Die wundersame Welt der Blockchain-Technologie
Wie Live-Trading mit Blockchain in Energienetzen funktioniert
Die wundersame Welt der Blockchain-Technologie
Wie Live-Trading mit Blockchain in Energienetzen funktioniert
Blockchain könnte in Zukunft fast überall eingesetzt werden. Zum Beispiel auch in Energienetzen. Bruno Herzog von Siemens erklärte in einem Vortrag, wie das funktionieren kann.
Autor: Eugen Albisser
Blockchain ist eigentlich nicht mehr als eine digitale Verschlüsselungstechnik, über die sich Handelsgeschäfte direkt abwickeln lassen. Daher sind die Anwendung mit Blockchain äusserst vielfältig. Obwohl man heute vor allem die Finanzindustrie über Blockchain reden hört, so passt sie auch in alle möglichen Industrien. In diesem Vortrag sollen Beispiele aus der Energiebranche gezeigt werden, wie sie zu einem «Door Opener» werden können.
Ein Netz mit Blockchain
Im Energiebereich sind die Microgrids stark im Kommen. Das sind Inselnetze. Eine Darstellung vom BFE (Abbildung 1) zeigt sehr gut, wie ein solches Netz mit Blockchain aussehen kann. Nehmen wir an, Frau Berlusconi will ihr Elektromobil tanken. Das kann sie heute natürlich schon ganz einfach machen. Doch sie möchte aber wirklich wählen können, zum Beispiel möchte sie bei Herrn Müller die Energie kaufen. Frau Bernasconi löst also eine Transaktion aus, diese wird im Netzwerk geprüft und bewilligt. Dann wird sie in einem Datenblock erfasst und diese wird einer Datenkette hinzugefügt und schliesslich bei Herrn Müller als Transaktion vollzogen. Dann wird der Strom geliefert.
Live-Trading mit Blockchain
Dass die Energiebranche sich heftig mit Blockchain beschäftigt, sieht man auch daran, dass einzelne Unternehmen wie Vattenfall zusammen mit 25 Partnerfirmen eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben haben, um die Eignung der Blockchain-Technologie für verschiedene Anwendungsfälle im Energiemarkt zu prüfen. In einem Zeitungsartikel heisst es abschliessend: «Die Studie soll vorerst bis zum Jahresende laufen. Dann hofft Vattenfall, ausreichend Erfahrung gesammelt zu haben, um erstmals ein Live-Trading mit Blockchain durchführen zu können.»
Fünfmal mehr Energie als Gemeinde verbraucht
Aber zurück zu den Microgrids. Wie so eine Insellösung aufgebaut werden kann, sieht man zum Beispiel in Wildpoldsried bei Kempten im Alllgäu, wo das Projekt «Irene» umgesetzt wird. Bereits jetzt ist das Projekt so weit fortgeschritten, dass dort ein Erzeugungsmix eingetreten ist mit Solar, Windkraft, Biogas, Biomasse und erzeugen fünfmal so viel Energie aus erneuerbaren Energieträgern wie die Gemeinde selbst verbraucht. Die Forschungsziele sind dort:
- Umkehr von Lastflüssen durch Einspeissung erneuerbarer Erzeuger
- Einfluss der Elektromobilität auf die Verteilnetze
- Ökonomisch optimierter Netzausbau und -betrieb
Grid-Controller stellt Ausgleich dar
Hier wie anderswo auch spielt die Netzstabilität eine übergeordnete Rolle. Es sollte immer gewährleistet sein, dass 50 Hertz im Netz sind. D.h, wenn man zu viel oder überproportional viel Energie erzeugen, dann ergeben sich Netzschwankungen und das ist die Herausforderung. Hier kommt die Elektrotechnik dazu, welche den Takt vorgeben kann. Im Falle von Wildpoldsried bei Kempten zum Beispiel in einem Inselnetzbetrieb mit einem SICAM Microgrid Controller, also einem Microcontroller, der schaut, dass dieser Ausgleich jede Sekunde hergestellt ist.
Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG) bilden
Wie kann man etwas Ähnliches nun auf die Schweiz übertragen? Unsere Energieversorger haben sehr stabile Netze und es ist wahrscheinlich nicht unbedingt empfehlenswert, sich Loszulösen vom Vorlieferant. Nichtsdestotrotz wird es ab 1.1.2018 möglich sein, dass man Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG) bilden kann. Konkret heisst das: Die EVG verfügt gegenüber dem Netzbetreiber über einen einzigen Messpunkt. Der Verteilnetzbetreiber hat das Recht, den Bezug und die Rücklieferung der Eigenverbrauchsgemeinschaft mit eigenen Zählern zu messen und diese Kosten der EVG in Rechnung zu stellen. Innerhalb der EVG ist die Messung und Abrechnung der Mitglieder Sache der EVG.
Interne Balance suchen
Ab nächstem Jahr kann man ein Quartier bauen und eine Eigenverbrauchsgemeinschaft gründen mit einem Zählpunkt. Dieser Zählpunkt wird dann verrechnet für den Austausch - und intern wird geschaut, dass eine Balance erreicht wird. Dann kann es natürlich passieren, dass auf dem Zähler eigentlich gar nie etwas fliesst, respektive sogar zurückfliesst, wenn man zu viel Energie hat. D. h., diese EVG hätten auch die Möglichkeit, ein Inselnetz zu werden.
Ob dies Realität sein kann, wird sich zeigen. Aber wichtig für die Branche ist, sich zu überlegen, wie sie darauf reagieren kann. Denn solche so genannten Arealnetze brauchen eine Servicedienstleistung. Und wenn man die disruptiven Geschäftsmodelle anschaut, kann es schnell passieren, dass ein Unternehmen aus einem vollkommen anderen Bereich kommt und diese Dienstleistung übernimmt.
Der Blockchain-Ansatz
Nun kommt noch der Blockchain-Ansatz zum Tragen. Hier gibt es ein Beispiel in Brooklyn, New York, wo ein Projekt umgesetzt wurde, das mittels Peer-to-Peer-Transaktionen funktioniert. Brooklyn ist geografisch gesehen eine Teilinsel, die immer wieder wegen Stürmen Blackouts hatte. Dennoch liefert beispielsweise die Fotovoltaik weiterhin Strom. Die Ausgangslage war also diese: Wie kann man das System auch dann betreiben, wenn das Netz weg ist?
Man baute zuerst ein sogenanntes Microgrid, um das Netz kontrollieren zu können. Dort sind auf der einen Seite die Kunden, die Solarstrom beziehen möchten. Und dann die Produzenten, die mehr Solarenergie produzieren, als sie selber brauchen. Das war die Ausgangslage, als man sich fragte, wie können wir dieses System auch betreiben, wenn das Netz weg ist? Daraufhin haben die Firmen Transactivegrid und LO3 Energy die Blockchain aufgesetzt und Siemens ist der Partner, der die ganze Elektrotechnik im Hintergrund macht, damit das Netz – und damit die in den USA üblichen 60 Hz – auch im Inselfall bestehen bleiben.
Pressemitteilung vom November 2016
Siemens und das New Yorker Start-up LO3 Energy arbeiten auf dem Gebiet innovativer Microgrids zusammen. Ziel der Kooperation ist die gemeinsame Entwicklung von Microgrids, die einen lokalen Energiehandel auf Basis der Blockchain-Technologie ermöglichen. Dazu bringt Siemens seine im Oktober 2016 gegründete Einheit next47 als Teil seines Ecosystems für Partnerschaften mit Start-ups ins Spiel, um auf dem sich rasch verändernden Markt für dezentrale Energiesysteme eine führende Rolle einzunehmen. LO3 Energy wird als Start-up von der Siemens-Geschäftseinheit Digital Grid und next47 unterstützt. Derzeit wird gemeinsam eine Lösung für ein blockchain-basiertes Microgrid im New Yorker Stadtteil Brooklyn erarbeitet. Es ist das weltweit erste seiner Art und gibt gleichzeitig den Startschuss für andere gemeinsame Microgrid-Projekte in den USA und anderen Ländern.
Vielfältige Handelsmöglichkeiten
Mit dem Peer-to-Peer-Handel stehen alle Teilnehmer in einem möglichen Kontakt: Konsumenten, Produzenten, Anlagenbetreiber und Netzbetreiber. So können Teilnehmer am lokalen P2P-Marktplatz direkt untereinander Handel betreiben, oder der Handel findet zwischen Aggregator, lokalem Versorger, Netzbetreiber und Teilnehmer am lokalen P2P-Marktplatz statt. Oder der Handel findet statt zwischen lokalem Marktplatz und Nachbar-Marktplatz sowie «konventionellen» Märkten. Dieser Peer-to-Peer-Handel findet mittels so genannter «Smart Contracts» auf Basis von Blockchain statt.
«Wir zeigen, was Blockchain bewirken kann»
Lawrence Orsini, Gründer von LO3 Energy, sagte in einer Pressemitteilung von Siemens: «In der Finanzwelt ist Blockchain-Technologie über viele Bereiche hinweg schnell vorangeschritten. Im Energiemarkt sieht das im Vergleich dazu jedoch noch anders aus. Mit unserer Microgrid-Lösung in Brooklyn werden wir die Anfänge von dem zeigen, was Blockchain in der Welt von «transactive energy» bewirken kann.»
Beim Microgrid in Brooklyn, das als Pilotprojekt von LO3 Energy startete, wird erstmals eine Microgrid-Control-Lösung von Siemens mit der Transactive Grid genannten Peer-to-peer-Handelsplattform von LO3 Energy vereint.
Weitere unterschiedliche Geschäftsmodelle erproben
Zur Steigerung der Effizienz der Gesamtsysteme wird die Funktion der Plattform neben dem Handeln von erzeugter und gespeicherter Energie auch das Handeln von Flexibilitätsoptionen der Verbraucher umfassen. Desweiteren sollen mit der Kombination der Transactive-Grid-Technologie von LO3 Energy und den Microgrid-Control-Lösungen von Siemens der temporär autarke Betrieb heterogener Microgrids – zum Beispiel nach Unwetterkatastrophen – einfacher und die Nutzung bestehender Betriebsmittel der Netzinfrastruktur optimiert werden.
Auf Basis der Erfahrungen aus dem Pilotprojekt in Brooklyn wollen Siemens und LO3 Energy weitere blockchain-basierte Microgrid- und Smart-City-Projekte implementieren, um weitere unterschiedliche Geschäftsmodelle zu erproben sowie Erkenntnisse für die Replizierbarkeit der Lösungen in anderen Regionen der Welt zu gewinnen.
Manipulationen so gut wie ausgeschlossen
Die Blockchain-Technologie, bei der es sich um ein Verfahren der Datenspeicherung und -validierung handelt, ermöglicht direkte Geschäfte zwischen Stromerzeugern und -verbrauchern. Transaktionen werden hierbei nachvollziehbar und fälschungssicher auf verteilten Systemen gespeichert, ohne dass es hierfür einer zentralen Kontrolle bedarf. Durch kryptografische Verfahren und die verteilte Speicherung sind Manipulationen so gut wie ausgeschlossen. Andererseits wird durch Authentisierungsverfahren die Vertraulichkeit der Daten der Teilnehmer gewährleistet. In der Finanzwelt nutzt zum Beispiel die Kryptowährung «Bitcoin» das Blockchain-Verfahren.
Kostenreduktion dank Echtzeit-Peer-to-Peer-Transaktion
Die grundlegenden Vorteile der Blockchain-Technologie im Energie-Umfeld ist sicherlich die Kostenreduktion: Man braucht kein separates Abrechnungssystem mehr wie zum Beispiel Paypal oder Tansakt, denn es erfolgt eine Echtzeit-Peer-to-Peer-Transaktion. Auch die Sicherheit ist wesentlich grösser. Man beruft sich hier auf unveränderbare Einträge und gegenseitiges Vertrauen. Auch fallen keine Zusatzkosten für dich Sicherheitsprüfung und Herkunftsnachweis an. Es findet ausserdem eine Optimierung statt, weil die Daten verteilt abgelegt sind.
Impressum
Autor: Eugen Albisser, Chefredaktor Technik und Wissen
Textquelle: Dieser Artikel entstand zu grossen Teilen aufgrund eines Vortrags von Bruno Herzog, Leitung Account Management bei Siemens.
Bildquelle: Siemens / LO3 Energy
Publiziert von Technik und Wissen (ea)
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