Mit dem digitalen Zwilling im Takt

Rundtakttisch virtuell konstruiert und optimiert

Ruggli AG setzt auf den digitalen Zwilling von Siemens

Mit dem digitalen Zwilling im Takt

Rundtakttisch virtuell konstruiert und optimiert

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Bei der Entwicklung einer Anlage für die Tamponherstellung setzte die Ruggli AG in Koblenz auf den digitalen Zwilling von Siemens. Der Rundtakttisch wurde im Vorfeld virtuell konstruiert und optimiert. Dank dieser sorgfältigen Vorbereitung konnten die Entwickler Zeit sparen und sich über eine reibungslose Inbetriebnahme freuen.


Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen


Die neueste Anlage der Ruggli AG ist ein Alleskönner: Sie fertigt Tampons für die Monatshygiene von «A» wie Applikator bis «Z» wie Zusammenschweissen der Schlauchbeutel für die Verpackung.

Die Anlage vereint viele Funktionen: Zuerst gelangen die Kunststoff-Rohlinge des Applikators, also der Tampon-Einführhilfe, auf einem ausgeklügelten Transportsystem mit Führungsbändern zur Maschine.

Roboter richten das Rohmaterial korrekt aus und stecken es auf Metalldornen am Rundtakttisch. Dort wird der mehrteilige Applikator zusammengesteckt und thermisch geformt. Die nächste Maschine stellt den eigentlichen Tampon aus Viskose her und fügt diesen in den Applikator ein, der durch Erwärmen verschlossen wird.

Schliesslich wird das Hygieneprodukt in einem Schlauchbeutel verpackt. Mehrere Kameras überprüfen laufend die Qualität jedes Stücks und sortieren fehlerhafte Produkte aus.

Anforderungen der Anlagen werden immer komplexer

Eine Anlage dieser Art ist auch für die Ruggli AG ein Novum, obwohl das Unternehmen seit über 50 Jahren kundenspezifische Anlagen zur Herstellung von Tampons entwickelt und baut.

Zum einen ist der Applikator ein neues Produkt, zum anderen besticht die Anlage durch die hohe Integration verschiedener Funktionen und durch die Verarbeitung unterschiedlicher Materialien.

Das Design der Anlage stammt gänzlich von Ruggli. Die rund 40 Mitarbeitenden in Koblenz decken von der Fertigung über die Inbetriebnahme bis zu Verkauf und Service alles ab; ein grosser Vorteil für die Kunden.

Als einziger Hersteller solcher Anlagen liefert das Koblenzer Unternehmen in die ganze Welt. Dazu Samuel Schuler, Leiter Forschung und Entwicklung bei Ruggli: «Die Anforderungen und Vorgaben für neue Aufträge werden immer komplexer und gleichzeitig steigt der Zeitdruck. Der Kunde möchte eine neue Anlage oft innerhalb weniger Monate geliefert haben und die Produktion der Tampons aufnehmen.»

Um diese Herausforderung der immer kürzeren Entwicklungszeit zu meistern, setzte Ruggli gemeinsam mit Siemens auf die Technologie des digitalen Zwillings.

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Die eingesetzte Technik in Kürze

Die schnelle, modular aufgebaute Steuerung SIMATIC S7-1500 ist in ihrer Funktionalität skalierbar und kann optimal auch an komplexe Maschinenkonzepte angepasst werden. Sie unterstützt alle gängigen Kommunikationsstandards.

Die interdisziplinäre Maschinenkonstruktions-Software NX Mechatronics Concept Designer (MCD) von Siemens PLM Software bringt Elektro-, Maschinenbau- und Automatisierungsingenieure zusammen.

Der modulare Antrieb Sinamics S120 ist der Systembaukasten im industriellen Maschinen- und Anlagenbau und ermöglicht massgeschneiderte Lösungen.

Der digitale Zwilling mags komplex

Ein Rundtakttisch, wie er bei der Produktion des Applikators zum Einsatz kommt, birgt ein gewisses Potenzial für Kollisionen. Der Tisch besitzt rundherum Dornen, um die Rohlinge aufzunehmen, und dreht sich alle zwei Sekunden ein Stück weiter. So entstehen pro Minute 120 fertige Applikatoren, die danach auf die Tampons aufgesetzt werden.

Als die Entwickler von Ruggli die Maschine fertig ausgelegt hatten, schlug Siemens vor, einen digitalen Zwilling des Rundtakttisches zu erstellen. Suy Siang Te, Application Engineer Digital Industries, erklärt: «Die Bewegung des Rundtakttisches ist heikel und wir wollten sie umfassend testen».

Die Experten des langjährigen Siemens PLM Partners BCT Technology GmbH führten Workshops und Schulungen vor Ort durch und konnte so den Kunden vom Siemens NX Mechatronic Concept Designer (MCD) Programm überzeugen.

Realistische Taktzeiten einrechnen

Ruggli stellte die CAD-Daten zur Verfügung und Suy Siang Te und sein Team konfigurierten die Bewegungen im MCD. So konnten die Ingenieure sehen, ob die eingerechneten Taktzeiten realistisch waren und wo Kollisionsgefahr bestand.

Die Zeit drängte, zeitweise arbeiteten drei Softwareentwickler gleichzeitig am Projekt: «Bei der Programmierung mussten wir die Steuerungen von drei Maschinenteilen und zwei Robotern berücksichtigen. Es galt, Software von mindestens fünf verschiedenen Anbietern zu integrieren und natürlich musste die Anlage als Ganzes funktionieren.»

Für diese komplexe Aufgabe mit mehreren Akteuren bietet sich der digitale Zwilling an: Die Eins-zu-eins-Darstellung der Mechanik hat den Vorteil, dass die Funktionalitäten auch visuell überprüft werden können. Dies vereinfacht die Kommunikation unter allen Beteiligten und vermeidet Missverständnisse.

Die Gefahr von Kollisionen lässt sich durch die virtuellen Tests bannen: Werden zum Beispiel bei der Programmierung versehentlich die X- und die Y-Achsen einer Bewegung vertauscht, fällt das im digitalen Abbild sofort auf. An der realen Anlage hätte ein solcher Fehler verheerende Auswirkungen.

Rundtakttisch: Mit digitalem Zwilling von Siemens optimiert
Über ein Transportband gelangen die Applikator-Rohlinge zum Rundtakttisch, wo sie weiterverarbeitet werden.
Schaltschrank mit Siemens Komponenten
Der Blick in den Schaltschrank zeigt: Die Ruggli AG setzt bei ihren weltweit eingesetzten Tamponmaschinen auf Komponenten von Siemens.

Digitaler Zwilling nicht nur zur Überprüfung der Mechanik

Nicht nur die Mechanik der Maschine kann so digital geprüft werden, auch die Schnittstellen lassen sich definieren, die Steuerung programmieren und Sicherheitsfunktionen testen.

Die Programmierer integrierten auch Motoren und Signale von Lichtschranken und testeten so das gesamte System − ohne den digitalen Zwilling könnte das komplexe Zusammenspiel der Komponenten erst zu einem sehr späten Zeitpunkt auf der realen Anlage getestet werden.

Schuler hat die Entwicklung in bester Erinnerung: «Wir haben Siemens früh ins Boot geholt, dadurch waren die Zuständigkeiten von Beginn weg klar. Wir konnten stets offen kommunizieren, was ich sehr schätzte.»

Verkürzte Programmierung dank digitalem Zwilling

Zwischen dem Start der Entwicklung und dem Beginn der Montage verging rund ein Jahr. Der Einsatz des digitalen Zwillings verkürzte die Dauer der Programmierung deutlich.

Suy Siang Te würde den Zeitgewinn gegenüber einer herkömmlichen Vorgehensweise auf etwa 20 % schätzen – inklusive der Erstellung des Zwillings notabene.

Das digitale Abbild ist auch interessant für künftige Aufträge, da die Funktionalitäten beliebig weiterentwickelt oder angepasst werden können.

Bei der Inbetriebnahme der Anlage blieben dank des digitalen Zwillings unliebsame Überraschungen aus. Steuerung, Antriebe und das neu entwickelte HMI spielen perfekt zusammen und lassen sich bequem im TIA Portal entwickeln, automatisieren und betreiben. Sollte später im Betrieb beim Endkunden ein Problem auftauchen, gewährleistet Siemens via Fernwartung den Support.

Schuler ist mit dem Projekt sehr zufrieden: «Nach der Montage konnten wir die Anlage schnell in Betrieb nehmen – so hatten wir trotz Termindruck genügend Zeit für Feineinstellungen und Optimierungen. Diese sind ausschlaggebend für die Qualität und Robustheit unserer Maschinen.»

Tests mit digitalem Zwilling von Siemens
Mit dem digitalen Zwilling konnten sowohl die Mechanik der Anlage als auch die Steuerungen zeitsparend entwickelt und umfassend getestet werden, bevor die reale Maschine in Betrieb genommen wurde.

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