehr freundlich und persönlich zurückgeschrieben. Das hat mich sehr gefreut, auch dass sie schrieb, sie würde sich mein Buch besorgen.
Das Buch ist schon seit einiger Zeit auf dem Markt: Haben Sie von ehemaligen Sulzer-Mitarbeitern Feedbacks erhalten?
Das Buch ist seit Ende 2023 auf dem Markt, aber da in den grossen Medien nicht darüber informiert wurde, wissen wenige davon. Deshalb habe ich nicht viele Rückmeldungen erhalten. Ein ehemaliger Sulzer-Ingenieur, der seit geraumer Zeit in Katalonien wohnt, hat den Schweiz-Aktuell-Beitrag am 19. März 2024 gesehen und mich kontaktiert. Er findet mein Buch wichtig, es widerspiegle sein Leben und seine Erfahrungen. Er kündigte Anfang 1990er Jahre aus Protest seine Stelle bei Sulzer und wanderte aus. Von anderen habe ich gehört, mein Roman sei glaubwürdig, genauso sei es gewesen. Ich schreibe ja nicht nur über das, was war, sondern auch über die Gefühle und Gedanken der Protagonisten.
Was denken Sie, warum ist Ihr Roman bis jetzt nicht von den grösseren Medien aufgegriffen worden?
Heutzutage hat kaum jemand Zeit, ein Buch zu lesen, aber das Thema scheint auch nicht zu interessieren. Man kann schon sagen, dass das Ende der Dieselmotorenabteilung unrühmlich war. Über etwas Unschönes möchte man vielleicht nicht mehr sprechen. Aber in meinem Roman klage ich nicht an, ich schreibe nur darüber, was vorgefallen ist -, damit ein wichtiges Kapitel der Winterthurer Industriegeschichte nicht vergessen wird.
Inhalt
Fito ist Dieselmotoren-Spezialist bei der Schweizer Firma Sulzer in Winterthur. Er arbeitet wie viele andere Winterthurer schon in dritter Generation beim Unternehmen und ist als Ausland-Monteur vor allem in Südamerika tätig. Für ihn und seine Arbeitskollegen beginnt eine Odyssee, als der Dieselmotorenbereich verkauft werden soll. Während eines Ausland-Einsatzes begegnet Fito im Salpeterwerk María Elena in der chilenischen Atacamawüste zufällig seinem verschollen geglaubten Onkel Enrique und dessen Familie. Durch Enrique spürt Fito zum ersten Mal, wie stark Familienbande sein können, denn seine Jugend war nicht unbelastet. Wenig später lernt er die geheimnisvolle Norma kennen und ist fasziniert von ihr. Sie ist charismatisch und anpassungsfähig, kann aber keinen Frieden schliessen mit ihrer Vergangenheit. Nach einer Zeit in Peru zieht das Paar in die Schweiz, die María Elena lässt sie aber nie los. Auch das Schicksal ihrer gemeinsamen Tochter Rosalie ist eng mit dem Salpeterwerk verbunden.
Aus einem Herzstück Winterthurer Firmen- und Stadtgeschichte entspinnt sich ein feines Netz über Generationen und Kontinente.
(Textauszug: Orell Füssli)
Autorin
Rosmarie Schoop ist im schweizerischen Winterthur geboren und aufgewachsen. Nach einer kaufmännischen Berufslehre hat sie an der Universität Zürich französische und englische Sprach- und Literaturwissenschaft studiert und einige Jahre als Sprachlehrerin gearbeitet. Dann ist sie zum Journalismus gekommen und schliesslich Schriftstellerin geworden.
Andere Bücher von ihr sind die Erzählung «Die Perle - Ojos que no ven, corazón que no siente» und der Roman «Chile-Salpeter und Edelweiss - eine Familiengeschichte», im Jahr 2020 unter dem Pseudonym Emma Olivares erschienen. «Herzlos. Vom Monteur, der für Sulzer in die Welt zog» ist eine lose Fortsetzung dieses Romans.
(Textauszug: Orell Füssli)
Impressum
Autor: Eugen Albisser
Bildquelle: zVg
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
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