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Ein Motorschiff verbraucht dank eines kombinierten Antriebs mit Diesel- und Elektromotoren einen Fünftel weniger Treibstoff als eines mit reinem Dieselantrieb. Die Lösung hat die Shiptec AG in Luzern gemeinsam mit Siemens-Spezialisten entwickelt.
Das neue Kurs- und Bankettschiff der SGV auf dem Vierwaldstättersee, der MS Diamant, ist neu mit einem parallel hybriden Antrieb unterwegs, bei dem Diesel- mit Elektromotoren gekoppelt sind. Die Idee ist einfach: Im Normalbetrieb treiben zwei Dieselmotoren den MS Diamant an. Die daran gekoppelten Elektromotoren arbeiten als Generatoren und versorgen das Schiff mit elektrischer Energie oder laden die Batterien auf. Bei schwierigen Wetterbedingungen oder grosser Beschleunigung unterstützen die Elektromotoren die relativ kleinen Antriebsdieselmotoren.
«Im Vergleich zu einem reinen Dieselantrieb braucht das Schiff damit weniger Treibstoff und stösst weniger CO2 aus», erklärt Martin Einsiedler, Leiter Schiffsentwurf und Engineering bei der Shiptec AG, einer Tochtergesellschaft der SGV. Auch die Kosten sinken mit dem effizienten Antrieb, denn der Treibstoff macht bei einem Schiff etwa einen Drittel der Betriebskosten aus. Dass die kleineren Komponenten weniger wartungsintensiv sind, freut den Kunden zusätzlich.
Enge Zusammenarbeit mit Siemens
Umgesetzt hat Shiptec das neue Antriebssystem gemeinsam mit Siemens. Einsiedler begründet den Entscheid: «Siemens Marine Systems in Hamburg hatte Erfahrung mit ähnlichen Systemen. Das Unternehmen verfügt über ein breites Produktportfolio und die Siemens-Komponenten basieren auf bewährten Konzepten von Trolleybussen. Damit haben sie bewiesen, dass sie sehr zuverlässig sind.»
Das erste dieselelektrisch betriebene Schiff der SGV war nicht der MS Diamant, sondern das etwas kleinere Motorschiff MS Saphir, das seit 2012 auf Rundfahrten im Luzerner Seebecken unterwegs ist. Während der Inbetriebnahme des MS Saphir hat Einsiedler die «Väter» des dieselelektrischen Antriebs persönlich kennengelernt. «Beim gemeinsamen Feierabendbier haben wir uns überlegt, wie ein solches System bei einem grösseren Schiff aussehen könnte. Die ersten Skizzen habe ich immer noch», erzählt er lachend.
Als die SGV etwas später den Bau eines grösseren Schiffes ins Auge fasste, haben die Spezialisten von Shiptec und Siemens gemeinsam die Anforderungen analysiert und ein Konzept erarbeitet. Einsiedler erzählt: «Siemens sagte uns, welche unserer Wünsche technisch umsetzbar sind. So erarbeiteten wir Kompromisse und möglichst einfache Lösungen.»
Fussbad, U-Boot-Raum und Hybrid-Motor: Das hat die MS Diamant zu bieten. (Quelle: Youtube-Kanal Blick)
Kleiner dimensionierte Dieselmotoren
Zu Beginn fehlten wichtige Grundlagen. «Aus Schlepptankversuchen wussten wir, wie viel Widerstand der Rumpf generiert. Doch den effektiven Energieverbrauch des Antriebs kannten wir nicht, vor allem der dynamische Teil war schwer zu schätzen. Auch wussten wir nicht, wie viel Strom an Bord nötig ist. Denn der tatsächliche Verbrauch unterscheidet sich meist von den Herstellerangaben», sagt Einsiedler. Also sammelte Shiptec in ausführlichen Messungen Daten auf anderen Schiffen und kalibrierte die Ergebnisse mit den Daten des Rumpfes des MS Diamant.
So wurden die dynamischen Anforderungen an das System sichtbar. «Erst damit konnten wir den Energiebedarf des neuen Schiffes und die Leistungen, welche die Propellerwelle aufnimmt, abschätzen», ergänzt Einsiedler. Messdienstleistungen bietet Shiptec mittlerweile auch extern an. «Wir haben die Ausrüstung und das Wissen, um ein System zu messen und zu simulieren.» Dies hat Shiptec auch für andere Siemens-Kunden schon übernommen. Das Unternehmen möchte den Geschäftszweig weiter ausbauen.
Spitzenlasten elektrisch brechen
Die für den MS Diamant erhobenen Daten zeigten auch, wo und wie viel sogenanntes «Peakshaving» möglich ist. Einsiedler erklärt: «Peakshaving bedeutet, Spitzenlasten elektrisch zu brechen.» Braucht der MS Diamant mehr Energie, als die Dieselmotoren generieren können, liefern zwei Elektromotoren von Siemens mit je 180 kW Leistung diese aus den Batterien. So muss der Dieselmotor die Spitzen nicht abdecken können. Dank dieser Kombination reichen kleinere Dieselmotoren mit je 405 kW Leistung aus, die dafür bei einem guten Wirkungsgrad laufen.
Die Batterien, die insgesamt über eine Kapazität von 84 kWh verfügen, werden über den Wellengenerator geladen: «Bei einer kontinuierlichen Geschwindigkeit benötigt der Antrieb meist nicht die ganze Energie des Dieselmotors. Mit der Differenz speisen wir das Bordnetz und laden die Batterien», erklärt Einsiedler weiter. Senkt der Schiffsführer die Drehzahl des Motors, schaltet das System um und die Batterien speisen das Bordnetz.
Theoretisch kann das Schiff auch rein elektrisch fahren. Die Batterien seien dafür allerdings nicht ausgelegt, sagt Einsiedler. «Mit dem hohen Bedarf des Bordnetzes reichen sie vielleicht für eine Viertelstunde.»
Technik zum Schiff - Eines der modernsten Binnenschiffe Europas
Am 4. Mai 2017 nahm eines der modernsten Binnenschiffe Europas seinen Betrieb auf dem Vierwaldstättersee auf: Das Motorschiff MS Diamant. Das 63,5 Meter lange und 13,5 Meter breite Schiff wiegt etwa 400 Tonnen und ist für maximal 1100 Fahr- oder 400 Bankettgäste ausgelegt.
Das Schiff besticht mit einem effizienten Antriebssystem: Zwei Scania DI13 Dieselmotoren mit je 405 kW Leistung treiben den MS Diamant an. Im SISHIP EcoProp-System von Siemens werden sie durch zwei permanent erregte Siemens-Synchronelektromotoren mit einer Leistung von je 180 kW und einem Batteriepaket von 84 kW ergänzt. In den Innenräumen des Schiffes sorgen Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme von Siemens Building Technologies für ein angenehmes Raumklima. Die Besatzung kann diese über zwei Panels bei der Kasse und im Oberdeck bedienen, auf die Steuerung der Systeme können die Techniker auch aus der Ferne zugreifen.
Vollintegriertes Energie- und Antriebssystem
Da die Bordenergieerzeugung ins Konzept integriert ist, reden Einsiedler und sein Team nicht mehr nur von einem Antriebssystem, sondern von einem «vollintegrierten Energie- und Antriebssystem». Das macht Sinn, so Einsiedler: «Es bringt nichts, nur den Antrieb zu optimieren. Man muss das ganze System anschauen, mit allen Verbrauchern auf dem Schiff.» Da das Bordnetz seinen Strom aus dem Gesamtsystem bezieht, werden die üblichen Dieselgeneratoren mit ihrem sehr schlechten Wirkungsgrad unnötig. Für den Notfall und für Grossanlässe finde man auf dem MS Diamant dennoch Generatoren, sagt Einsiedler. «Gerät das Schiff zum Beispiel in einen Föhnsturm und muss sehr harte Manöver fahren, können die Generatoren zusätzliche Leistung zur Verfügung stellen.»
Mit Motoren heizen, mit Seewasser kühlen
Ab Oktober 2016 absolvierte Shiptec Testfahrten mit dem MS Diamant. «Im April 2017 folgte die erste Optimierungsrunde», erzählt Einsiedler. Denn auch die vielen Simulationen konnten den Betrieb nicht zu 100 Prozent voraussagen. Eine zweite Runde sollte im Dezember folgen, doch kurz vorher verunfallte der MS Diamant. «Wir werden das nachholen», versichert Einsiedler. Der Fokus der zweiten Optimierungsrunde liegt auf dem Bordnetz.
Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass nicht der Antrieb die grössten Herausforderungen bringt. Zahlreiche Systeme an Bord benötigen Strom. Zum Beispiel sorgen Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen von Siemens in den Innenräumen für ein angenehmes Klima. «Geheizt wird zwar mit Abwärme der Motoren, gekühlt wenn immer möglich mit Seewasser», erklärt Einsiedler. «Doch der Betrieb der Anlagen und auch der Sensoren und Geräte für die Navigation brauchen Strom.»
Auf Grund gelaufen – Der Unfall der MS Diamant
Das Motorschiff MS Diamant ist im Dezember 2017 vor der Station Kehrsiten auf Grund gelaufen. Dabei ist ein 23 Meter langer Riss über drei Sektionen des Rumpfes entstanden. Es bestand aber glücklicherweise keine Gefahr, dass das Schiff sinkt. Die Ursache des Unfalls ist noch nicht vollständig geklärt, die Untersuchungen der schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle und der Staatsanwaltschaft laufen. Technische Defekte können jedoch ausgeschlossen werden. Die komplette Küche musste ersetzt werden und ein Teil der Systembatterien stand unter Wasser. Der Betrieb wurde plangemäss am 26. Mai 2018 wieder aufgenommen.
Autarkes System muss absolut zuverlässig funktionieren
Den grössten Bedarf hat aber die Gastronomieküche, die für maximal 1100 Passagiere konzipiert ist. Insgesamt erreichen die Geräte eine Leistung von gegen 600 kW. Schaltet der Koch seine beiden Steamer ein, brauchen diese innert Kürze zusätzliche 70 kW. «Das Schiff muss als autarkes System absolut zuverlässig funktionieren. Treffen wir keine Vorkehrungen, überlastet dies das Stromnetz», sagt Einsiedler.
Eine mögliche Lösung ist, die Geräte sequenziell anzuschalten, ohne dass der Koch es merkt. Oder der Koch fordert im System die nötige Leistung aktiv an. Dann kann das System die Energie problemlos zur Verfügung stellen. Diese dynamischen Prozesse zu regeln sei nicht einfach, sagt Einsiedler. «Doch das System ist zum Glück so ausgelegt, dass wir es weiter optimieren können.»
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Siemens Schweiz AG mit Umsatzwachstum im Q2-2018
Siegfried Gerlach, CEO Siemens Schweiz AG, konnte bei der Pressekonferenz, die auf der MS Diamant stattfand, gute Zahlen vorweisen. (Bild: Eugen Albisser)
Während die Siemens AG mit 20‘141 Mio. Euro im 2. Quartal beim Umsatz stagnierte (Q2 2017: 22‘746), hat sich die Regionalgesellschaft Siemens Schweiz gut entwickelt. Sie konnte den Umsatz in dieser Zeit von 509 Mio. Franken auf 645 Franken (Q2 2018) steigern. Auf einer Pressekonferenz von Siemens zeigte Siegfried Gerlach, CEO Siemens Schweiz, auch gleich ein paar Highlights aus den verschiedenen Divisionen.
Dazu gehörte von der Division Energy Management ein cloudbasiertes Netznutzungssystem für die BKW. Die Energiestrategie 2050 fordert einen gesetzlichen Rollout von intelligenten Stromzählern. Bei der BKW steigt daher die zu verarbeitende Datenmenge im Metering-Berich um mehr als das 40‘000-fache. Mit dem cloudbasierten Siemens-System EnergyIP können die riesigen Datenmengen automatisch erfasst und ausgewertet werden.
Ein Highlight aus dem Bereich Digital Factory ist die Neuentwicklung eines Hochtemperatur-Brennersystems. Das Besondere daran ist, dass die Kanäle des Brennersystems vollkommen frei in der Gestaltung gewählt werden können, weil das Produkt mittels generativer Verfahren herstellt wird. Durch das neuartige Design gelang den Konstrukteuren unter anderem das System von bisher 3.4 m Länge auf 1.7 m zu reduzieren!
Sparsamer als erwartet
Der Antrieb überzeugt. Obwohl noch Optimierungen möglich sind, ist das Fazit aus den ersten Betriebsmonaten des MS Diamant durchwegs positiv. Das mehrfach redundante System ist sehr zuverlässig und sparsamer als erwartet. Shiptec sowie die ETH Zürich und die Klassifikationsgesellschaft DNV GL, bei denen Shiptec Zweitmeinungen eingeholt hatte, errechneten im Vorfeld einen 13 bis 18 Prozent tieferen Verbrauch. Dass der MS Diamant diese Prognosen übertrifft, lässt sich bereits nach der ersten Saison sagen. «Wir liegen im Bereich von 18 bis 25 Prozent», freut sich Einsiedler. Auch Siemens hat nicht mit so guten Werten gerechnet. «Die Zahlen sind beeindruckend», sagt Martin Wuensch. «Zusätzlich spart die SGV 28 bis 36 Prozent Wartungskosten.»
Auch der Bund interessiert sich für die Betriebszahlen des MS Diamant und fördert ein Projekt, in dem der Verbrauch des Schiffes gemessen und analysiert wird. «Bis Ende 2019, wegen des Unfalls vielleicht auch etwas länger, messen wir Verbrauch, Bedarf und Verteilung der Energie», erklärt Einsiedler. Die aufgezeichneten Daten werden regelmässig ausgewertet. Sie beziehen sich vor allem auf den Kursbetrieb, denn der Verbrauch bei Veranstaltungen auf dem Schiff lässt sich schlecht beziffern, da jeder Event völlig anders ist.