Mit smarten Produkten zum digitalen Zwilling

Mit smarten Produkten zum digitalen Zwilling
«SmartProduct» von SEW: Die zugehörige App liefert produkt- und auftragsbezogene Daten. Bild: SEW Eurodrive
Smarte Produkte spielen bei SEW Eurodrive eine wichtige Rolle. Denn darauf baut die Fabrik der Zukunft auf und ihr digitaler Zwilling. Was er beherrscht und was Besucher auf der Maintenance zu sehen bekommen, erklärt Ralf Dröschel, Leiter Anwendungstechnik/Service bei Alfred Imhof.
Autor: Eugen Albisser
Der «digitale Zwilling» ist für viele die Quintessenz dessen, was mit der Digitalisierung in der Produktionstechnik möglich ist. Dabei gibt es vielfältige Ansätze, wie dieser digitale Repräsentant aussehen und mit welchen Funktionen er gefüllt werden kann. Auch SEW Eurodrive hat kürzlich einen digitalen Zwilling vorgestellt. Wie weit ist dieser in der Entwicklung?
Ralf Dröschel: Zur Beantwortung der Frage sei kurz vorab definiert, wie das Verständnis unseres «Ansatzes» aussieht. Für SEW Eurodrive ist der digitale Zwilling in der Grundform die Bereitstellung aller Daten, die zu einem Produkt oder (Teil-)System von der Entstehung bis zur Verschrottung, anfallen. Die bereitgestellten Daten werden dann in Metriken und falls möglich mit weiteren Bedingungen zu Informationsmehrwerten verarbeitet.
SEW besitzt heute schon für Teile des Lebenszyklus Produkte und Leistungen, die Daten aufbereiten und als Kundenmehrwert bereitstellen. Insofern ist die grosse Herausforderung für alle Hersteller von individuellen Antriebs- und Automationsprodukten nicht die Datenbereitstellung, sondern vielmehr die Daten über den gesamten Lebenszyklus, sowohl im eigenen Unternehmen – bis zur Auslieferung –, als auch in der Betriebsphase – bis zur Verschrottung – zu erfassen, zu konsolidieren und individualisiert verfügbar zu machen.
Den EINEN digitalen Zwilling wird es nicht geben
Wie weit ist SEW da bereits?
Für bestimmte Produkte und Phasen ist dies schon geschehen, andere sind in der Umsetzung oder bereits in der Vorbereitung. Aber so oder so: «Einen» Markteintritt für «den» digitalen Zwilling der SEW Eurodrive wird es nicht geben, sondern es werden immer sukzessive Produkte und Leistungen auf den Markt gebracht, die auf den erfassten und bereitgestellten Daten basieren – bis im Idealfall datenbasierende Kundenmehrwerte für jede Lebenszyklusphase und jedes Produkt existieren.
Was wäre ein solches Produkt oder Leistung?
Eine konkrete Ausprägung wird beispielsweise für den Bereich Industriegetriebe mit dem Schwerpunkt Schwingungsanalyse auf der Hannover Messe 2019 zu sehen sein. Hier stellt SEW eine tiefgehende Diagnoseoption für Industriegetriebe vor, bei der Daten, die den Grundaufbau des Getriebes beschreiben, mit aktuellen Messdaten zu einer vorausschauenden Schwingungsanalyse kombiniert werden.

Können Sie hier ein paar der Funktionen erklären, die insbesondere für das prädikative Instandhaltungsmanagement von Interesse sind?
Entsprechend den oben genannten Detaillierungen lassen sich im digitalen Zwilling sehr gut Daten aus verschiedenen Lebenszyklusphasen zu Kundenmehrwerten kombinieren. Ein Beispiel ist die Nutzung von Auslegungsdaten aus der «Projektierungsphase» mit den «Ist-Nutzungswerten» aus der Betriebsphase. Mit entsprechenden Metriken können hierauf Abweichungsanalysen gebildet werden. Damit erkennt der Instandhalter immer sofort, wie weit die Lebensdauer seines Systems noch reicht. Damit lassen sich bedarfsoptimierte Wartungen und Services planen, genauso wie Nutzungsstrategien optimieren oder Produktauslegungen und Schwachpunkte ermitteln.
Tiefgreifendes Verständnis der Produkte und Systeme
Was unterscheidet diesen «digitalen Zwilling» von anderen auf dem Markt erhältlichen Alternativen?
Um Metriken und Algorithmen auf Daten des digitalen Zwillings aufbauen zu können, bedarf es eines tiefgreifenden Verständnisses der Produkte und Systeme. Bei den von SEW favorisierten Lösungen, lässt SEW dieses Wissen in Form von Expertenmodellen in den digitalen Zwilling einfliessen, um eine möglichst realitätsnahe Modellierung zu erlauben.
Dies kann nur bei entsprechender Technologiekompetenz und Fertigungstiefe gelingen. Auf Basis des digitalen Zwillings von SEW wird dieses Wissen über Schnittstellen auch allen Kundenapplikationen bereitgestellt werden können. Besonders ist da die Offenheit in der Anwendung und der Tiefgang des Angebots.
Während erst einige wenige Firmen mit dem «digitalen Zwilling» Erfahrungen sammeln, sieht es bei den «smarten Produkte» anders aus; an diesen Produkten gibt es im Moment kein Vorbeikommen – zumindest haben solche Produkte bei Messen oder in Fachzeitschriften Hochkonjunktur. Merken Sie, dass Firmen solche vermehrt einsetzen?
Ja, Firmen setzen vermehrt diese Produkte ein – und die Erklärung ist auch durchaus naheliegend. Ohne smarte Produkte keine ausreichende Vernetzung, keine Services, keine Daten, keine Interaktion, und so weiter. Smarte Produkte sind damit nahezu die Grundbausteine von funktionierenden IIoT-Systemen. SEW verfügt heute schon über ein ganzes Portfolio an «smarten» Produkten, die wir aber bisher noch nicht so nannten. Sie trugen ja bisher eher Attribute wie vernetzbar, kommunikativ oder Daten bereitstellend.
Sie werden auf der Maintenance in Zürich ausstellen. Was werden Sie dort zeigen?
Wir haben ein Industriegetriebe, bei dem wir die Möglichkeiten einer Endoskopie zeigen, also eine umfassende Schadensanalyse erstellen können, ohne das Getriebe zu demontieren. Des Weiteren zeigen wir ein Modell, welches mit der neuesten Umrichter-Generation des Automatisierungsbaukastens MOVI-C ausgestattet und den Zustand überwacht mittels Sensorik und Intelligenz. Natürlich möchten wir auch auf unsere Neuwert-Reparatur und den Möglichkeiten unserer «Smart Products» hinweisen. Hier werden wir unter anderem eine Möglichkeit einer Zustandsanalyse mittels Smartphone ohne zusätzliche Sensoren bieten.
Maintenance ist einzigartig in der Messelandschaft
Weshalb stellen Sie auf der Messe aus?
Die Maintenance ist einzigartig in der Messelandschaft der Schweiz. Es ist die Messe, welche auf die Bedürfnisse des Unterhalts zugeschnitten ist. Produkte und Lösungen können nur auf dieser Messe in der konzentrierten Form gefunden werden.
An den Messetagen werden auch Vorträge gehalten und eine «Smart Maintenance Conference» gehalten. Wenn Sie einen Vortrag halten müssten, worüber würden Sie referieren?
Ich würde die weitreichenden Vorteile der neuen Technologien zeigen. Ich würde aber auch kritisch hinterfragen, welche Risiken die totale Vernetzung hervorrufen kann. Hier denke ich zum Beispiel, dass gerade dem Bereich «IT-Security» teilweise etwas wenig Beachtung geschenkt wird.

Was denken Sie, wie wird aus wirtschaftlicher Sicht das Jahr 2019 ausfallen?
Trotz eines eher instabilen Umfeldes sehen wir das Jahr 2019 sehr positiv und erwarten auch ein entsprechendes Wachstum.
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Autor: Eugen Albisser
Bildquelle: SEW Eurodrive
Publiziert von Technik und Wissen (eal)
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