Wer Maschinen und Anlagen neu entwickelt, der ist immer froh um Praxistipps. Genau solche bekamen die Teilnehmer des «Passion4Automation Day» von B&R Industrie-Automation AG. Und zwar nicht vom Hersteller, sondern von Anwendern.
Ein Beitrag von Technik und Wissen
Text: Eugen Albisser, Fotos: Patrick Pfeiffer
Es war eine kleine Überraschung, als B&R Industrie-Automation AG nicht wie jährlich zum «Innovation Day» einlud, sondern zum «Passion4Automation Day». Noch immer in Frauenfeld, noch immer organisiert von Geschäftsführer Paolo Salvagno und seinem Team, aber unter einem neuen Titel – und auch mit neuer Ausrichtung. «Man muss manchmal etwas Neues wagen, auch wenn der Innovation Day mit jedem Jahr grösser wurde und bei der letzten Austragung nochmals einen Rekord setzte bei der Teilnehmerzahl», so Paolo Salvagno.
Obwohl eine Empfehlung in der Branche «Never change a winning system»heisst, hat Salvagno schon mehrfach bewiesen, dass er versteht, was Kunden wünschen und wie er «seine» B&R erfolgreich führen muss. Und tatsächlich: Die Teilnehmerzahl war wie immer hoch und das neue Programm wurde hochgelobt.
Passion4Automation Day: Anwender plaudern aus dem Automations-Nähkästchen
Was also war neu am Passion4Automation Day? Es sind nun nicht mehr die B&R-Mitarbeiter, welche ihr Wissen weitergeben, sondern Kunden. Vier Vorträge, vier Anwenderstorys, viermal Plaudern aus dem Automations-Nähkästchen und das Mitbekommen der ganzen Dramatik, die eine Neuentwicklung mit sich bringt: das Erkennen des Problems selber, die erste Suche nach einer Lösung, die Planungsphase bis hin zu neuen Herausforderungen bei der Umsetzung, dem unermüdlichen Weiterentwickeln und schliesslich das erfolgreiche Umsetzen. «Das Schöne an dieser Art der Vorträge war, dass die Redner in ihren vorgestellten Projekten exakt meine Fragen auch hatten, die wir uns nun in unserem Projekt stellen, und hier sehe ich nun, wie sie diese gelöst hatten», sagte ein Teilnehmer am Ende der Veranstaltung.
Acopostrack als Transfersystem und hochgenaue Positionierachse
In einem der Vorträge zeigte zum Beispiel die Firma Aerne Engineering, wie sie für die Firma Fulterer eine Montageanlage für 40 Produkttypen in Losgrösse 1 mit Null Umrüstaufwand entwickelten. Zentral darin ist das Acopostrack, das flexible Track-System, mit dem Produkte und Produktbestandteile auf einzelnen Shuttles schnell und flexibel durch Maschinen oder Anlagen von Bearbeitungsstation zu Bearbeitungsstation transportiert werden – in diesem Fall auf einer Länge von 28 Metern.
«Wobei die Flexibilität des Systems für uns wichtig war, hauptsächlich mit Blick auf die Zukunft und möglichen Veränderungen in der Montageanlage», so Silas Bühler, Seniorprojektleiter Sondermaschinenbau und Maschinentechniker HF. «In der Anlage sollte Acopostrack aber nicht nur als Transfersystem eingesetzt werden, sondern auch als Positionierachse. Und letzteres mit einer Präzision und Wiederholgenauigkeit von auf ±0,005 mm, was einer der Schlüsselpunkte war. Die Experten von B&R bauten eine Testanlage auf und es zeigte sich, dass die Sorgen um die Genauigkeit grundlos waren. «Sie lag bei sensationellen +/- 0,001 mm!», sagt Silas Bühler.
Eine Maschine völlig neu konzipieren
Während alle Vorträge viel Know-how weitergaben und technisches Wissen in der Fragerunde bis ins Detail vertieft wurde, lieferte jeder Vortrag exakt diese Art der «Passion», wie dies zum Titel der Veranstaltung passte.
Ein Beispiel dafür war der Vortrag der Firma Berhalter, der die Zuhörer nicht nur wegen der Leidenschaft für neue Wege, sondern wegen des Mutes in den Bann zog. Der Stanzmaschinenhersteller aus Widnau hatte sich nämlich im 2017 vorgenommen, eine komplett neue Maschinengeneration zu entwickeln – und dies trotz Maschinen, die bereits damals zum Besten gehörten, was es auf dem Markt gab! «Es war ein Greenfield-Projekt, ohne Vorbelastung, ohne Referenz von bestehenden Technologien in den alten Maschinen», erklärte Dalibor Schuman, Managing Director DC bei Berhalter. «Wir wollten also eine komplett neue Sichtweise auf die Stanzmaschinen und aufstrebende Technologie in unsere Stanzsysteme einbinden.»
Dabei stellte sich die Firma neben vielen kleineren Zielen zwei Hauptziele: Sie wollte die Performance erheblich verbessern – also die Stanzgeschwindigkeit um etwa 20 Prozent erhöhen – und gleichzeitig die Herstellkosten um ebenfalls 20 Prozent senken und so das Preis-Leistungs-Verhältnis auf ein neues Level heben.
Alle Herausforderungen angenommen und gemeistert
Entstanden aus diesem Tabula Rasa ist die Stanzmaschine Berhalter Swiss Die-Cutter B6, die alle Projektziele erreichte und teilweise sogar überschritt. «Wir erreichen nun 500 Takte pro Minute und dies bei einer Bandbreite bis 600 mm, was wir nicht für möglich hielten», sagt Dalibor Schuman. Elementar bei dieser grossen Herausforderung waren die Antriebe und die Steuerung. «Uns war für diese anspruchsvolle Aufgabe sofort klar: Wir wollten hier eine zentrale zuständige Ansprechperson bei B&R, die für uns die speziellen Aufgaben in diesem Bereich koordinierte, deren Lösungen ja weit über die Maschine hinaus gingen und in der ganzen Peripherie bis hin zu den Robotern neu angedacht werden mussten», sagt Schuman.
Die revolutionäre Stanzmaschine B6 der Berhalter AG: B&R Technologie ermöglicht eine schnellere Entwicklung, Losgrösse 1, unübertroffene Softwarelösungen und erhöhte Leistung durch Verkürzung der Zykluszeiten. (Quelle: Youtube-Kanal B&R Industrial Automation)
Die Wünsche der Firma Berhalter wurden mehr als nur erfüllt und Schumann ist voller Lob für B&R: «Von Anfang an hat sich das Team rund um Paolo Salvagno extrem ins Zeug gelegt, um uns als Kunden nicht nur zu gewinnen, sondern um uns in jeder Art zu unterstützten. Das hat uns schon sehr beeindruckt. Aber es kam noch besser: Dieser Spirit hat keineswegs abgenommen während der Umsetzungsphase. Sie waren immer schnell vor Ort und sie haben alle Herausforderungen angenommen und gemeistert. Und ich meine alle: Selbst bei der Verfügbarkeit der Teile, was ja momentan bei uns allen ein Problem ist, haben sie alles unternommen, damit wir diese bekommen.»
Der Passion4AutomationDay von B&R Industrie-Automation AG
Der Passion4AutomationDay soll wie davor der Innovation Day weiterhin jährlich stattfinden. In diesem Jahr hielten neben den im Bericht erwähnten Firmen Aerne Engineering AG und Berhalter auch die Firmen Müller Martini und SmartControl GmbH Vorträge zu Projekten mit B&R.
Als Gastredner war Professor René Rossi von der EMPA eingeladen. Sein inspirierender Vortrag behandelte die intelligenten Textilien und dies unter dem Titel «Die Zukunft ist textil».
Für die Besucherinnen und Besucher wurde auch das Automation Lab geöffnet, das einzigartig ist in der B&R-Welt und Kunden zur Verfügung gestellt wird, um Versuche zu fahren. Es stehen zwei Zellen zur Verfügung mit diversen Komponenten und Software von B&R und dazu ein 6-Achs-Roboter, ein Delta-Roboter, das Transportsystem Acopostrack und das auf Magnettechnologie aufgebaute Supertrak-System.
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Textquelle: Technik und Wissen
Bildquelle: Patrick Pfeiffer
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
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Informationen
B&R Industrie Automation AG
br-automation.com
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