Elektromobilität bedarf intelligenter Stromnetze
Die Facetten der Elektromobilität – Netze BW
Die Elektromobilität ist mit verschiedenen Herausforderungen für die Netzbetreiber verbunden. Wie diese konkret aussehen und was getan wird, dass Elektroautos nicht ungeladen bleiben, erklärt Dr. Martin Konermann, Technischer Geschäftsführer bei Netze BW, im Interview.
Autor: Markus Back, Chefredaktor Print
E-Mail / LinkedIn-Profil
Auswirkung der Elektromobilität auf die Netzstabilität
Als Netzbetreiber sind Sie verpflichtet, die Spannung im Stromnetz gleichzuhalten. Wie wird sich die zunehmende Elektromobilität auf die Netzstabilität auswirken?
Für das Stromnetz bedeuten der Hochlauf der Elektromobilität und der Zubau von Ladeeinrichtungen für E-Fahrzeuge zunächst einmal, dass die Zahl der leistungsstarken Verbraucher zunimmt. Dadurch steigt zwangsweise die Auslastung des Stromnetzes. Die genauen Auswirkungen auf die lokale Spannung und Netzauslastung sind dabei unter anderem abhängig von der individuellen Versorgungssituation im jeweiligen Netzabschnitt.
Wichtig ist, klar zwischen den verschiedenen Spannungsebenen im Stromnetz und den unterschiedlichen Anwendungsfällen bei der Ladeinfrastruktur zu unterscheiden. Öffentliche und gewerbliche Ladeparks mit Anschlussleistungen im MW-Bereich sind an das Mittelspannungsnetz angeschlossen. Das ist ein geordneter Standard-Prozess bei der Netze BW. Herausfordernd ist der starke Hochlauf privater Ladeeinrichtungen. Aufgrund geringerer Leistungen von meist 11 kW sind die Wallboxen an das Niederspannungsnetz angeschlossen. Als Verteilnetzbetreiber erfahren wir davon jedoch erst nach Inbetriebnahme der Ladeeinrichtungen.
Grundsätzlich steht für die Netze BW die Versorgungssicherheit an erster Stelle. Deshalb untersuchen wir seit Jahren, wie sich die Ladeinfrastruktur optimal in unser Stromnetz integrieren lässt. Wesentliches Instrument hierfür sind unsere Netzlabore, in denen wir die Auswirkungen der E-Mobilität auf das Stromnetz im realen Netzbetrieb testen.
Eine zentrale Erkenntnis hier ist, dass schon wenige gleichzeitig ladende E-Fahrzeuge einen beträchtlichen Einfluss auf die Spannungsqualität eines Stromkreises haben können. Das haben wir vor allem in ländlichen Gegenden getestet, weil die dortige Netztopologie durch grosse Entfernungen zwischen Umspannstation und Verbraucher hohe Spannungsschwankungen begünstigt.
Es zeigte sich zudem, dass Grenzwertverletzungen des Spannungsbandes meist mit hohen Auslastungen des betreffenden Stromkreises einhergehen. Aus diesem Grund ist es wichtig, Spannungshaltung und Netzauslastung immer gemeinsam zu betrachten.
Wenn schon wenige ladende E-Fahrzeuge die Spannungsqualität eines Stromkreises beeinflussen können, was bedeutet das dann für die Fahrzeugbesitzer? Müssen diese damit rechnen, dass ihre Elektroautos ungeladen bleiben?
Die gute Nachricht aus unser Forschungsarbeit ist, dass mit einem netzdienlichem Lademanagement, also der temporären Leistungsbegrenzung von Ladevorgängen in Zeiten hoher Netzbelastung, eine sichere Versorgung auch einer grösseren Anzahl von E-Fahrzeugen aus dem Bestandsnetz möglich ist. Es muss also niemand Angst haben, dass sein E-Auto nicht mehr geladen werden kann. Die Ladestationen werden nicht ausgeschaltet, sondern intelligent gesteuert und dafür zu bestimmten Zeiten lediglich etwas gedrosselt.
Die persönlichen Rückmeldungen der Teilnehmenden des Feldtests zeigten dabei ein hohes Mass an Akzeptanz gegenüber einem intelligenten Lademanagement und steuernden Eingriffen. Das äusserte sich im sehr positiven Feedback der Teilnehmenden: Alle E-Autos waren an jedem Morgen vollständig geladen, kaum jemand hatte die minimale Leistungsreduktion überhaupt bemerkt.
Durch die Erneuerbaren Energien dezentralisiert sich die Stromerzeugung. Ist das eine Chance oder ein Nachteil für die Elektromobilität?
Für die Elektromobilität und für unsere Kunden bietet die Dezentralisierung der Stromerzeugung eine Chance zur teilweisen Eigenversorgung ihres Energiebedarfes. Insbesondere die Kombination einer PV-Anlage mit einem Batteriespeicher und einem E-Fahrzeug ermöglicht es den Menschen, selbsterzeugten PV-Strom vor Ort zu nutzen und damit eine gewisse Autarkie zu erreichen.
Welchen Beitrag können Mega-Batterien für die Stabilisierung des Netzes leisten?
Das Thema Batterien ist wichtig, betrifft die Netze BW allerdings nur indirekt. Denn als regulierter Verteilnetzbetreiber ist unser Zuständigkeitsbereich gesetzlich auf das regulierte Stromnetz begrenzt. Die Versorgung von Haushalten mit Energie ist – ebenso wie die Energieerzeugung, der Energiehandel oder Energievertrieb – Netzbetreibern gesetzlich untersagt. Allerdings haben wir das Thema natürlich auf der Agenda. In unserem Netzgebiet sind bereits mehrere intelligente Batteriespeicher realisiert – weitere sind in Planung beziehungsweise befinden sich derzeit in der Umsetzung.
Ein grosser Vorteil von intelligenten Batteriespeichersystemen ist: Sie ermöglichen es, die Energiewende schneller und wirtschaftlicher zu gestalten. Mit ihnen lassen sich Netzengpässe entschärfen, Energiekosten senken, erneuerbare Energien effizienter nutzen und höhere Erlöse per intelligenter Einspeisung erzielen. Batteriespeicherlösungen helfen also, Instabilitäten im Netz auszugleichen, unterstützen die Stromkostenoptimierung, sichern die Versorgungsqualität und leisten einen Beitrag zur Elektromobilität.
Ein konkretes Beispiel aus dem Bereich PV-Erzeugung ist der PV-Park in Brandscheid. Der Batteriespeicher vor Ort machte es möglich, die gesamte Erzeugungsanlage grösser zu realisieren als es der vorhandene Netzanschluss ohne Batterie zulassen würde – immer unter der Prämisse: den erzeugten grünen Strom vollständig zu nutzen. Auf diese Weise lässt sich der PV-Park wirtschaftlicher betreiben.
Durch die Erneuerbaren Energien dezentralisiert sich die Stromerzeugung. Ist das eine Chance oder ein Nachteil für die Elektromobilität?
Für die Elektromobilität und für unsere Kunden bietet die Dezentralisierung der Stromerzeugung eine Chance zur teilweisen Eigenversorgung ihres Energiebedarfes. Insbesondere die Kombination einer PV-Anlage mit einem Batteriespeicher und einem E-Fahrzeug ermöglicht es den Menschen, selbsterzeugten PV-Strom vor Ort zu nutzen und damit eine gewisse Autarkie zu erreichen.
Welchen Beitrag können Mega-Batterien für die Stabilisierung des Netzes leisten?
Das Thema Batterien ist wichtig, betrifft die Netze BW allerdings nur indirekt. Denn als regulierter Verteilnetzbetreiber ist unser Zuständigkeitsbereich gesetzlich auf das regulierte Stromnetz begrenzt. Die Versorgung von Haushalten mit Energie ist – ebenso wie die Energieerzeugung, der Energiehandel oder Energievertrieb – Netzbetreibern gesetzlich untersagt. Allerdings haben wir das Thema natürlich auf der Agenda. In unserem Netzgebiet sind bereits mehrere intelligente Batteriespeicher realisiert – weitere sind in Planung beziehungsweise befinden sich derzeit in der Umsetzung.
Ein grosser Vorteil von intelligenten Batteriespeichersystemen ist: Sie ermöglichen es, die Energiewende schneller und wirtschaftlicher zu gestalten. Mit ihnen lassen sich Netzengpässe entschärfen, Energiekosten senken, erneuerbare Energien effizienter nutzen und höhere Erlöse per intelligenter Einspeisung erzielen. Batteriespeicherlösungen helfen also, Instabilitäten im Netz auszugleichen, unterstützen die Stromkostenoptimierung, sichern die Versorgungsqualität und leisten einen Beitrag zur Elektromobilität.
Ein konkretes Beispiel aus dem Bereich PV-Erzeugung ist der PV-Park in Brandscheid. Der Batteriespeicher vor Ort machte es möglich, die gesamte Erzeugungsanlage grösser zu realisieren als es der vorhandene Netzanschluss ohne Batterie zulassen würde – immer unter der Prämisse: den erzeugten grünen Strom vollständig zu nutzen. Auf diese Weise lässt sich der PV-Park wirtschaftlicher betreiben.
Das Thema der Gleichzeitigkeit als entscheidender Faktor
Mit welchen weiteren Herausforderungen ist die Elektromobilität für Netzbetreiber verbunden?
Die Herausforderungen für das Verteilnetz sind divers. Neben den Auswirkungen auf die Spannungsqualität, hauptsächlich in ländlichen Regionen, spielt die Gleichzeitigkeit eine entscheidende Rolle in der zukunftssicheren Netzplanung und Netzentwicklung. Laden viele Fahrzeuge im privaten Umfeld zur gleichen Zeit, kann das lokale Stromnetz sowohl an seine Spannungs- als auch an seine Belastungsgrenze kommen.
Darüber hinaus ist ein sich beschleunigender Hochlauf der Elektromobilität auch mit einem grossen betrieblichen Aufwand verbunden. Private Ladestationen müssen dem Verteilnetzbetreiber gemeldet und ab 12 kW genehmigt werden. Diese Anfragen für eine Netzverträglichkeitsprüfung zeitnah zu bearbeiten, ist eine Herausforderung, die grosse Ressourcen bindet. Das gleiche gilt für den Ausbau von Photovoltaikanlagen, den auch der Gesetzgeber vorantreibt. In Baden-Württemberg gilt inzwischen eine PV-Pflicht für Neubauten und für grundlegende Dachsanierungen. Die Anmeldezahlen von PV-Anlagen Netze BW sind 2022 um rund 85 Prozent auf 45500 Anfragen gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Hinzu kommt die Notwendigkeit, das Netz effizient und zielgerichtet auszubauen, um Engpässe so frühzeitig wie möglich zu erkennen und zu vermeiden. Insbesondere grössere Ladeparks, beispielsweise für E-Lkw an Autobahnraststätten, müssen langfristig geplant und das Netz an den entsprechenden Stellen verstärkt werden. Falls dennoch Engpässe auftreten, können temporäre Lösungsansätze, vor allem intelligentes Lademanagement helfen, um die Wartezeit bis zum erfolgten Netzausbau zu überbrücken.
Mit Smart-Grid-Technologien die Herausforderungen in den Griff bekommen
Inwieweit kann ein intelligentes Netz dabei helfen, diese Probleme in den Griff zu bekommen?
Ein intelligentes Stromnetz, kurz Smart Grid, ist für uns essenziell als Ergänzung zum konventionellen Netzbetrieb und zum Netzausbau. Mit Smart Grid lassen sich zum Beispiel durch den Einsatz von Mess- und Steuerungstechnik die Netzbetriebsmittel und Netzzustände überwachen, die Transparenz im Verteilnetz erhöhen und Prognosen über den Netzzustand verbessern. Auf diese Weise können wir datenbasiert und frühzeitig potenzielle Hotspots im Verteilnetz identifizieren und unsere Netzplanung und Netzentwicklung optimieren.
Zudem bietet ein intelligentes Stromnetz die Grundlage für netzdienliches Flexibilitätsmanagement im Verteilnetz. Dadurch lassen sich mehr Wallboxen, Wärmepumpen, PV-Anlagen und Speicher in kurzer Zeit an das Stromnetz anschliessen und zuverlässig versorgen.
Wir von Netze BW haben bereits vor mehr als zehn Jahren damit begonnen, Smart-Grid-Technologien zu erforschen und zu testen. Gerade haben wir beispielsweise unser Smart-Grid-Netzlaborprojekt Flex Qgrid abgeschlossen. Mit ihm haben wir im realen Stromnetz den Einsatz von Smart Meter getestet. Was wir bei dem Feldtest in Freiamt demonstriert haben, dient als Smart-Grid-Blaupause für andere Netzgebiete und erfüllt mit der eingesetzten Technik bereits prototypisch mögliche Vorgaben der Umsetzung des §14a EnWG.
Die Ergebnisse zeigen, dass durch intelligente Steuerung von Verbrauchseinrichtungen wie Wallboxen, Wärmepumpen, Solaranlagen und Batteriespeicher das Netz besser ausgelastet werden kann. Dadurch lassen sich neue Anlagen schnell und sicher ins Verteilnetz integrierten. Auf diese Weise trägt ein intelligentes Stromnetz dazu bei, Massnahmen im Netzbau und Netzbetrieb zukunftssicher, ressourcensparend und nachhaltig durchzuführen.
Ein intelligentes Netz braucht intelligente Messsysteme
Was braucht es für den Bau bzw. die Realisierung eines intelligenten Stromnetzes?
Für die Realisierung eines intelligenten Stromnetzes braucht es zunehmend Echtzeit-Wissen über die Zustände im Netz. Das bedeutet den Einsatz von Sensorik oder synthetischen digitalen Lösungen zur Ermittlung von Netzzuständen sowie Prognosen über künftige Netzzustände – unterstützt durch künstliche Intelligenz. Ausserdem braucht es entsprechende Aktorik, die automatisiert auf sensorische Signale reagieren kann. Solche Aktoren sind die Grundlage, um Mechanismen für ein intelligentes Netz aufbauen zu können.
Smart Meter sind als intelligente Messsysteme eine Voraussetzung für ein intelligentes Netz. Sie liefern die Daten und die technische Grundlage, damit Netzbetreiber das Netz per Algorithmen intelligent und automatisiert steuern können – beispielsweise über Prognosen, Zustandsschätzungen und Netzberechnungen. Um den Smart-Meter-Rollout in Deutschland zu beschleunigen, definiert der Gesetzgeber derzeit die Rahmenbedingungen neu. Denn wir benötigen regulatorische und rechtliche Vorgaben, die uns den Rollout ermöglichen und Netzbetreiber in die Lage versetzen, bei Engpässen im Stromnetz steuernd einzugreifen. Dies gilt insbesondere für die Niederspannungsebene, die historisch nicht auf diese Lasten sowie Einspeisungen ausgelegt ist. Grosse Erwartungen liegen daher auf dem gerade laufenden Festlegungsverfahren der Bundesnetzagentur zum § 14a EnWG zur Netzintegration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Wallboxen oder Wärmepumpen.
Mit welchen Kosten ist das verbunden und wie schnell lässt sich das realisieren?
Umfang und konkrete Kosten für ein Upgrade des bestehenden Stromnetzes zu einem Smart Grid lassen sich aufgrund der Abhängigkeiten von vielen Faktoren derzeit nicht vorhersagen. Das liegt insbesondere an den regulatorischen Rahmenbedingungen für Verteilnetzbetreiber. Vielmehr ist klar, dass der Rollout von Mess- und Steuerungstechnik sowie die Entwicklung der notwendigen Fähigkeiten nicht von heute auf morgen gehen kann. Das ist ein Prozess für die nächsten Jahre.
Weitere Artikel, die Sie interessieren könnten
Impressum
Autor: Markus Back
Bildquelle: Netze BW
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
Informationen
Netze BW
netze-bw.de
Weitere Artikel
Veröffentlicht am: