DC-Fabriknetze reduzieren Maschinenausfälle

Ein Gespräch mit Timm Kuhlmann vom Fraunhofer IPA über das Verbundprojekt «DC-Industrie 2

DC-Fabriknetze reduzieren Maschinenausfälle

Ein Gespräch mit Timm Kuhlmann vom Fraunhofer IPA über das Verbundprojekt «DC-Industrie 2

Scroll down

Timm Kuhlmann vertritt das Fraunhofer IPA im Verbundprojekt «DC-Industrie 2», das sich mit DC-Netzen für Fabriken befasst. Für ihn stellt sich nicht die Frage, ob diese kommen, sondern mit welchem Tempo diese Einzug halten werden. Im Gespräch mit dem Diplomwirtschaftsingenieur.


Ein Beitrag von Technik und Wissen
Autor: Markus Back

Im Verbundprojekt «DC-Industrie 2» entwickeln Sie mit über 30 Partnern die industrielle Stromversorgung der Zukunft. Wie wird diese aussehen?

Heute sind Fabriken Energieverbraucher, während Stromversorger und Netzbetreiber Energie zur Verfügung stellen und damit für ein Bilanzgleichgewicht sorgen. Durch die Einbindung dezentraler und lokaler Energieerzeuger, wie zum Beispiel PV-Anlagen, wird es zu einer Verschiebung kommen. Unternehmen werden daher zukünftig ein Energienetz benötigen, das Lasten sicher ausgleichen kann und auch in Richtung des Versorgungsnetzes aktiv ist, um dieses beispielsweise bei Engpässen zu stützen. Das bedeutet, dass Firmen Energie einkaufen und damit ihre Speicher füllen werden, wenn diese günstig ist. Bei hohen Preisen werden sie diese dann verbrauchen oder wieder verkaufen.

Neben dieser Energieflexibilität wird die Robustheit der Versorgung eine entscheidende Rolle spielen. Wir sehen heute, dass Produktionsunterbrechungen durch Kurzzeitunterbrechungen kürzer einer Sekunde tendenziell zunehmen. Dies ist unter anderem auf die sensible Produktionstechnologie mit ihrem Zuwachs an Leistungselektronik zurückzuführen. Die dadurch verursachten Maschinenausfälle wird es in Fabriken mit einem DC-Netz nicht mehr geben.

Wir sehen heute, dass Produktionsunterbrechungen durch Kurzzeitunterbrechungen kürzer einer Sekunde tendenziell zunehmen. Dies ist unter anderem auf die sensible Produktionstechnologie mit ihrem Zuwachs an Leistungselektronik zurückzuführen.

DC-Netz muss auf Schwankungen schnell reagieren können

Ihre Beschreibung der Energieflexibilität erinnert an den Gedanken eines industriellen Smart Grids. Stimmt dieser Eindruck?

Es sind Smart Grids, ganz richtig! Die Smart Grids, die wir aber heute kennen, werden verstärkt auf der Versorgungsebene des Quartieres zusammengeschaltet oder ganz klein zu Hause, beispielsweise die Waschmaschine, die von der PV-Anlage gesteuert wird. Diese Smart Grids werden jedoch den Anforderungen von Industrieunternehmen nicht gerecht, weil in diesen sehr schnell auf starke Lastschwankungen reagiert werden können muss. Wir haben in unserem Verbundprojekt beispielsweise Tests mit einer Schweissanlage durchgeführt, die für wenige Millisekunden Leistungsspitzen von bis zu 200 kW abgerufen und ansonsten im Bereich von 5 bis 10 kW gearbeitet hat.

Es muss aber nicht nur auf solche Schwankungen schnell reagiert werden können, sondern ebenfalls, wenn die eigene PV-Anlage zu viel Leistung erzeugt. Wenn das Netz schwach ist und hohe Preise bezahlt werden, können Unternehmen ihre überschüssige Energie verkaufen und ihre Speicher leeren. Diese Mechanismen werden jedoch auf einer Ebene stattfinden, die weit über dem liegt, was heute möglich ist.

Timm Kuhlmann vertritt das Fraunhofer IPA im Verbundprojekt «DC-Industrie 2»

Energiespeicher als wichtiger Baustein im DC-Netz

Damit diese Mechanismen funktionieren, müssen sich Unternehmen demnach auch Gedanken über die verschiedenen Speichertechnologien machen?

Die Energiespeicher werden ein wichtiger Baustein im DC-Netz sein. Es gibt schon heute Unternehmen, die aus den verschiedensten Gründen grosse Lithiumbatterien in ihr Werknetz integrieren. Durch den Umstieg auf DC wird diese Integration zukünftig sehr viel einfacher sein. Dabei wird aber zu beachten sein, die Speichertechnologien sinnvoll zu kombinieren. Die eben erwähnten 200 kW für die Schweissanlage sind nur schwer aus einer Batterie zu bekommen. Diese stellt zwar eine hohe Energie bereit, reagiert aber zu träge. Kondensatoren oder Schwungmassenspeicher, die sehr schnell eine hohe Leistung abgeben können, sind hier die bessere Wahl.


Wer ist Timm Kuhlmann?

Dipl.-Wirt.-Ing. Timm Kuhlmann, Industrielle Mikronetze und Energiespeicher, forscht seit rund 20 Jahren im Bereich der Fabrikplanung, der digitalen Transformation sowie an der Energieeffizienz von Fabriken. 2019 promovierte er über die Methode zur wandlungsfähigen Energieversorgung in Fabriken. Seit über fünf Jahren beschäftigt er sich mit Gleichstromnetzen in der Fabrik. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der intelligenten Energieversorgung von Produktionen und Fabriken, sowie deren Transformation.


Hürden beim Umstieg auf ein intelligentes DC-Netz

Welche generellen Hürden sehen Sie beim Umstieg auf ein intelligentes DC-Netz?

Diese Hürden sind unterschiedlicher Natur. Zum einen sind da die fehlenden Standards für die DC-Versorgung. Im AC-Bereich ist bekannt, welche Anforderungen ein Gerät in den jeweiligen Märkten erfüllen muss. Im DC-Bereich fehlen bislang diese verbindlichen Normen, was die Entwicklung entsprechender Maschinen und Geräte erschwert.

Eine weitere Hürde ist die Regelung des Leistungsausgleiches zwischen Verbrauchern, Energieerzeugern und Energiespeichern. Hier gilt es Regelungsalgorithmen zu finden, die sich selber adaptieren und auf einen optimalen Betriebszustand einstellen können, um auf geänderte Produktionsprozesse reagieren zu können.

Eine andere Herausforderung ist die Schalt- und Schutztechnik. AC löscht zum Beispiel im Nulldurchgang einen Lichtbogen, was bei DC nicht funktioniert. Zwar gibt es aus der Solartechnik Lösungen, diese sind allerdings nur bedingt einsetzbar, weil bei diesen der Stromfluss nur in eine Richtung geschaltet und überwacht werden kann.

Ein weiterer Punkt ist der Transformationsprozess, wann also ein Unternehmen auf DC wechseln sollte? Hier gibt es bislang keine eindeutige Empfehlung, die wir geben könnten. Das hängt unter anderem mit den noch fehlenden Standards zusammen.


Mehr zu DC-Netzen und Stromversorgungen in der Ausgabe #009 des Printmagazins

Erfahren Sie in einem exklusiven Bericht in der Print-Ausgabe #009 von Technik und Wissen, warum DC-Fabriknetze einen Wettbewerbsvorteil bieten und was sich durch diese für die Instandhaltung ändern wird.


Weiteres Schwerpunktthema neben Stromversorgungen: Die fühlende Maschine.

Abonnieren Sie das Printmagazin «Technik und Wissen»


Impressum

Autor: Markus Back

Fotos: Rainer Bez, Fraunhofer IPA

Eine Publikation von Technik und Wissen

Informationen

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung
ipa.fraunhofer.de

Veröffentlicht am: