Gunther Koschnick legte mit einem Studium der Elektrotechnik an der Fachhochschule Giessen und dem Lancashire Polytechnic Preston den Grundstein für seine berufliche Laufbahn. Nach verschiedenen Stationen betreute er bei ABB Deutschland einen Bereich der elektrischen Antriebstechnik, bevor er im November 2012 zum ZVEI wechselte und dort seither als Geschäftsführer den Fachverband Automation leitet. Der 55-Jährige ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und spielt in seiner Freizeit Gitarre und Dudelsack, wenn er nicht mit dem Wohnmobil auf Achse ist.
Von der Einführung des zur SPS 2019 vorgestellten digitalen Typenschildes sollen Hersteller wie Anwender gleichermassen profitieren. Im Gespräch mit Gunther Koschnick vom Mit-Initiator ZVEI, dem Verband der Elektro- und Digitalindustrie.
Der ZVEI arbeitet mit der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg gemeinsam am Projekt «Digitales Typenschild». Was ist die Idee dahinter?
Typenschilder gibt es auf allen Produkten und stellen dem Anwender alle relevanten Informationen zu diesem bereit. Die steigenden Anforderungen, zum Beispiel wegen der Maschinenrichtlinie oder des Recyclings, lassen diese mittlerweile jedoch sehr umfangreich werden. Da viele Produkte durch die zunehmende Miniaturisierung jedoch immer kleiner werden, wird es immer schwieriger, alle diese Informationen lesbar zu halten. Mit dem «digitalen Typenschild» wollen wir daher die Möglichkeit schaffen, die Daten, die auf ein Typenschild gehören, beispielsweise über einen QR-Code oder RFID einfach auszulesen. Zudem bietet es die Möglichkeit, alle Dokumentationen und Gebrauchsanweisungen in den jeweiligen Sprachen dem Anwender sehr einfach zugänglich zu machen.
Was bedeutet die Einführung des «Digitalen Typenschilds» für die Betreiber von Anlagen und Maschinen?
Es bringt ihnen einen gewissen Komfort. Dies geht beim Wareneingang los, wo sie das Produkt nicht mehr von der begleitenden Papierdokumentation befreien müssen, und erstreckt sich bis hin zum Betrieb einer Anlage, wo jederzeit alle Daten zur Verfügung stehen, um mit diesem Produkt arbeiten zu können. Die Daten lassen sich dabei nicht nur mit Smartphone oder Tablet abrufen, sondern können ebenfalls in vernetzten Systemen sehr einfach über diverse Medien eingelesen werden.
Der Zugriff aufs «Digitale Typenschild» soll über verschiedene digitale Identifikatoren wie QR-Code, Data-Matrix-Code oder RFID-Tag möglich sein. Das klingt so, als müssten Anlagen- und Maschinenbetreiber zukünftig eine Vielzahl an Lesegräten bereithalten, um an alle diese Informationen zu gelangen. Ist dem so?
Nein! Man kann davon ausgehen, dass heute fast jeder ein Smartphone in seiner Hosentasche hat. Das ist mittlerweile selbst für den Ex-Bereich der Fall, für den es inzwischen entsprechende Geräte nach ATEX-Spezifikation gibt.
Technologie hinter dem digitalen Typenschild ist der digitale Zwilling für Industrie 4.0
Nun ist es ja denkbar, dass anwenderspezifische Anpassungen an einem Motor oder einer Komponente vorgenommen werden. Wie lassen sich diese festhalten, wenn es nur noch die eine Dokumentation in der Cloud gibt?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wenn Sie ein Gerät verändern, muss dieses wieder entsprechend zertifiziert und am analogen Typenschild angepasst werden. Das ist erforderlich, dass man klar erkennt, wer verantwortlich ist, wenn es beispielsweise zu Haftungsfragen kommt.
Die Technologie hinter dem digitalen Typenschild ist der digitale Zwilling für Industrie 4.0. Dieser digitale Zwilling, den wir als Verwaltungsschale bezeichnen, begleitet ein Produkt über seinem kompletten Lebenszyklus, also von dessen Planung bis hin zum Zerlegen und dessen Rückführung in die Kreislaufwirtschaft, und wird entsprechend über den Lebenszyklus mitgepflegt. Darüber gestattet es die Verwaltungsschale, die Technologie hinter dem digitalen Typenschild, Wartungsinformationen oder Parameter mitzuverwalten. Das heisst, auch ein Servicetechniker kann jeder Zeit nicht nur die Typenschildinformation abfragen, sondern auch aktuelle Informationen. Das ist ein wesentlicher Beitrag zum Assetmanagement.
Zur Person Gunther Koschnick
Vorbereitung auf die Einführung des «Digitalen Typenschilds»
Wie bereiten sich Betreiber von Anlagen und Maschinen am besten auf die Einführung des «Digitalen Typenschilds» vor?
Eine Vorbereitung braucht es nicht, denn wir haben ja inzwischen einen Standard daraus gemacht. Zu diesem hat sich die Industrie-4.0-Gemeinschaft bekannt und ihn erstmals auf der SPS 2019 vorgestellt.
Wenn ich übrigens als Hersteller, der nicht in diesem Gründungskreis von anfänglich 14 Unternehmen mit vertreten war, dazu stossen möchte, ist das immer noch jederzeit möglich. Wir haben letztes Jahr zusammen mit dem VDMA und namhaften Industrieunternehmen die «Industrial Digital Twin Association e.V.» gegründet und diese ist so etwas wie ein One-Stop-Shop für alles, was man benötigt, um ein digitales Typenschild für sein Produkt zu konfigurieren.
Digitales Typenschild ist Schwerpunktthema im Printmagazin #015
In der November-Ausgabe unseres Printmagazins wird das digitale Typenschild ein Schwerpunkt sein. Erfahren Sie darin, wieso man sich das digitale Typenschild wie ein Bücherregal vorstellen muss und welchen konkreten Nutzen Anwender von diesem haben werden.
Sie haben noch kein Abo? >> Abo Printmagazin
Ab wann geht das Thema digitales Typenschild wirklich los?
Die Verwaltungsschale ist inzwischen in der IEC-Normierung und damit international einsehbar und diskutiert. Das digitale Typenschild ist ebenfalls beschrieben und entsprechend standardisiert.
Welchen persönlichen Tipp geben Sie Betreibern von Anlagen und Maschinen?
Das digitale Typenschild bringt dem Anwender erhebliche Vorteile und wird über kurz oder lang ein Verkaufsargument werden. Von daher kann ich jedem empfehlen, mit der niederschwelligen Digitalisierung des Typenschilds zu beginnen. Das sich über Verwaltungsschale Produkte miteinander vernetzen lassen, also die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, ist die Zugabe.
Impressum
Autor: Markus Back
Bildquelle: ZVEI
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
Eine Publikation von Technik und Wissen
Informationen
ZVEI
www.zvei.de
Weitere Artikel
Veröffentlicht am: