Anlässlich des «Aqua Suisse 2021 Roundtables» diskutierten fünf Experten über aktuelle Themen und Herausforderungen, welche die Branche bewegen. Marco Decurtins, Verkaufsleiter & Prokurist bei der Firma Wild Armaturen AG, war einer davon.
Wo steht die Branche aktuell und wie setzen Sie die Digitalisierung um?
Wenn wir Digitalisierung ansprechen, dann reden wir über BIM, (Building Information Modelling) Bauwerksdatenmodellierung, und über GIS, Geographische Informations-Systeme. Da gibt es viele Diskussionen, und das Informationsbedürfnis ist sehr gross. Unsere Kundinnen und Kunden sind sehr kritisch. Brunnenmeisterinnen und Brunnenmeister wollen die neuen Technologien verstehen und sich das Wissen aneignen. Dann gibt es Leitungsverlegende, die sich weniger mit Innovationen beschäftigen, sondern eher so kostengünstig wie möglich bauen wollen. Die öffentliche Hand vergleicht und prüft Dienstleistungen und Lieferantenanwendungen genau. In der Schweiz gibt es etwa fünf Städte, die Trendsetter sind und grossen Einfluss haben. Andere Städte orientieren sich an ihnen. Auch da sind wir gefordert, ebenso wie die Verbände. Es gibt völlig unterschiedliche Bedürfnisse je nach Zielgruppe. Wir müssen uns auf diese verschiedenen Gruppen einstellen.
Wie erzielen Sie dies optimal?
Durch einen guten Kundenkontakt schaffen wir das. So können wir die Dienstleistungen bieten, die Kundinnen und Kunden brauchen, bei denen sie einen Mehrwert für sich sehen. Wir liefern also nicht nur ein Produkt, sondern dazu die passende Dienstleistung. Das können günstigere Angebote nicht immer gewährleisten. Unsere Botschaft ist: Wir schaffen Mehrwert durch eine gute Kundenbindung auf Augenhöhe.
Neue Geschäftsmodelle dank Digitalisierung
Digitalisierung versus persönlichen Verkauf: Wo ergeben sich neue Geschäftsmodelle aus Ihrer Sicht?
Die persönliche Beratung ist immens wichtig. Dennoch schätzen Kundinnen und Kunden auch einen guten Internet-Auftritt und informieren sich dort über unsere Produkte, sei es Wasser, Gas oder Abwasser. Deshalb bieten wir unseren Kundinnen und Kunden eine sehr gut funktionierende und zuverlässige Website an. Auch an die junge Generation denken wir und sind in den sozialen Medien wie zum Beispiel bei Instagram und Linkedin zu finden. Ich möchte behaupten, dass in etwa zehn Jahren der Verkauf bei uns anders aussehen wird. Wir orientieren uns schon jetzt an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden und nutzen die neuen Technologien, um aktuelle Probleme zu lösen. Unser Profit besteht darin, dass wir genauso viel Neues dabei lernen wie unsere Kundinnen und Kunden.
Wo liegen die Herausforderungen bei der «Werterhaltung der Netze» bzw. der Wasserversorgung und dem Abwassernetz?
Die Gemeinden investieren und haben den Auftrag, die Wasserqualität zu erhalten. In der Schweiz wird eine gute Wasserqualität erwartet. Die Generelle Wasserversorgungsplanung GWP und die Generelle Entwässerungsplanung GEP der Gemeinden regeln die Werterhaltung der Wasserversorgungsnetze und Abwassernetze in Bezug auf die aktuell bekannten Probleme. Die Herausforderung besteht darin, die finanziellen Ressourcen von Anfang an so auszurichten, dass auch auf neue Bedrohungen innert nützlicher Frist reagiert werden kann. Bei der Abwasserentsorgung denke ich beispielsweise an die Antibiotika-Belastung. Da muss man akut investieren, auch die Wissenschaft wusste darüber aber bis vor Kurzem noch wenig. Und der Bund wird dort in den nächsten zehn Jahren grosse Beiträge sprechen. Es gibt ausserdem Forderungen an kleinere Kläranlagen, mit grossen Anlagen zu fusionieren, um unerwarteten Herausforderungen gewachsen zu sein.
Ist Privatisierung oder Verstaatlichung der richtige Weg?
Das Wasser gehört dem Volk. Eine Privatisierung kommt nicht infrage.
EU-Normen und die Massstäbe in der Schweiz
Was bedeuten denn jetzt die EU-Normen? Ist das eine Normenflut für die Schweiz?
Die Normen in der Schweiz sind sehr viel schärfer als in der EU. Wenn ein Produkt in der Schweiz zugelassen ist, dann ist es in der EU sowieso zugelassen, weil wir in der Schweiz strengere Massstäbe und Richtlinien anwenden. So liegt z.B. der zugelassene Höchstwert für Chlorothalonil-Metaboliten in der Schweiz sehr viel tiefer als in den EU-Staaten.
Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Risiken wie das Fungizid Chlorothalonil, Mikroplastik oder Listerien im Grundwasser?
Die Chlorothalonil-Metaboliten sind eine Herausforderung für die Wasserversorgung, denn die meisten Brunnen in der Schweiz werden durch Grundwasser versorgt. Studien bestätigen zudem, dass das Frisch- und Oberflächenwasser nicht nur Chlorothalonil-Metaboliten, sondern auch Nanoplastik enthält. Resultate aus wissenschaftlichen Studien werden von Laien oft missverstanden. Sie werden von den Lobbys gern manipulativ eingesetzt. Eine objektive, faktenbasierte und klar verständliche Information wäre als Grundlage für eine Entscheidungsfindung wichtig. Immerhin geht es um Probleme, die uns alle betreffen, und nicht um Machtspiele. Da sind wir alle gefordert.
Wo liegen die Herausforderungen bei der «Werterhaltung der Netze» bzw. der Wasserversorgung und dem Abwassernetz?
Die Gemeinden investieren und haben den Auftrag, die Wasserqualität zu erhalten. In der Schweiz wird eine gute Wasserqualität erwartet. Die Generelle Wasserversorgungsplanung GWP und die Generelle Entwässerungsplanung GEP der Gemeinden regeln die Werterhaltung der Wasserversorgungsnetze und Abwassernetze in Bezug auf die aktuell bekannten Probleme. Die Herausforderung besteht darin, die finanziellen Ressourcen von Anfang an so auszurichten, dass auch auf neue Bedrohungen innert nützlicher Frist reagiert werden kann. Bei der Abwasserentsorgung denke ich beispielsweise an die Antibiotika-Belastung. Da muss man akut investieren, auch die Wissenschaft wusste darüber aber bis vor Kurzem noch wenig. Und der Bund wird dort in den nächsten zehn Jahren grosse Beiträge sprechen. Es gibt ausserdem Forderungen an kleinere Kläranlagen, mit grossen Anlagen zu fusionieren, um unerwarteten Herausforderungen gewachsen zu sein.
Ist Privatisierung oder Verstaatlichung der richtige Weg?
Das Wasser gehört dem Volk. Eine Privatisierung kommt nicht infrage.
EU-Normen und die Massstäbe in der Schweiz
Was bedeuten denn jetzt die EU-Normen? Ist das eine Normenflut für die Schweiz?
Die Normen in der Schweiz sind sehr viel schärfer als in der EU. Wenn ein Produkt in der Schweiz zugelassen ist, dann ist es in der EU sowieso zugelassen, weil wir in der Schweiz strengere Massstäbe und Richtlinien anwenden. So liegt z.B. der zugelassene Höchstwert für Chlorothalonil-Metaboliten in der Schweiz sehr viel tiefer als in den EU-Staaten.
Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Risiken wie das Fungizid Chlorothalonil, Mikroplastik oder Listerien im Grundwasser?
Die Chlorothalonil-Metaboliten sind eine Herausforderung für die Wasserversorgung, denn die meisten Brunnen in der Schweiz werden durch Grundwasser versorgt. Studien bestätigen zudem, dass das Frisch- und Oberflächenwasser nicht nur Chlorothalonil-Metaboliten, sondern auch Nanoplastik enthält. Resultate aus wissenschaftlichen Studien werden von Laien oft missverstanden. Sie werden von den Lobbys gern manipulativ eingesetzt. Eine objektive, faktenbasierte und klar verständliche Information wäre als Grundlage für eine Entscheidungsfindung wichtig. Immerhin geht es um Probleme, die uns alle betreffen, und nicht um Machtspiele. Da sind wir alle gefordert.
Wie steht es um das Thema Wasserentkeimung & Erhalt der Trinkwasserqualität?
Verglichen mit dem umliegenden Ausland ist das Schweizer Trinkwasser weniger schadstoffbelastet, doch die Belastung variiert von Ort zu Ort. Darum kommen aufwändige, bewährte Aufbereitungstechniken zur Anwendung, wie z.B. UV-Bestrahlung, Ozonierung, Ultrafiltration oder Umkehr-Osmose. Die Schweiz setzt systematisch Ressourcen für den Erhalt der Trinkwasserqualität ein. Ausländische Gäste sind oft erstaunt, wenn sie hören, dass wir Hahnenwasser trinken können, ohne davon krank zu werden. Das ist ein Privileg, das wir in der Schweiz haben. Da können wir stolz drauf sein und wir müssen weiterhin systematisch daran arbeiten, dass das so bleibt.
Melden Sie sich zum Branchenevent 2021 mit dem Besuchercode «1156» an und erhalten Sie Ihr kostenloses Ticket, welches Sie zum Eintritt der Aqua Suisse 2021, der PUMPS & VALVES Zürich sowie der maintenance Schweiz 2021 berechtigt. ANMELDUNG
Die Wasserqualität und Wasserhygiene in der Schweiz
Wie steht es grundsätzlich um die Wasserqualität und Wasserhygiene in der Schweiz und wo ergeben sich Herausforderungen?
Wasserqualität und Wasserhygiene in der Schweiz sind beide mehrheitlich innerhalb der gesetzlichen Rahmengebung, doch alle Betroffenen – sei es die Politik, die Wasserversorgung, die Wissenschaft und die Bevölkerung – müssen zusammenarbeiten, damit das so bleibt. Der Verband SVGW (Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches) hat vor drei Jahren eine repräsentative Umfrage in der Schweiz darüber gemacht, wie zufrieden die Menschen mit dem Wasser sind. Hier ging es auch darum zu erheben, ob in der Bevölkerung ein Bewusstsein gegenüber der Thematik besteht. Die Studie zeigte, dass dieses Bewusstsein bezüglich der Wasserversorgung erhöht werden darf. Schulklassen an die Reservoirs zu führen, um eine Sensibilisierung zu erreichen, ist der richtige Ansatz. Aber es braucht noch viel mehr. 98 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind hochzufrieden mit dem Wasser, aber 80 Prozent wissen gar nicht, woher das Wasser kommt. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch die Trinkwasserinitiative trägt zur Aufklärung bei.
Wie sieht es beim Rückbau von Leitungen gemäss aktuellem Stand der Technik aus?
Sie sprechen die Schweizer Energiestrategie an. Aktuell wird im Bereich Wasserstoff geforscht. Die bereits existierenden und amortisierten Gasinfrastrukturen können für neue Technologien wie Wasserstoff genutzt werden und müssen darum nicht rückgebaut werden. Das ist hocheffizient und auch nach Meinung der Wissenschaft ein Energieträger der Zukunft.
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«Handwerkerberufe sind heute in der Schweiz zu wenig angesehen.»
Wie gehen Sie das Thema Nachwuchsförderung an – und wie sehen es die Verbände?
In der Wasserversorgung arbeiten viele Fachkräfte, deren Hintergrund ein Handwerkerberuf ist. Handwerkerberufe sind heute in der Schweiz zu wenig angesehen. Das führt dazu, dass es auch in der Wasserbranche zu einem Fachkräftemangel kommt. Um in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Attraktivität dieser Berufe zu erhöhen, wäre die Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Schulen zu stärken. Die Wertschätzung des Handwerkes muss wiederhergestellt werden, und das bereits in der Grundschule. Hier sind die Verbände gefragt, die in den Schulen die Kinder an die Wasserversorgung heranführen und ihnen zeigen, wo das Trinkwasser herkommt, und wer dafür sorgt, dass es aus dem Wasserhahn fliesst.
Wir arbeiten in der Lehrlingsausbildung mit, indem wir unsere Spezialistinnen und Spezialisten zur Verfügung stellen. Viele der Fachkräfte in der Wasserbranche steigen aus anderen Berufen quer ein und müssen ihre handwerklichen Fachkenntnisse auf Umwegen erwerben. Unsere Firma bietet ihnen dazu praktische Übungen an und auch technisches Wissen vermitteln wir in der hauseigenen Demothek, wenn komplexe Projekte anstehen.
Wir würden es begrüssen, wenn es für neue Handwerkerberufe wie beispielsweise den Rohrnetzmonteur in der Schweiz eine eigene Ausbildung gäbe. Dies ist ein attraktiver Beruf mit ausgezeichneten Verdienstmöglichkeiten. Wir bilden aktuell Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger weiter, die als Rohrnetzmonteure arbeiten wollen.
Welche Risiken müssen beachtet werden?
Im Kraftwerksbau verlegen hauptsächlich Bauunternehmen die Druckleitungen und das soll auch so bleiben. Die Bauunternehmen drängen sich nun aber auch in die Nische des Trinkwasserbereichs. Unsere Philosophie ist es jedoch, dass das Verlegen der Rohrleitungen im Trinkwasserbereich den SVGW-konzessionierten Sanitärmonteurinnen und Sanitärmonteuren vorbehalten ist. Nur die konzessionierten Sanitärmonteurinnen und Sanitärmonteure verfügen über die nötige Grundkompetenz und Weiterbildung. Wenn Bauunternehmen ihre Arbeit übernehmen, dann sind z.B. die strengen Hygienevorschriften nicht mehr gewährleistet, für welche die Sanitärmonteurinnen und Sanitärmonteure bürgen.
Was ist dabei Ihr Wunsch an die Verbände und den Nachwuchs?
Ein Wunsch an die Verbände wäre: Macht mit und bewegt euch. Eine Botschaft an junge Leute: Nehmt die Chance wahr, bei uns hinter die Kulissen zu schauen. Informiert euch auch über die vielen Möglichkeiten der Weiterbildung. Unsere Aussendienstmitarbeitenden vermitteln diese wichtigen Botschaften. Sie sind sehr gut vernetzt, so z.B. mit den Fachkräften in der Wasserversorgung und den Ingenieurbüros, und können den Einstieg in einen Wasserberuf erleichtern.
Was bedeutet es für Ihr Unternehmen, ein starkes Netzwerk über die Branchen hinaus zu unterhalten?
Unser Unternehmen verfügt über ein ausgezeichnetes Netzwerk in der ganzen Schweiz und wir kommunizieren laufend nicht nur in drei, sondern in vier Landessprachen mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedenster Branchen. Unsere Aussendienst-Mitarbeitenden sammeln täglich sehr viele Informationen, spüren Trends auf und orten neue Herausforderungen, noch bevor die Wissenschaft sich damit beschäftigt. Indem wir unsere Informationen systematisch dokumentieren und sie den Verbänden weitergeben, bekommt unsere Arbeit eine enorme Reichweite. Wir müssen in der Schweiz alle gemeinsam aktiv nach Lösungen suchen, dann können wir voneinander lernen.
Was bedeutet der zentrale Branchenevent mit dem neuen Messeformat «Aqua Suisse» zusammen mit der «PUMPS & VALVES Zürich» und der «maintenance Schweiz» für ihr Unternehmen und die Branche?
Kundinnen und Kunden wollen vielleicht am Donnerstagnachmittag schnell mal auf die Messe. Wenn das Eintrittsprozedere einfach gehalten und die Messe sogar interaktiv gestaltet ist, kann eine Brunnenmeisterin oder ein Brunnenmeister vielleicht spontan mit den eigenen Kindern hingehen und auch für Schulklassen wird es interessant. Es muss aber spannend, sexy und innovativ sein – mit attraktiven Ständen, an denen eigene Erlebnisse und gute Gespräche stattfinden. Und da spreche ich für die jungen Menschen. Wenn wir es schaffen, neue Ideen umzusetzen, dann ist es eine Chance.
Wie gestalten wir alle die Messe der Zukunft?
Wie es mit Messen in zehn Jahren noch aussieht, weiss niemand. Wir müssen die Welt einfach neu erfinden. Denn Kundinnen und Kunden haben heute viele Möglichkeiten, ihr Marketing-Budget zu investieren. Ich denke, die grössten Herausforderungen liegen sowohl in der Vorbereitung als auch in der Nachbereitung der Messe. Damit Kundinnen und Kunden zu mir kommen, muss ich in der Vorbereitung der Messe eng mit ihnen zusammenarbeiten.
Warum darf man diesen Event als Besucher und Aussteller keinesfalls verpassen?
Die Messe darf man nicht verpassen, weil die Firma Wild Armaturen AG da ist (lacht). Ganz wichtig ist die Ausbildung unserer jungen Leute. Das hat Priorität. Daher sollten alle aus der Branche an diese Fachmesse kommen.
Impressum
Textquelle: Easyfairs / Inoveris
Bildquelle: Easyfairs / Inoveris
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
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