Industrie 4.0 ebnet immer mehr Anwendungen für Fahrerlose Transportsysteme. Worauf bei deren Entwicklung speziell aus antriebstechnischer Sicht zu achten ist, erklärt Adrian Thoma im Gespräch. Er ist bei Maxon Business Development Engineer im Bereich Mobility Solutions.
Ein Beitrag von Technik und Wissen
Mit Industrie 4.0 nimmt die Zahl Fahrerloser Transportsysteme zu. Was sind bisher die typischen Einsatzbereiche solcher als kurz bezeichneten FTS?
Die typischen Einsatzbereiche von FTS sind vor allem im Logistikbereich anzutreffen. Dort werden sie für den Transport von Gütern eingesetzt – im Verbund mit den Lagersystemen und dem Transport in Produktionsanlagen. Die FTS ermöglichen einen reibungslosen, zuverlässigen und effizienten Ablauf des Warenflusses. Auch können FTS in Räumen mit und ohne Personal beliebig eingesetzt werden.
Da es sich um Fahrerlose Transportsysteme handelt, erweitert sich der Einsatzbereich weit über den Transport von Gütern hinaus. Deswegen werden FTS beispielsweise auch für die Überwachung und Reinigung von Räumen und Kanälen, im Agrarbereich und nicht zuletzt im Indoor- wie auch Outdoorbereich eingesetzt.
Neue Einsatzbereiche für Fahrerlose Transportsysteme
Welche neuen Einsatzbereiche sehen Sie derzeit entstehen?
FTS werden sehr vielfältig eingesetzt. Überall dort, wo ein fahrerloses Fahrzeug oder eine fahrende Plattform benötigt wird. Insbesondere stellen wir aber einen Zuwachs bei führerlosen Verteilsystemen mit vollautonomen Fahrzeugen, also AGV1 und AMR2, fest. Diese Fahrzeuge können weitestgehend in die bestehende Infrastruktur integriert werden.
1 Automated Guided Vehicle / 2 Autonomous Mobile Robots
Herausforderungen bei der Entwicklung von FTS
Was sind die typischen Herausforderungen bei der Entwicklung von FTS?
Es gibt unterschiedliche Normen und Sicherheitsanforderungen, die bei der Entwicklung solcher Fahrzeuge eingehalten werden müssen und so auch Einfluss auf unsere Antriebssysteme haben. Umwelt- und Umgebungsbedingungen, Einsatzgebiet der Fahrzeuge, Sicherheitsanforderungen, vor allem in Bereichen mit Personenkontakten, Reichweite der Fahrzeuge und Zuverlässigkeit sind nur einige Themen, welche bei der Auslegung des Systems zu berücksichtigen sind.
Gibt es eine klassische Vorgehensweise bei deren Entwicklung oder ist diese von der jeweiligen Aufgabe abhängig?
Die meisten Entwicklungen sind abhängig von den individuellen Anforderungen für den Einsatz der Fahrzeuge. Wir bieten dazu aus unserem vielfältigen Antriebsprogramm unterschiedliche und individuelle Antriebslösungen an.
Maxon entwickelt und produziert nicht nur DC- und BLDC-Motoren, Getriebe, Sensoren und Steuerungen, sondern ist auch in der Lage, diese Antriebskomponenten zu einem mechatronischen System für kundenspezifische Anwendungen zu vereinen. Der Kunde profitiert von einem breiten Fachwissen und der langjährigen Erfahrung unserer Mitarbeitenden und erhält so die Systemlösung aus einer Hand.
Gerade für diesen Markt bieten wir unterschiedlichste standardisierte Lösungen an und können so zeitnah Bemusterungen für Neuentwicklungen realisieren. Diese Standardlösungen können bei Bedarf individualisiert und auf gewisse Einsatzbereiche wie jene von FTS abgestimmt werden.
Nun erledigen FTS unterschiedliche Aufgaben, bewegen verschieden schwere Lasten, fahren mannigfaltige Spurprofile und so weiter. Wie sollte man aus Ihrer Sicht vorgehen, um am Ende das ideale Antriebssystem zu haben?
Für die optimale Auslegung der Antriebseinheit ist eine umfassende Abstimmung der Anforderungen mit dem Anwender essenziell. Auf dieser Grundlage wird das Antriebssystem ausgelegt. Maxon arbeitet aber auch immer weiter an der Entwicklung von standardisierten Antriebslösungen, sogenannten Plattformen, die speziell für den Einsatz in FTS ausgelegt sind.
Interaktion mit Menschen und anderen Maschinen
Entscheidend bei solchen Systemen ist die Fähigkeit zur Interaktion mit Menschen und mit anderen Maschinen. Welche Mindestvoraussetzungen müssen Motoren für eine sichere Interaktion mitbringen?
Die Integration des Antriebssystems muss so ausgelegt sein, dass es mit dem übergeordneten System kommunizieren kann. Hierzu sind entsprechende Sensoren und Antriebsregler zu integrieren, welche den Sicherheitsanforderungen entsprechen und eine sichere Navigation des FTS in seinem Umfeld gewährleisten.
Für die sichere Interaktion bedarf es umfangreicher Sensorik. Wie erleichtern Sie Entwicklern die schnelle und fehlerfreie Kommunikation zwischen der Sensorik und ihren Antriebssystemen?
Für die Kommunikation mit unseren Motorsteuerungen gibt es unterschiedliche Protokolle, die wir unterstützen. So können wir nicht nur eine schnelle und möglichst einfache Integration vom Antriebssystem gewährleisten, sondern auch eine Minimierung der Komplexität durch die kompakte Bauform mit integrierter Elektronik.
Wenn sich FTS in «menschenleeren» Bereichen bewegen, ist die Betriebssicherheit entscheidend, schliesslich soll ein überhitzter Motor nicht ein Lager in Brand setzen. Wie wird man diesem Sicherheitsaspekt bei der Entwicklung am besten gerecht?
Maxon entwickelt bereits seit 60 Jahren Elektromotoren und die dazu passenden Steuerungen. Alle unsere Motoren werden vor ihrem Einsatz strengsten Qualitätschecks unterzogen und wir stellen so sicher, dass ein oben genannter Fall nicht auftreten kann. Ferner ist bei der Auswahl der Komponenten darauf zu achten, dass das Antriebssystem nicht im Überlastbereich betrieben wird. Dies wird durch die Auslegung der Elektronik sichergestellt – maximale Stromversorgung in Abhängigkeit der Zeit. Eine weitere Variante wäre der Einbau von Temperatursensoren im Antriebsstrang.
Welche Lösungen bieten Sie für die Entwicklung von FTS an?
Wir haben unterschiedliche und sehr kompakte Radantriebslösungen, die speziell für den Einsatz in FTS entwickelt wurden. Maxon besitzt aber auch eine breite Produktplattform von Motoren, Getrieben, Sensorik und Reglern, woraus wir gemeinsam mit den Kunden eine spezifische Lösung entwickeln und produzieren können. So unterschiedlich die FTS und deren Anforderungen sind, so verschieden können auch die Antriebslösungen ausfallen. Es gibt nicht nur den einen Standardantrieb für FTS.
Das könnte Sie auch interessieren
Welchen generellen Tipp geben Sie Entwicklern von FTS?
Grundsätzlich empfiehlt sich, mit dem Antriebshersteller bereits in einer frühen Phase des Projektes Kontakt aufzunehmen, um eine optimale Antriebslösung und Integration im FTS gemeinsam zu erarbeiten. Dadurch kann das gesamte Antriebssystem optimal ausgelegt und integriert werden.
Impressum
Autor: Markus Back
Bildquelle: Maxon und Getty Images
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
Eine Publikation von Technik und Wissen
Informationen
Maxon
www.maxongroup.com
Weitere Artikel
Veröffentlicht am: