Digitaler Zwilling reduziert manuellen Aufwand

Experten von Dassault, Eplan, Siemens und Sigmatek geben Auskunft


Ein Beitrag von Technik und Wissen

Autor: Markus Back

Digitaler Zwilling reduziert manuellen Aufwand

Experten von Dassault, Eplan, Siemens und Sigmatek geben Auskunft


Ein Beitrag von Technik und Wissen

Autor: Markus Back
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Der digitale Zwilling verspricht eine schnellere Markteinführung neuer Produkte sowie eine deutliche Kostenreduktion bei deren Entwicklung. Vier Experten erklären, wieso es diesen braucht und beschreiben Beispiele von Unternehmen, die einen solchen bereits erfolgreich einsetzen.

Warum benötigt man überhaupt einen «Digitalen Zwilling»?

Christian Haltiner, Managing Director Switzerland, Dassault Systèmes

Digitale Zwillinge wie der 3DExperience Twin stellen die Basis der Industrie 4.0 dar. Mit ihnen können produzierende Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette unter realistischen Bedingungen simulieren und analysieren. Optimierungspotenziale werden somit frühzeitig erkannt und können umgehend umgesetzt werden. Damit können Entwicklungs- und Produktionszeiten eines Produkts oder Services deutlich beschleunigt und so die Fertigungskosten verringert werden. Zusätzlich können Produkte jederzeit auf neue Kundenbedürfnisse angepasst werden, um möglichst agil auf neue Marktgegebenheiten reagieren zu können. Dies stärkt die Beziehungen zwischen Hersteller und Kunde über den Produktlebenszyklus hinweg. Davon profitieren nicht nur kleine Unternehmen oder Start-ups, sondern auch grosse Konzerne.

Thomas Weichsel, Leiter Produktmanagement, Eplan Software & Service GmbH & Co. KG

Thomas Weichsel, Leiter Produktmanagement, Eplan Software & Service GmbH & Co. KG

Ohne digitalen Zwilling müsste man in jedem, dem Engineering nachgelagerten Prozessschritt Daten sammeln, konsolidieren und validieren, um diese prozessbezogen aufzubereiten und anzureichern. Das bedeutet viel manuellen Aufwand und Doppeleingaben. Der digitale Zwilling hingegen ist die vielzitierte «Single Source of Truth». Anwender greifen damit auf eine Quelle zu, in der bereits geprüfte und konsolidierte Daten gebündelt sind. Ein einfaches Beispiel ist die Stückliste: Durch die Informationen aus dem ERP-System angereichert lässt sie sich zu 100 Prozent konsistent aus Eplan Pro Panel generieren. Benötigt ein Kunde beispielsweise Informationen zur Produktion von Drahtverbindungen inklusive Beschriftungen und Aderendbehandlung, passender Länge und Querschnitt, dann ist der digitale Zwilling die ideale Quelle.

Michael Hausdorf, Senior Consultant Digitalization, Siemens Schweiz AG

Der digitale Zwilling ermöglicht es, sowohl Produkte wie auch die Produktion und Performance zu analysieren und zu optimieren, bevor sie real werden. So können parallel schneller Fehler am Produkt entdeckt und deren Auswirkungen abgeschätzt werden und in der Produktion können verschiedene Szenarien durchgespielt und Abläufe optimiert werden. Der digitale Zwilling der Performance enthält Produkt- und Produktionsdaten. Dank dieser Analyse entstehen mit Servicedienstleistungen neue Geschäftsmodelle, welche dem Kunden zur Verfügung gestellt werden können.

Beat Meili, Geschäftsführer Sigmatek Schweiz AG

Beat Meili, Geschäftsführer, Sigmatek Schweiz AG

Ein digitaler Zwilling einer Maschine oder einer Anlage ermöglicht bereits im Vorfeld der physischen Konstruktion und des Zusammenbaus einen virtuellen Funktionstest durchzuführen. Hierfür werden alle bereits generierten Daten aus den Bereichen der mechanischen und elektro-mechanischen Konstruktion in einer zentralen Datenbank gesammelt und dem Projektierer zur Verfügung gestellt.

Die Engineering-Abteilung erstellt bereits die für die zukünftige Maschine / Anlage benötigte Applikationssoftware und stellt diese gleichfalls zur Verfügung. Mit all diesen Daten ist es dann möglich, ein voll funktionsfähiges 3D-Modell zu generieren, welches erlaubt, alle Funktionen der realen Maschine vor deren Herstellung digital zu simulieren und zu testen. Mit unserem OOP-basierenden Engineering-Tool Lasal können einzelne Maschinenmodule vorgängig geprüft werden.

Idealerweise können sogar selbst hochdynamische Achsensteuerungen und Regelalgorithmen simuliert werden. Somit kann nicht nur ein reiner Ablauftest der Software durchgeführt werden, sondern sogar das dynamische Verhalten der Anlage überprüft werden.


Können Sie ein gutes Praxis-Beispiel für einen «Digitalen Zwilling» nennen und beschreiben, was an diesem speziell ist?

Thomas Weichsel: Schaut man beispielsweise auf den Schaltanlagenbau, so profitiert dieser sehr stark von der Erfahrung seiner Mitarbeiter. Fehlen geeignete personelle Kapazitäten, brauchen Unternehmen Methoden und Systeme, die hier wirkungsvoll unterstützen. Das Rittal Configuration System beispielsweise führt Unternehmen ideal durch die individuelle Auswahl des Gehäuses. Möchte ein Anwender Komponenten positionieren, profitiert er in Eplan Pro Panel von Kollisionschecks, Störkantenüberprüfung, Mindestabstandskontrolle sowie auch thermischer Prüfung über Auslegungstools wie Rittal Therm. Mit Eplan Smart Wiring visualisieren wir die Verdrahtung, die auf Basis des digitalen Zwillings aus Eplan Pro Panel generiert wird. Mit dieser Unterstützung können auch weniger erfahrene Mitarbeiter die Verdrahtung fachgerecht vornehmen. Natürlich lässt sich auf Basis des digitalen Zwillings auch die Fertigung ansteuern. Softwarebasierte Assistenzsysteme unterstützen die Fachleute in der Produktion und können heute selbst mangelnde Erfahrung mittels Systemtechnik und System-Know-how kompensieren.

Christian Haltiner, Managing Director Switzerland Dassault Systèmes

Christian Haltiner, Dassault Systèmes

Ein spannendes Beispiel sind digitale Zwillinge in der Automobilbranche, zum Beispiel beim französischen Automobilzulieferer Faurecia. Das Unternehmen nutzt den 3DExperience Twin in Verbindung mit der 3DExperience Plattform sowie der Software Delmia, um Lösungen für die Mobilität von Morgen zu finden. Der Automobilzulieferer nutzte den 3DExperience Twin bereits in einem sehr frühen Projektstadium.

Neben der Vereinheitlichung von Prozessen in verschiedenen Unternehmensbereichen und einer verbesserten Kommunikation und Zusammenarbeit der Mitarbeiter untereinander, wurde vor allem das Ramp-up effizienter gestaltet. Noch bevor es mit der Entwicklung und Produktion der ersten Teile losging, simulierte das Unternehmen auf Basis der 3DExperience Plattform erst einmal die gesamte Fertigungslinie. Dadurch konnte sehr früh erkannt werden, an welchen Stellschrauben noch gedreht werden muss, bevor reale Fertigungsmaschinen zum Einsatz kamen. So konnten die Produktionsanlaufkosten deutlich reduziert werden.

Beat Meili, Sigmatek Schweiz

Ein typisches Beispiel für die Umsetzung eines Digitalen Zwillings stellt das von der Winterthurer ZHAW im vergangenen Jahr realisierte Smartpro-4.0-Projekt dar. Bei diesem als Industrie 4.0 gedachten Vorzeige-Projekt wurden alle intelligenten Systemkomponenten von verschiedensten Automatisierungsherstellern mit dem neuen, normierten OPC-UA-Kommunikationsstandard miteinander vernetzt. Sigmatek realisierte hierbei mit dem portablen Wireless-Safety Bedienpanel Typ HGW und einem fest eingebauten 19-Zoll-Multi-Touchpanel das Bedienkonzept und in Folge dessen auch den Safety-Teil dieser Applikation. Die gesamte Maschine wurde vorgängig als Digitaler Zwilling umgesetzt und dient heute als Demonstrator im Bereich Weiterbildung und an Messen zum Thema Industrie 4.0. Das nächste Praxisprojekt bildet die vollautomatische Fertigung von Drohnen in der zukünftigen Swiss Smart Factory in Biel. Mit dem Leuchtturmprojekt soll ein ganzes Produktionsökosystem zeigen, wie Industrie 4.0 schon heute funktionieren kann. Bei diesem Projekt ist Sigmatek mit dem Bedienkonzept, der modernen Hot-Swap-Safety-Funktionalität und sogar im Bereich der Fahrerlosen Transportsysteme beteiligt.

Michael Hausdorf, Senior Consultant Digitalization, Siemens Schweiz AG

Michael Hausdorf, Siemens Schweiz

Wir konnten mit dem digitalen Zwilling beispielsweise den Entwicklungsprozess und die Software-Entwicklung von der Produktion entkoppeln. Unser Kunde wurde damit unabhängig von der Hardware-Lieferkette – wichtig gerade in schwierigen Zeiten, in denen eingeschränkte Verfügbarkeiten einen grossen Einfluss auf die Produktion haben. Aus den bestehenden CAD-Daten haben wir den digitalen Zwilling erstellt und mittels Funktionsbeschreibung die Ablaufsteuerung für die PLC und die Bedienersoftware geschrieben.

Durch die Kopplung des virtuellen Controllers, der Bedieneroberfläche und dem kinematisierten CAD-Modell, entstand der digitale Zwilling. Damit kann nun die Vorinbetriebnahme noch vor der Produktion des Schaltschranks und vor dem Maschinenaufbau durchgeführt werden. Die Verifikation der Maschinenfunktionalität erfolgt somit unabhängig von der Hardware und der Maschinenbauer kann die vorverifizierte Software anschliessend in kurzer Zeit direkt auf die reale Maschine applizieren.

  Cover Ausgabe 008 Technik und Wissen     

 

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Lesen Sie in der Printausgabe #008 von Technik und Wissen, welche Empfehlungen die Experten für die Implementierung eines digitalen Zwillings geben und was diese zum Thema ROI sagen.

 

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Impressum

Autor: Markus Back

Bildquelle: z.V.g.

Publiziert von Technik und Wissen

Informationen

Dassault Systèmes
3ds.com/de

Eplan Software & Service GmbH & Co. KG
eplan.ch

Siemens Schweiz AG
siemens.ch/industry

Sigmatek Schweiz AG
sigmatek-automation.ch

Veröffentlicht am: