Konnektivität ist das Rückgrat einer vernetzten Welt. Doch diese Vernetzung birgt auch zahlreiche Gefahren. Im Gespräch mit Marcel Albrecht, Head of Digital Products und Services bei der Siemens Schweiz AG.
Markus Back (Autor) und Damian Byland (Fotos)
Der Begriff Connectivity / Konnektivität
Der Begriff «Connectivity» wird je nach Anbieter sehr unterschiedlich definiert. Was verstehen Sie bei Siemens unter diesem Schlagwort?
Konnektivität ist inzwischen allgegenwärtig, beispielsweise bei der Zusammenarbeit im Homeoffice übers Internet. Sie spielt aber auch in der Industrie eine immer grössere Rolle. Früher liefen Maschinen für sich, heute sind sie in Maschinenparks komplett miteinander vernetzt und werden in übergeordneten Leitsystemen visualisiert und von dort aus auch bedient.
Klassische Connectivity-Produkte
Was sind für Sie im Automationsbereich klassische Connectivity-Produkte?
Das sind inzwischen praktisch fast alle Produkte. Eine SPS beispielsweise lässt sich heute sehr einfach ans Internet anbinden und über dieses auch diagnostizieren. Bei Siemens haben wir alle Produkte, die mit der Netzwerk-Technik zu tun haben, in der Scalance-Familie zusammengefasst. Das sind zum Beispiel Switches, Firewalls oder Router, die auch VPN-Verbindungen aufbauen können.
Die elektrische Verbindung an einer Maschine von A nach B ist streng genommen auch schon Connectivity. Wie beurteilen Sie das als Experte?
Das ist richtig, wenn der Stecker nicht steckt, gibt es keine Konnektivität. Wenn man heute eine Maschine als solches betrachtet, steckt in dieser mit ihrer zentralen Steuerung und ihren dezentralen IO schon sehr viel Konnektivität.
Positiver Nutzen von Konnektivität
Welcher konkrete Nutzen ergibt sich aus der Konnektivität?
Der Mehrwert ist ganz massiv. Früher produzierte eine Maschine bestimmte Produkte. Das ist zwar heute immer noch so, aber deren Betreiber möchte wissen, wie gut diese produziert oder wie viel Stillstandzeiten sie hat. Hinzu kommt die vorausschauende Wartung, um den Service zu optimieren. Alle hierfür benötigten Informationen müssen irgendwo gesammelt und gespeichert werden und das geht nur über die Konnektivität.
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Schwerpunkt Konnektivität / Connectivity
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Stichwort «Predictive Maintenance». Wie gut funktioniert das in der Praxis?
(lacht) Das ist eine gute Frage! Das funktioniert eigentlich hervorragend. Wir haben viele Kunden, die das machen und das ist auch ein Trend, der ganz klar zu erkennen ist. So werden beispielsweise Vibrationen, Motorenströme, et cetera von Antrieben aufgezeichnet, analysiert und daraus entsprechende Schritte abgeleitet.
Dass das viel Geld sparen kann, erfuhr eine Firma, bei der der Motor eines Aufzugs kaputtging. Dieser musste für den Austausch samt Getriebe mit einem Kran über das Dach aus dem Gebäude gehievt werden. Hier hätte es sich gelohnt, den Motorstrom, das Drehmoment, die Drehzahlen oder die Vibrationen zu erfassen und zu analysieren. Die Arbeit wäre vermutlich die gleiche geblieben, aber der Ausfall hätte sich vermeiden und ein entsprechendes Wartungsfenster einplanen lassen.
Negative Seiten der Konnektivität
Was sind die Schattenseiten der Konnektivität?
Dass diese ein Einfallstor für Hacker sein kann. Da liegt auch unser Hauptaugenmerk drauf, das überall dort, wo Konnektivität aus einer Fabrik oder Anlage herausgeht, alle vorhandenen Schutzmassnahmen nach bestem Wissen eingesetzt werden.
Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings nicht, das muss man hier ganz klar sehen. Wir nutzen allerdings die Erfahrung, die wir in unseren Fertigungsstätten weltweit sammeln und lassen diese in unsere Produkte einfliessen. So können wir garantieren, dass diese auch wirklich sicher sind.
Es heisst immer wieder, dass Tech-Unternehmen dazu genötigt werden, in ihren Produkten Hintertüren einzubauen. Gibt es bei Siemens solche Schlupflöcher?
Ganz klar nein! Wenn in einem unserer Geräte eine Schwachstelle entdeckt wird, startet ein ganz genau definierter Prozess. In diesem wird das Gerät untersucht und mögliche Hintertüren verriegelt. Generell integrieren unsere Lösungen aber den aktuellen Stand der Sicherheitstechnik und letztendlich liegt es am Benutzer, diese auch anzuwenden. Tut er das nicht, können Aussenstehende unter Umständen auf diese Geräte oder eine Anlage zugreifen.
Connectivity – wann nicht?
Connectivity ist eine Voraussetzung für Industrie 4.0 und das Internet der Dinge. Wann raten Sie persönlich von einer Vernetzung ab?
(lacht) Die Frage lautet hier, welchen Mehrwert es gibt? Stimmt dieser, spricht nichts gegen eine Vernetzung von Maschinen und Anlagen – sofern alle Schutzmassnahmen genutzt werden, um diese vor unberechtigtem Zugriff zu schützen.
Ich habe im Rahmen meiner Dozententätigkeit mit Alexa experimentiert und diese über ein IoT-Gerät an eine Anlage angebunden, um diese mittels Sprache zu steuern. Auf einer realen Anlage würde ich das niemals tun, weil zu viel übers Internet geht und mir die Sache zu unsicher wäre. Daher sollte bei jedem Projekt die Frage stehen, ob sich dieser zu erzielende Mehrwert wirklich rechnet.
Zur Person Marcel Albrecht
Marcel Albrecht absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Elektromonteur, bevor er in den Unterhaltsdienst ging, wo er erstmals mit der Automatisierung und der Robotik konfrontiert wurde. Diese Faszination war mit ein Grund, sich an der HF Uster, wo er heute selbst Dozent ist, für ein Studium der Elektrotechnik einzuschreiben. Bis heute ist diese Begeisterung nicht verflogen, weshalb Aus- und Weiterbildungen ein fester Bestandteil seines Lebens sind. Das hierbei Erlernte setzt er direkt in der Praxis um, beispielsweise in einer IoT-Anwendung, in der er Maschinen per Sprachbefehl steuert. Der 55-Jährige ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und widmet sich in seiner Freizeit neben privaten IoT-Projekten der Familie, dem Hund und seiner Leidenschaft, dem Fotografieren.
Impressum
Autor: Markus Back, Print-Chefredaktor
Bildquelle: Damian Byland
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
Eine Publikation von Technik und Wissen
Informationen
Siemens Schweiz AG
www.siemens.ch
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