Das Freiburger Stromnetz im Labor-Modell
Besuch der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg (HTA-FR)
Nach einem Besuch der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg (HTA-FR) fühlt man sich inspiriert, voller Energie und begeistert vom hohen Niveau der Studiengänge. Die Hochschule verfügt insbesondere über ein in der Schweiz einzigartiges Instrument, mit dem das Verhalten von Stromnetzen untersucht werden kann.
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
Dass die Arbeitswelt derzeit unter einem Fachkräftemangel leidet, könnte man nach einem Besuch der HTA fast vergessen. Die Mittel dagegen findet man zumindest teilweise hier, wie es auch die Schule selbst elegant formuliert: «Die Ingenieur:innen und Architekt:innen von morgen werden in Freiburg ausgebildet.»
Ihre Erfahrung muss die HTA nicht mehr unter Beweis stellen. Seit der Gründung der ersten Berufsschule im Jahr 1896 mit zwölf Steinmetz- und Mechanikerlehrlingen ist die Zahl der Studierenden kontinuierlich gestiegen und hat 2015 erstmals die 1000er-Marke überschritten.
Zu den Kompetenzen, die an der HTA erworben werden können, gehört die Planung von Anlagen zur Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Elektrizität. Das Studium wird mit einem Bachelor of Science HES-SO in Elektrotechnik abgeschlossen.
Schweizweit einzigartiger Analog-Emulator
In den Elektrolabors befindet sich eine «Perle», auf die die Schule und die Verantwortlichen zu Recht stolz sind: ein Prüfstand aus den 1990er-Jahren, also aus der Zeit, als die bestehenden Gebäude gebaut wurden. Die «Mini-Netz» genannte Anlage ist ein Modell des Freiburger Hochspannungsnetzes.
Dessen Hauptbestandteile sind nachgebildet, von der Stromproduktion in den Werken Schiffenen und Hauterive über die Transformatoren und Leitungen, die Schutzeinrichtungen und die Steuerung bis hin zur Vor-Ort-Kommunikation und dem SCADA-System. Das Modell ist mit Geräten der neuesten Generation ausgerüstet, die der Norm IEC 61850 entsprechen.
Die Komponenten und Parameter der realen Anlage werden im Modell durch eine ausgeklügelte elektrische Schaltung in kleinerem Massstab nachgebildet. Der hochkomplexe analoge Emulator ist in der Schweiz einzigartig. Was an ihm simuliert und beobachtet werden kann, ist auf jedes Stromnetz übertragbar.
Messungen und Beobachtungen sind vollständig auf die Realität übertragbar.
Die Miniaturisierung der Netze und die Simulation verschiedener realer Phänomene sind nahezu perfekt. Andéol Demierre, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Verantwortlicher für das Mini-Netz, bestätigt nicht ohne Stolz, dass die Messungen und Beobachtungen an der Emulatorenanlage voll auf die Realität übertragbar sind.
In letzter Zeit ist viel von Produktionsengpässen und Stromknappheit die Rede. Die Gefahr wiederkehrender Stromausfälle aufgrund zu geringer Produktion ist nicht gebannt. Ingenieurinnen und Ingenieure, die mit dieser ungewohnten Situation konfrontiert sind, finden im Emulator der HTA ein ideales Instrument, um bestimmte Situationen und deren Auswirkungen zu untersuchen und zu testen, ohne in die realen Stromnetze eingreifen zu müssen.
Die neuen Realitäten besser verstehen
André Kneuss, Studiengangleiter Elektrotechnik an der HTA-FR, erklärt, dass das Mini-Netz aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen auf dem Strommarkt stark an Bedeutung gewonnen hat. Mit der zunehmenden Dezentralisierung der Produktion in Wind- und Solarkraftwerken werden die Konsumenten auch zu Produzenten.
Diese neuen Gegebenheiten wirken sich in unterschiedlicher Weise auf die Frequenz- und Spannungsstabilität der Netze aus. Die Diskontinuität und der zufällige oder intermittierende Charakter der Erzeugung sowie die geringere Trägheit des Netzes sind einige der Ursachen für die Abnahme der Netzstabilität. Aus dieser Entwicklung ergibt sich ein grosser Bedarf an Informationen und Wissen, um die Netze richtig zu managen.
André Kneuss erklärt: «Da unser Mini-Netz auf dem neuesten Stand der Technik ist, können wir in Zusammenarbeit mit Gerätelieferanten und Netzbetreibern Versuche durchführen, die sonst nirgends möglich sind. Wir werden auch für Weiterbildungen angefragt.»
Grundlegende Modernisierung
Das hervorragende Tool der HTA, das auch für Schulungen eingesetzt wird, wurde kürzlich einer Verjüngungskur unterzogen, insbesondere wurden neue so genannte IEDs (Intelligent Electronic Devices) hinzugefügt. Diese werden in der Praxis zur Unterstützung des Netzmanagements eingesetzt und dienen hier für Simulationsprozesse.
Andéol Demierre kennt das Mini-Netz mit all seinen Feinheiten inzwischen wie seine Westentasche. Das war ein mehrjähriger Lernprozess nach seiner Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter, sagt er. Er war massgeblich an der Modernisierung beteiligt: «Im Zuge der Modernisierung haben wir auch Überwachungsmonitore installiert und IT- und Telefonnetze aufgebaut, über die die IEDs miteinander kommunizieren und das gesamte Netz realitätsnah verwalten können.»
Der Wago-Effekt
Zu den neu installierten Hightech-Produkten gehören auch die Controller PFC200 von Wago. Ihre Aufgabe ist es, alle von den Geräten gelieferten Messwerte und Informationen zu verwalten und die entsprechenden Befehle zu übermitteln. Andéol Demierre ist mit der Modernisierung und den gewählten Geräten sehr zufrieden.
Er schätzt die Zuverlässigkeit der PFC200-Controller, die einfache Inbetriebnahme und den technischen Support von Wago. Und noch etwas macht ihn zufrieden: «Dank der Controller konnten wir mehrere Kilometer Kabel aus unseren Elektroverteilern entfernen.»
Eine überzeugende Demonstration
Wenn die Studierenden der HTA-FR Änderungen am Mini-Netz vornehmen, sehen sie, wie sich diese Änderungen auf ein echtes Stromnetz auswirken würden. Im sicheren Labor können sie frei experimentieren und das Mini-Netz an seine Grenzen bringen, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Um dies zu veranschaulichen, simuliert Andéol Demierre die Unterbrechung der Stromproduktion an einem Stausee und fährt die Produktion dann nicht synchron zum Netz wieder hoch. Die starken Vibrationen und der Lärm des Motors, der im Mini-Netz die Turbine darstellt, lassen keinen Zweifel: In der Praxis wäre ein solches Vorgehen fatal.
Andéol Demierre fasst den Nutzen des Modells treffend zusammen: «An diesem Netz können wir praktisch alles ausprobieren.» Mit den neuen Technologien, die Professor Patrick Favre-Perrod und sein Team nun einsetzen, ist ihnen ein grosser Schritt gelungen, um das Modell an die heutige Realität anzupassen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln.
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