Nächste Evolutionsstufe: Herstellerunabhängige Automatisierung

(Getty Images)

Zwischen Museum und Aufbruch: Unter dem Einfluss von Software und IT verändert sich in der Automatisierungswelt gerade so einiges. Sind proprietäre Systemstrukturen unter diesen Vorzeichen noch zeitgemäss?


Ein Beitrag der Firma Schneider Electric
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen

Ende 2023 wurde in der «Enter Technikwelt» in Solothurn eine neue Dauerausstellung eröffnet. Das grösste interaktive Museum für analoge und digitale Technik der Schweiz widmet sich darin einem Thema, das während der vergangenen 50 Jahre einfach elementar für die Entwicklung unseres heutigen Wohlstands und unserer Wirtschaftskraft war und ist: der Industrieelektronik. Für praktisch sämtliche Errungenschaften, die auf dem Gebiet der Automatisierung erzielt werden konnten (und heute noch relevant sind), bilden moderne elektrotechnische Komponenten die Grundlage. Insbesondere die Erfindung der SPS-Steuerung im Jahr 1969 hat die Grenzen des Möglichen entscheidend verschoben.

Die Orchestrierung komplexer, extrem feingliedriger und rasant getakteter Anlagen mit vielen verschiedenen Achsen und Messgeräten, wie wir sie für heutige Wettbewerbsanforderungen (und unser Konsumverhalten) benötigen, wäre ohne sie schlicht unmöglich gewesen. Und auch wenn meist nur Fachleute wissen, was eine Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) eigentlich ist – ihre Bedeutung für nahezu sämtliche Bereiche unseres heutigen Lebens ist einfach immens.

Und doch, mehr als 50 Jahre nach Richard E. Morley’s epochaler Erfindung, bahnt sich in der Automatisierungswelt erneut ein Paradigmenwechsel an. Dabei steht weniger die Komponente SPS-Steuerung an-sich infrage, als vielmehr der automatisierungstechnische Modus Operandi, der mit ihr einhergeht. Denn anders als bei Laptops oder Smartphones sind Software und Hardware bei einer SPS-Steuerung fast immer herstellerspezifisch, also proprietär, aneinandergebunden. Während das in den Anfangszeiten der SPS-Steuerung noch positiv, sozusagen als Garantie für uneingeschränkte Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems gewertet wurde, hat sich der Wind in Zeiten von Industrie 4.0 und IIoT-Digitalisierung gedreht. Das Thema «offene Automatisierung» ist praktisch von keiner Fachtagung mehr wegzudenken. Aber wieso?

Anachronistische Automatisierung

Auch wenn niemand gerne hört, wie schnell die Zeit vergeht: Von den Technischen Universitäten drängt gerade eine Generation in die Unternehmen, Jahrgang 2000, für die viele Relikte der gegenwärtigen Automatisierung tatsächlich als museal erscheinen müssen. Denn wer als Digital Native Python oder JavaScript gelernt hat, bringt schlicht und ergreifend wenig Verständnis dafür mit, dass die programmiertechnischen Möglichkeiten einer SPS durch ein geschlossenes Herstellersystem begrenzt bleiben. Welche Anwendungen wie programmiert werden können, ist einzig und allein von dem Baukasten abhängig, den mir ein Hersteller für dieses eine Steuerungsmodell dieser einen Generation zur Verfügung stellt. Damit ist gerade bei komplexeren Anwendungsfällen nicht nur die Erstellung einer wirklich individuellen Programmierung erschwert, sondern auch das herstellerübergreifende Zusammenspiel verschiedener SPS-Steuerungen muss jedes Mal aufwendig konfiguriert werden.

Aufgrund der ungeheuren Vielzahl an unterschiedlichen Entwicklungsumgebungen ist damit eine selbst für Fachleute unüberschaubare Gemengelage entstanden, die sich hemmend auf Modernisierungsvorhaben und Innovationskraft auswirkt. Der finanzielle, zeitliche und personelle Aufwand für Migrations- oder Integrationsprojekte ist meist enorm. Und auch die Experten-Community, von der eigentlich wertvolle Impulse und Synergieeffekte, etwa für die Umsetzung einer nachhaltigeren Industrie, ausgehen könnten, bleibt durch die proprietär geprägte Systemlandschaft notgedrungen fragmentiert.

So fällt es oft schwer, das volle Potenzial längst vorhandener Technologielösungen – etwa im Kontext digitaler Vernetzung und Datenanalyse – zu nutzen und zum Beispiel von mehr Flexibilität oder Energieeffizienz zu profitieren. Die häufig wahrgenommene Diskrepanz zwischen einem generell rasant voranschreitenden Technologiefortschritt (siehe KI) einerseits und der tatsächlichen Realität in den Fabrikhallen andererseits liegt zum Teil also auch in der limitierenden Art und Weise begründet, wie wir Automatisierung betreiben.

Anachronistische Automatisierung

Auch wenn niemand gerne hört, wie schnell die Zeit vergeht: Von den Technischen Universitäten drängt gerade eine Generation in die Unternehmen, Jahrgang 2000, für die viele Relikte der gegenwärtigen Automatisierung tatsächlich als museal erscheinen müssen. Denn wer als Digital Native Python oder JavaScript gelernt hat, bringt schlicht und ergreifend wenig Verständnis dafür mit, dass die programmiertechnischen Möglichkeiten einer SPS durch ein geschlossenes Herstellersystem begrenzt bleiben. Welche Anwendungen wie programmiert werden können, ist einzig und allein von dem Baukasten abhängig, den mir ein Hersteller für dieses eine Steuerungsmodell dieser einen Generation zur Verfügung stellt. Damit ist gerade bei komplexeren Anwendungsfällen nicht nur die Erstellung einer wirklich individuellen Programmierung erschwert, sondern auch das herstellerübergreifende Zusammenspiel verschiedener SPS-Steuerungen muss jedes Mal aufwendig konfiguriert werden.

Aufgrund der ungeheuren Vielzahl an unterschiedlichen Entwicklungsumgebungen ist damit eine selbst für Fachleute unüberschaubare Gemengelage entstanden, die sich hemmend auf Modernisierungsvorhaben und Innovationskraft auswirkt. Der finanzielle, zeitliche und personelle Aufwand für Migrations- oder Integrationsprojekte ist meist enorm. Und auch die Experten-Community, von der eigentlich wertvolle Impulse und Synergieeffekte, etwa für die Umsetzung einer nachhaltigeren Industrie, ausgehen könnten, bleibt durch die proprietär geprägte Systemlandschaft notgedrungen fragmentiert.

So fällt es oft schwer, das volle Potenzial längst vorhandener Technologielösungen – etwa im Kontext digitaler Vernetzung und Datenanalyse – zu nutzen und zum Beispiel von mehr Flexibilität oder Energieeffizienz zu profitieren. Die häufig wahrgenommene Diskrepanz zwischen einem generell rasant voranschreitenden Technologiefortschritt (siehe KI) einerseits und der tatsächlichen Realität in den Fabrikhallen andererseits liegt zum Teil also auch in der limitierenden Art und Weise begründet, wie wir Automatisierung betreiben.

Universal Automation

Dass Automatisierung heute – mehr als 50 Jahre nach Erfindung der SPS – aber auch anders geht, machen unter anderem die mittlerweile 88 Mitglieder der Non-Profit-Organisation UniversalAutomation.Org (UAO) vor. Diese setzen sich aus namhaften internationalen Industrieunternehmen, OEMs, Herstellern und Universitäten zusammen – u.a. zählen die BASF, Cargill, Phoenix Contact, Schneider Electric oder die JKU Linz dazu – und treiben einen Automatisierungsansatz voran, mit dem Automatisierungssoftware und -hardware voneinander entkoppelt werden können.

Dem Prinzip aus der Consumer-IT folgend, wonach das Betriebssystem und nicht die Hersteller-Herkunft der Hardware für die Auswahl einer Software entscheidend ist, stellt die UAO ihren Mitgliedern hierzu eine anbieterneutrale Runtime Execution Engine zur Verfügung, die in praktisch jede mechatronische Komponente mit CPU implementiert werden kann. Mithilfe dieses Bindeglieds zwischen Engineering-Tool und Firmware wird es möglich, dass auch Softwareapplikationen, die nicht in der eigentlich passenden Entwicklungsumgebung programmiert wurden, von einer beliebigen Hardware ausgeführt werden können.

Ziel der UAO ist es, für eine möglichst weite Verbreitung dieser bereits verfügbaren und mit OPC UA, NOA, MTP oder OPAS kompatiblen Technologie zu sorgen. Zahlreiche Mitgliedsunternehmen wie Kongsberg Maritime, R. STAHL oder Schneider Electric haben die Runtime bereits in ihre Automatisierungskomponenten implementiert.

Ein Gerät aus der Modicon-Familie (SPS-Steuerung) von Schneider Electric.
Ein Gerät aus der Modicon-Familie (SPS-Steuerung) von Schneider Electric.

Wiederverwendbare Softwareobjekte

Wichtig zu verstehen ist, dass es bei dem Vorhaben der UAO im Grunde nicht um ein weiteres Standardisierungs- oder Normierungsprojekt geht. Auch wenn mithilfe der Runtime Execution Engine beispielsweise eine Automatisierung nach IEC61499 möglich wird, – bei der die Intelligenz nicht mehr allein in der SPS-Steuerung sitzen muss, sondern auf sämtliche Komponenten mit CPU verteilt werden kann – werden durch die Technologie der UAO keine weiteren Vorgaben für die Umsetzung von Automatisierungsprojekten gemacht. Nach welcher Norm automatisiert wird oder welche Datenstandards zum Einsatz kommen, bleibt von der Runtime unberührt. Auch kann, falls gewünscht, weiterhin in der herstellerspezifischen Entwicklungsumgebung programmiert werden. Aber es ist eben kein Muss mehr. Auf diese Weise entstehen also deutlich mehr ingenieurstechnische Freiheiten und für die Auswahl von Hardwarekomponenten sind nicht länger der Hersteller, sondern einzig die Funktionsfähigkeit und gegebenenfalls die Lieferbarkeit von Bauteilen entscheidend.

Und noch ein weiterer wichtiger Vorteil kommt hinzu. Denn auf Basis echter Herstellerunabhängigkeit wird nicht nur die Auswahl von Hardware oder Engineering-Tool erleichtert, sondern auch der Umgang mit Anwendungssoftware wird deutlich freier. Einmal programmierter Code kann unter dieser Prämisse praktisch beliebig wiederverwendet werden und bleibt nicht auf einen Anwendungsfall oder eine SPS-Steuerung begrenzt. Stattdessen ist es möglich, einzelne Funktionsbausteine oder ganze Applikationen per Copy-and-Paste auf andere Anwendungsfälle – mit gleicher Mechanik, aber anderer Hardware – zu übertragen.

Für Maschinen- und Anlagenbauer hat das weniger Aufwand für Parallelentwicklungen zur Folge und Anwender profitieren – da auch die Lebenszyklen von Hardware und Software entkoppelt sind – von mehr Flexibilität bei Betrieb und Modernisierung ihrer Anlagen. Hinzu kommt, dass so auch ein völlig neuer Markt für herstellerunabhängig nutzbare Automatisierungssoftware entsteht. Nach dem Play-Store-Prinzip ist es dann künftig vielleicht sogar möglich, vorgefertigte Softwarebausteine von hochspezialisierten Drittanbietern zu erwerben und herstellerunabhängig für ein Automatisierungsprojekt zu nutzen.

Blick ins Museum
Ende 2023 wurde in der «Enter Technikwelt» in Solothurn eine neue Dauerausstellung eröffnet. Blick auf einen Teil der Ausstellung.

Fazit

Auch wenn man das in Solothurn schon getan hat – die SPS-Steuerung endgültig ins Museum zu verabschieden, dafür ist es noch zu früh. Aber mit der rasanten Entwicklung in Sachen Digitalisierung, Software und KI haben sich die Anforderungen an die Automatisierung – und damit auch die zum Einsatz kommenden Komponenten – zuletzt stark verändert. Angesichts hoher Rechenleistung in praktisch allen Feldgeräten und schnell wachsender Übertragungs-Bandbreiten für die Datenkommunikation muss die Frage erlaubt sein, ob ein Automatisierungsansatz, der in seinen Grundzügen mehr als 50 Jahre alt ist, heute überhaupt noch zeitgemäss ist? Wem genau nutzen die proprietären Systemstrukturen eigentlich noch? Und wie würde sich die Automatisierungswelt verändern, wenn man darauf verzichtet?

Fragen, die insbesondere deshalb so vehement gestellt werden müssen, da die Automatisierungstechnik – und das zeigt die Dauerausstellung in der «Enter Technikwelt» sehr eindrücklich – heute eine so elementare Rolle für unser modernes Leben und Wirtschaften spielt. Wollen wir also die grossen Herausforderungen unserer Zeit, zu denen nicht zuletzt der Klimaschutz zählt, erfolgreich bewältigen, dann werden wir auch hierfür die Automatisierung und alle mit ihr verbundene Expertise benötigen. Insofern braucht es eine kontinuierliche Beschäftigung damit, wie wir ihr Potenzial bestmöglich nutzen können.

Eine Dokumentation zum Thema herstellerunabhängige Automatisierung. (Videoquelle: Youtube-Kanal Schneider Electric)


Impressum

Textquelle: Schneider Electric

Bildquelle: Schneider Electric

Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen

Informationen

Schneider Electric
www.se.com

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