Additive Manufacturing in der Archäologie
Mit 3D-Druck hergestellter «Unlinger Reiter»
Additive Manufacturing in der Archäologie
Mit 3D-Druck hergestellter «Unlinger Reiter»
Selbst in der Archäologie eröffnet der 3D-Druck völlig neue Möglichkeiten der Dokumentation und Kopie von Artefakten. Jüngstes Beispiel ist eine Replik der Figur eines bronzenen Reiters aus einem frühkeltischen Fürstengrab in der Nähe von Unlingen (Kreis Biberach) in Baden-Württemberg. Auf einer seiner Mlab cusing fertigte Concept Laser nun eine originalgetreue Kopie des frühzeitlichen Reiters. Ein fast 2800 Jahre altes Objekt wird aus Pulver gedruckt.
Der 3D-Metalldruck eröffnet der Archäologie neue Möglichkeiten in der Nutzung von Funden. Durch die Herstellung einer originalgetreuen Replik wird es möglich, Originalobjekte wissenschaftlich auszuwerten und gleichzeitig die Repliken in Ausstellungen zugänglich zu machen. Kulturgeschichte bekommt im 3D-Drucker eine Gestalt. Mit dem «Unlinger Reiter» in der Hand blickt man auf 28 Jahrhunderte Kulturgeschichte.
Die wissenschaftliche Bedeutung des «Unlinger Reiters»
Beim «Unlinger Reiter» handelt es sich um die Grabbeigabe eines keltischen Fürstengrabes aus der Hallstattzeit. Die Reiterstatuette aus Bronze auf einem Doppelpferd fand sich in einem bereits in der Antike ausgeraubten Wagengrabes in Unlingen. Die Bruchkanten an den unvollständigen Beinen des Pferdes weisen darauf hin, dass die Statuette ursprünglich an einem anderen, nicht mehr erhaltenen Objekt angebracht war. Dies kann die Oberseite eines bronzenen Deckels oder die Fusskonstruktion eines grösseren Bronzegefässes oder aber ein Möbel, Wagen oder Joch gewesen sein.
Aufgrund der übrigen Grabbeigaben lässt sich die Figur in das 8./7. Jahrhundert v. Chr. datieren. Aus dieser Zeit sind figürliche Darstellungen in Süddeutschland äusserst selten. Der «Unlinger Reiter» stellt eine der ältesten Reiterdarstellungen nördlich der Alpen dar. Innerhalb der frühkeltischen Epoche Mitteleuropas ist diese Figur einmalig.
Das 3D-Projekt «Unlinger Reiter»
Der Übergang von formgebundenen Verfahren auf eine generative Fertigung eröffnet in der Archäologie neue Perspektiven zur wissenschaftlichen Auswertung und zur multiplen Ausstellung von Objekten. Bis vor wenigen Jahren konnten Fundobjekte ausschliesslich durch direktes Abformen nachgebildet werden. Dieses Verfahren birgt jedoch immer die Gefahr, die Originale zu beschädigen. Durch die generative 3D-Technik ist es heute möglich, Kopien berührungsfrei anzufertigen. Als spezialisierte Methode zur Digitalisierung von Objekten wurde beim «Unlinger Reiter» aus der Hallstattzeit die Röntgen-Computertomografie (CT) angewendet.
Dreidimensional röntgen und auswerten
Der Reiter aus Bronze wurde dreidimensional geröntgt und mit der Software «VG Studio Max 3.0» von Volume Graphics ausgewertet. Die dadurch gewonnenen STL-Daten ermöglichen es, das heutige industrielle Verfahren des 3D-Drucks auf die Archäologie zu übertragen und es dort anzuwenden. Mittlerweile ist der technische Fortschritt bei Materialvielfalt und Druckgenauigkeit enorm. Concept Laser stellte dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg für den 3D-Ausdruck seine LaserCUSING-Technologie in Form einer Mlab cusing zur Verfügung.
Vergleichbare Bronzelegierung für 3D-Druck gefunden
Die Werkstoff-Ingenieure von Concept Laser fanden auch eine, dem Original vergleichbare Bronzelegierung: Eine Kupfer-Zinn-Legierung von heute, die in Bezug auf Dichte und spezifisches Gewicht, ungefähr dem Artefakt aus dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. entspricht. Der genaue prozentuale Anteil von Kupfer und Zinn könnte noch mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse bestimmt werden. So wurde der «Unlinger Reiter» aus Bronze berührungsfrei und originalgetreu gedruckt. Der nachgebildete Reiter steht dem Originalreiter optisch und haptisch in nichts nach.
Fund für Wissenschaft - Kopie für Museum
Für die Archäologie eröffnet die generative Herstellung von originalgetreuen Repliken durch den 3D-Druck neue Perspektiven: Ein metallischer Fund kann zu wissenschaftlichen Zwecken verfügbar bleiben. Gleichzeitig kann seine Kopie aus dem 3D-Drucker in Ausstellungen den Besuchern als Artefakt zugänglich gemacht werden.
Ein historisches Fundobjekt kann prinzipiell mehrfach ausgedruckt und genutzt werden. Nur Experten könnten Unterschiede bei der Materialanalyse feststellen – denn das Pulver stammt aus der Gegenwart.
Auch Re-Engineering ist kein Tabu
Auch das Thema Re-Engineering ist kein Tabu: Im Prinzip würde es zukünftig auch möglich werden, ein stark beschädigtes Objekt zu rekonstruieren. Das Objekt könnte dann wieder die ursprüngliche Kontur annehmen, in der es gefertigt wurde. Die zerstörerischen Spuren der Geschichte an einem Objekt können so ausgeblendet werden.
Das Objektdesign stammt aus der Vergangenheit der Menschheit und erlaubt uns so einen Blick auf unsere Kulturgeschichte. Der 3D-Druck macht somit Geschichte plastisch erfahrbar.
Welche Bedeutung hat der 3D-Druck für die zukünftige Ausstellungspraxis?
Nicole Ebinger-Rist: Gezeigt wird die Replik in der Ausstellung «Der Unlinger Reiter – Kelten, Pferde, Wagenlenker», eine Ausstellung in zwei Museen, unter dem Aspekt, was moderne Technik heute leisten kann. Wichtig ist die detailgetreue Nachbildung ohne direkte Abformung, ohne mögliche Beschädigung von Fundobjekten. In der Welt der Museen werden Originale durch die Gegenüberstellung von Vergleichsobjekten in einer Ausstellung zusammengeführt.
Wichtig ist die detailgetreue Nachbildung ohne direkte Abformung, ohne mögliche Beschädigung von Fundobjekten.
Diese Vergleichssammlungen ermöglichen Ausstellungsbesuchern und wissenschaftlichen Forschern einen Einblick in einen historischen Kontext. Eine originalgetreue Replik kann so mehrfach, an verschiedenen Orten der Welt, museal zugänglich gemacht werden. Im Prinzip würde es zukünftig auch möglich werden, ein stark beschädigtes Objekt zu rekonstruieren. Das Objekt könnte dann wieder seine ursprüngliche Kontur annehmen. Wir könnten die zerstörerischen Spuren der Geschichte an einem Objekt quasi wegwischen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Partnern des 3D-Projekts?
Nicole Ebinger-Rist: Volume Graphics in Heidelberg brachte uns auf den Gedanken, die Möglichkeiten des 3D-Drucks in Metall zur Herstellung von Repliken zu nutzen. Im CT-Scanner konnten wir die Kontur des «Unlinger Reiters» berührungs- und zerstörungsfrei in STL-Daten erfassen.
Auf einer Maschine von Concept Laser konnten wir den Reiter im LaserCUSING-Verfahren ausdrucken. Concept Laser half uns auch mit der Expertise im Werkstoffbereich. Der historische Reiter besteht aus einer Kupferlegierung aus der Eisenzeit, und wir wollten kein Material für eine genaue Analyse abtragen. Die Experten des 3D-Metalldrucks fanden für uns eine Kupferlegierung, die vom spezifischen Gewicht und der Dichteverteilung sehr nahe an das Original herankommt. Das war für uns alle eine spannende Reise.
Überraschende Detailtreue
Wie überzeugend ist die Anmutung einer solchen Replik?
Nicole Ebinger-Rist: Mich hat die Detailtreue sehr überrascht. Plötzlich halten Sie ein Objekt aus dem 7. Jahrhundert vor Christus in den Händen, aber es besteht aus Pulver des 21. Jahrhunderts. Sie nehmen ein kulturgeschichtlich relevantes, kopiertes Artefakt in die Hand, blicken auf 28 Jahrhunderte, die seither vergangen sind, und sind einfach überwältigt.
Plötzlich halten Sie ein Objekt aus dem 7. Jahrhundert vor Christus in den Händen, aber es besteht aus Pulver des 21. Jahrhunderts.
Der 3D-Druck ist eine verrückte Technologie. Jeder archäologische Fundgegenstand hat seine eigene Magie, gerade wenn er so einzigartig ist wie der «Unlinger Reiter». Hält man dann aber die Nachbildung daneben, die dem Original eins zu eins gleicht, dann ist es schon etwas ganz Besonderes und für weitere Forschungen sehr bedeutend. Für Kuratoren, Restauratoren und Wissenschaftler öffnen sich ganz neue Türen.
Die ältere vorrömische Epoche der Eisenzeit in weiten Teilen Europas von etwa 800 bis 450 v. Chr. wird als Hallstattzeit bezeichnet. Bei dem «Unlinger Reiter» handelt es sich um die Grabbeigabe eines Fürstengrabes. Der keltische Adel der Hallstattzeit wurde in aufwendigen Hünengräbern beigesetzt. Diese Gräber wurden mit hochwertigen Grabbeigaben ausgestattet, um die Bedeutung der verstorbenen Person zu signalisieren. Diese Gräber waren zwar gesichert, wurden aber dennoch häufig durch Grabräuber ihrer kostbaren Schätze beraubt.
Wurde der «Unlinger Reiter» bei einem antiken Grabraub «vergessen»?
Dies war auch bei der Grabstätte Unlingen der Fall. Vermutlich wurde der «Unlinger Reiter» bei einem antiken Grabraub «vergessen» und konnte so durch die Archäologie für die Nachwelt erhalten werden. Die Reiterstatuette fand sich im beraubten Zentralgrab von Hügel 3 in Unlingen. Das herausragendste Fundstück der Grabung stammt aus der Zeit des 8./7. Jahrhunderts v. Chr. Es handelt sich um die bronzene Statuette eines Reiters auf einem Doppelpferd, die ursprünglich an einem anderen Objekt angebracht war. Dies könnte z. B. die Oberseite eines bronzenen Deckels oder die Fusskonstruktion eines grösseren Bronzegefässes gewesen sein. Das Objekt verdeutlicht die hohe Handwerkskunst jener Epoche in Umgang und Verarbeitung von metallischen Legierungen.
Entdeckung der gut erhaltenen keltischen Gräber sorgte für Aufsehen
Die Entdeckung und Ausgrabung der gut erhaltenen keltischen Gräber bei Unlingen im Sommer 2016 sorgten wegen ihrer aussergewöhnlichen Grabbeigaben für grosses Aufsehen. Einer der Funde, der «Unlinger Reiter» eine Bronzeplastik aus der Zeit um 700 vor Christus ist die älteste figürliche Reiterdarstellung Deutschlands. Dabei wird im Heuneburg-Museum im Herbertinger Ortsteil Hundersingen erstmals der beeindruckende Originalfund des «Unlinger Reiters» in der Sonderausstellung zum Thema Kelten, Pferde und Wagenlenker ab dem 14. Mai 2017 (bis 5.11.2017) gezeigt, zusammen mit weiteren Originalen aus dem Gräberfeld bei Unlingen.
Impressum
Textquelle: Concept Laser
Bilder: Concept Laser & Landesamt für Denkmalpflege im RPS
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