Die Industrie und die Nachhaltigkeit

«Manchmal muss man einfach handeln»

 

Nachhaltig zu produzieren wird immer wichtiger. Doch mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung allein aus den eigenen Produktionsstätten ist es längst nicht mehr getan.

 

Ein Lagebericht zur Nachhaltigkeit in der Industrie.

 

Ein Artikel von Technik und Wissen

Autor: Eugen Albisser

Die Industrie und die Nachhaltigkeit

«Manchmal muss man einfach handeln»

 

Nachhaltig zu produzieren wird immer wichtiger. Doch mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung allein aus den eigenen Produktionsstätten ist es längst nicht mehr getan.

 

Ein Lagebericht zur Nachhaltigkeit in der Industrie.

 

Ein Artikel von Technik und Wissen

Autor: Eugen Albisser

Inhalt

Nachhaltigkeit - Chance und Herausforderung für die Industrie

Ein Interview mit Christine Roth, Swissmem

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Mit technische Lösungen an Maschinen zu mehr Nachhaltigkeit

Ein Interview mit Abdullah Sag, Leiter Qualitätsmanagement Chiron Group

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Ecodesign: Nachhaltige Produkte entwickeln

Ein Interview mit Rainer Züst, Geschäftsführer Züst Engineering


Was ist Nachhaltigkeit und was bedeutet sie für die Industrie? Eine von vielen Definitionen steht im 1987 veröffentlichten Brundtland-Bericht. Er trägt den Titel «Our Common Future» und stammt von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen. Dort steht geschrieben:

«Eine nachhaltige Entwicklung ist eine solche, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne dabei die Zustände zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen.»

Solche Definitionen sind noch nicht sehr begrenzt und daher schwer greifbar. Aus diesem Grund werden Konzepte und Modelle entwickelt, die griffige Kennzahlen und Grenzwerte liefern. Eines dieser Konzepte legt die «Planetare Belastbarkeitsgrenze» fest. Eine Forschergruppe hat dazu neun Bereiche ausfindig gemacht und jeweils rechnerisch deren Belastungsgrenze ausgelotet. Überschreiten wir diese, so lautet das Fazit, verlassen wir den sicheren Handlungsraum und setzen unsere guten Lebensbedingungen aufs Spiel.

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) erklärt in einem Einführungsvideo zum Thema «Planetare Belastbarkeitsgrenze»

«Manchmal muss man einfach handeln, denn wir sind vielleicht die letzte Generation, die das noch tun kann.»

Es folgt

Wie eine Wertschöpfungskette aussehen kann / Wie Schweizer Firmen mit hoher Qualität bereits einen Grundstein legen / Was der Verband Swissmem in Sachen Nachhaltigkeit unternimmt

Swissmem setzt sich offiziell für eine umweltschonende industrielle Produktion sowie einen verantwortungsbewussten und effizienten Umgang mit den natürlichen Ressourcen ein. Hat der Verband dafür ein konkretes Programm?

Christine Roth: Swissmem hält vor allem das Prinzip von guten Beispielen und Lernen von Unternehmen für Unternehmen hoch. Wir kooperieren dafür mit verschiedenen Akteuren. Zum Beispiel sind wir Partner der «Klimaplattform der Wirtschaft Zürich», an deren Business Lunches vor Ort von Unternehmen aufgezeigt wird, wie Nachhaltigkeit im unternehmerischen Umfeld umgesetzt werden kann.

Ausserdem ist Swissmem Gründungsmitglied des Vereins «Go for Impact», der sich der Stärkung des nachhaltigen Wirtschaftens verschrieben hat. Der Verein ist eine Kooperation zwischen verschiedenen Wirtschaftsverbänden wie Economiesuisse, Scienceindustries, Swiss Textiles und Öbu, und relevanten Playern wie dem BAFU, dem WWF, der Schweizerischen Umweltstiftung und PUSCH.

Wir identifizieren relevante Themen gemeinsam und versuchen in einem Multi-Stakeholder-Dialog gangbare Lösungen zu finden. Der Verein war massgeblich an der Entwicklung des Umweltpreises der Wirtschaft beteiligt, der tolle nachhaltige Lösungen prämiert.

Stärken und Schwächen der Schweizer MEM-Firmen

Wie gut sind Schweizer MEM-Firmen beim Thema «Nachhaltigkeit»? Wo sind die Stärken, wo die Schwächen?

Christine Roth: Die Prozesse sind aus ökologischer Sicht oft bereits optimiert. Die Schweizer Gesetzgebung gibt dazu einen umweltpolitischen Rahmen, der sich auf hohem Niveau laufend weiterentwickelt. Darüber hinaus bestehen Nachhaltigkeitspotenziale, die aufgrund der technologischen Entwicklung auch neu entstehen. Prozesseffizienz ist ein Kostenfaktor, also ein inhärentes unternehmerisches Anliegen, und sicherlich eine Stärke vieler Schweizer MEM-Unternehmen. Grundsätzlich ist die Innovationsfähigkeit der Schweizer Industrie sehr hoch. Das schlägt sich auch im Bereich Nachhaltigkeit nieder.

Verbesserungspotenzial besteht einerseits bei der Umsetzung des Chemikalienrechts, das immer komplexer wird und eigentlich nicht zum Kerngeschäft von MEM-Unternehmen gehört. Andererseits gibt es Potenzial bei der Auslotung neuer, nachhaltiger Geschäftsmodelle und bei der nachhaltigen Ausgestaltung der Lieferketten.

Bezüglich sozialer Aspekte der Nachhaltigkeit verweise ich auf die langjährige Sozialpartnerschaft in der MEM-Branche und dem entsprechenden Gesamtarbeitsvertrag. Besonders hervorzuheben ist die Berufsbildung, in der Swissmem sich stark engagiert.

Die Nachhaltigkeit und strengere Gesetze

Die Gesetze werden laufend verschärft in Sachen «Nachhaltigkeit». Welches sind die nächsten kommenden Gesetze und welche Auswirkungen haben sie für die MEM-Industrie?

Christine Roth: Die Revision des CO2-Gesetzes, das sich in der parlamentarischen Beratung befindet, hat für MEM-Unternehmen grosse Bedeutung. Die CO2-Abgabe ist je nach Betrieb ein relevanter Kostenfaktor und soll, international verglichen, sehr stark erhöht werden.

Das schweizerische Modell der Zielvereinbarungen mit der Energieagentur der Wirtschaft basiert darauf, dass Unternehmen sich von der Abgabe befreien können, wenn sie selber handeln und verbindlich Emissionsverminderungen in ihren Betrieben umsetzen. Damit wurden zahlreiche Projekte angestossen. Dieses System hat internationalen Vorbildcharakter und darf nach unserer Meinung nicht gefährdet werden, wenn wir das Potenzial inländischer Emissionsreduktionsmassnahmen bestmöglich ausschöpfen wollen.

Wie sehen Sie die weitere Verschärfungen zum Beispiel beim Chemikalienrecht?

Christine Roth: Im Chemikalienrecht und anderen Gebieten werden kontinuierlich Anpassungen an das EU-Recht vollzogen. Diese bedeuten tatsächlich eine laufende Verschärfung. Je nach neu regulierter Substanz ist der Aufwand für ein betroffenes Unternehmen gross, um eine Alternative zu finden, die es zum Teil gar nicht oder noch nicht gibt. Andere Unternehmen hingegen können durch ein proaktives weltweites Chemikalien-Compliance-Management gesundheitsgefährdende und umweltbelastende Risikostoffe identifizieren und eliminieren, lange bevor sie gesetzlich verboten werden.

Schlussendlich haben wir auch den EU Green Deal im Auge, in welchem sehr viele Aktivitäten verpackt wurden, zum Teil bestehende. Vieles ist noch vage. Angesichts des neuen EU-Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft sind aber weitergehende Produktanforderungen und Herstellerpflichten in diesem Bereich zu erwarten.

Was ist mit den Ecodesign-Richtlinien? Was müssen Firmen da beachten?

Christine Roth: Die Anforderungen der Ecodesign-Richtlinie der EU werden in der Schweizer Energieverordnung übernommen. Gerade kürzlich erfolgte eine solche Angleichung. Bisher wurden jeweils Energieeffizienz-Vorschriften für verschiedene Gerätekategorien gestellt. Neu kommen für gewisse Kategorien auch Anforderungen zugunsten der Kreislaufwirtschaft dazu; das sind zum Beispiel erleichterte Reparaturfähigkeit, lange Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Reparatur- und Wartungsinformationen für Werkstätten. Hersteller von Geräten müssen die für ihre Gerätekategorie spezifischen Anforderungen entsprechend erfüllen.

Nachhaltigkeit und die marktwirtschaftlichen Grundsätze

Swissmem setzt sich für «Nachhaltigkeit» ein, diese müssen aber marktwirtschaftlich Sinn machen. Das heisst mit anderen Worten: Nachhaltigkeit muss sich lohnen. Wie zeigt Swissmem den Mitgliedfirmen, dass Nachhaltigkeit und Marktwirtschaft sich nicht ausschliessen?

Christine Roth: Ökologische Nachhaltigkeit lohnt sich klassischerweise dort, wo Kosten für Material, Energie oder Entsorgung eingespart werden können. Augenfällig ist dies in eigenen Prozessen. Die Nachhaltigkeit der Schweizer MEM-Industrie zeigt sich aber oft im Produkt, das im Gegensatz zu Konkurrenzmodellen effizienter und nachhaltiger ist.

Wenn eine Maschine weniger Energie oder Material verwendet oder Ausschüsse in der Mehlproduktion vermindert, kommt die Nachhaltigkeit erst in der Nutzungsphase zum Tragen. Obwohl im Produkt beispielsweise mehr Sensoren und Elektronik verbaut wurden, ist die Lösung über den Lebenszyklus und die Wertschöpfungskette betrachtet trotzdem ökologischer. Die Wirkung entfaltet sich dabei aufgrund des sehr hohen Exportanteils der MEM-Branche vor allem im Ausland. Solche Themen vermitteln wir im «Basiskurs für Umweltbeauftragte» (siehe Box Umweltbeauftragte), welchen wir mindestens einmal pro Jahr durchführen.

Die Nachhaltigkeit und strengere Gesetze

Die Gesetze werden laufend verschärft in Sachen «Nachhaltigkeit». Welches sind die nächsten kommenden Gesetze und welche Auswirkungen haben sie für die MEM-Industrie?

Christine Roth: Die Revision des CO2-Gesetzes, das sich in der parlamentarischen Beratung befindet, hat für MEM-Unternehmen grosse Bedeutung. Die CO2-Abgabe ist je nach Betrieb ein relevanter Kostenfaktor und soll, international verglichen, sehr stark erhöht werden.

Das schweizerische Modell der Zielvereinbarungen mit der Energieagentur der Wirtschaft basiert darauf, dass Unternehmen sich von der Abgabe befreien können, wenn sie selber handeln und verbindlich Emissionsverminderungen in ihren Betrieben umsetzen. Damit wurden zahlreiche Projekte angestossen. Dieses System hat internationalen Vorbildcharakter und darf nach unserer Meinung nicht gefährdet werden, wenn wir das Potenzial inländischer Emissionsreduktionsmassnahmen bestmöglich ausschöpfen wollen.

Wie sehen Sie die weitere Verschärfungen zum Beispiel beim Chemikalienrecht?

Christine Roth: Im Chemikalienrecht und anderen Gebieten werden kontinuierlich Anpassungen an das EU-Recht vollzogen. Diese bedeuten tatsächlich eine laufende Verschärfung. Je nach neu regulierter Substanz ist der Aufwand für ein betroffenes Unternehmen gross, um eine Alternative zu finden, die es zum Teil gar nicht oder noch nicht gibt. Andere Unternehmen hingegen können durch ein proaktives weltweites Chemikalien-Compliance-Management gesundheitsgefährdende und umweltbelastende Risikostoffe identifizieren und eliminieren, lange bevor sie gesetzlich verboten werden.

Schlussendlich haben wir auch den EU Green Deal im Auge, in welchem sehr viele Aktivitäten verpackt wurden, zum Teil bestehende. Vieles ist noch vage. Angesichts des neuen EU-Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft sind aber weitergehende Produktanforderungen und Herstellerpflichten in diesem Bereich zu erwarten.

Was ist mit den Ecodesign-Richtlinien? Was müssen Firmen da beachten?

Christine Roth: Die Anforderungen der Ecodesign-Richtlinie der EU werden in der Schweizer Energieverordnung übernommen. Gerade kürzlich erfolgte eine solche Angleichung. Bisher wurden jeweils Energieeffizienz-Vorschriften für verschiedene Gerätekategorien gestellt. Neu kommen für gewisse Kategorien auch Anforderungen zugunsten der Kreislaufwirtschaft dazu; das sind zum Beispiel erleichterte Reparaturfähigkeit, lange Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Reparatur- und Wartungsinformationen für Werkstätten. Hersteller von Geräten müssen die für ihre Gerätekategorie spezifischen Anforderungen entsprechend erfüllen.

Nachhaltigkeit und die marktwirtschaftlichen Grundsätze

Swissmem setzt sich für «Nachhaltigkeit» ein, diese müssen aber marktwirtschaftlich Sinn machen. Das heisst mit anderen Worten: Nachhaltigkeit muss sich lohnen. Wie zeigt Swissmem den Mitgliedfirmen, dass Nachhaltigkeit und Marktwirtschaft sich nicht ausschliessen?

Christine Roth: Ökologische Nachhaltigkeit lohnt sich klassischerweise dort, wo Kosten für Material, Energie oder Entsorgung eingespart werden können. Augenfällig ist dies in eigenen Prozessen. Die Nachhaltigkeit der Schweizer MEM-Industrie zeigt sich aber oft im Produkt, das im Gegensatz zu Konkurrenzmodellen effizienter und nachhaltiger ist.

Wenn eine Maschine weniger Energie oder Material verwendet oder Ausschüsse in der Mehlproduktion vermindert, kommt die Nachhaltigkeit erst in der Nutzungsphase zum Tragen. Obwohl im Produkt beispielsweise mehr Sensoren und Elektronik verbaut wurden, ist die Lösung über den Lebenszyklus und die Wertschöpfungskette betrachtet trotzdem ökologischer. Die Wirkung entfaltet sich dabei aufgrund des sehr hohen Exportanteils der MEM-Branche vor allem im Ausland. Solche Themen vermitteln wir im «Basiskurs für Umweltbeauftragte» (siehe Box Umweltbeauftragte), welchen wir mindestens einmal pro Jahr durchführen.

Von der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle

Gibt es noch weitere Argumente für Investitionen in die Nachhaltigkeit?

Christine Roth: Für Investitionsentscheide zählen weitere Merkmale wie geringe Wartungsanfälligkeit, Langlebigkeit, Modularität, die als ökonomische Kriterien gleichzeitig auch zur Nachhaltigkeit beitragen. Schliesslich muss eine Lösung ökonomisch Sinn ergeben. Auch hier gilt: Gute Beispiele, Leuchtturmprojekte und Innovation zeigen die Chancen auf. Wir versuchen, solche Projekte hervorzuheben, zum Beispiel auf unserer neuen Website www.tecindustry.ch oder mit Nominationen für den Umweltpreis der Wirtschaft. Besonders herausfordernd ist die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, wie beispielsweise in der Kreislaufwirtschaft.

Wo sehen Sie da die Herausforderung?

Christine Roth: Von einem Verkaufsmodell in ein Mietmodell zu gehen, ist nicht trivial. Je nach Marktumfeld können jedoch grosse Potenziale ausgeschöpft werden. Wir haben die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft an unserer ersten Tagung der neuen Swissmem-Erfahrungsgruppe Energie & Umwelt für interessierte Mitglieder intensiv beleuchtet. Anschauungsbeispiel vor Ort war die Firma Avesco mit Caterpillar Baumaschinen, die Avesco repariert, komplett auffrischt, als Gebrauchtmaschine verkauft oder vermietet.


Nachhaltigkeitsbeispiel aus der Industrie

Mitarbeiter Komax mit Maschine, bei der der Ressourcenverbrauch erheblich reduziert wurde.

Komax entwickelt Maschinen für die Kabelverarbeitung. Bei der Entwicklung von neuen Maschinen achtet Komax darauf, dass der Ressourcenverbrauch stetig reduziert wird; sowohl im Produktionsprozess als auch während der Laufzeit der Maschine bei den Kunden. Im Rahmen der EnAW-Zielvereinbarung wurde das Kühlkonzept von zwei gefragten Maschinenmodellen optimiert. Hochgerechnet auf die Jahresproduktion dieser Modelle ergeben sich jährliche Stromeinsparungen von hunderten Megawattstunden. Bild: Stefan Kubli


Der Wert des Nachhaltigkeitsimages

Geht es bei der Nachhaltigkeit auch um ein bestimmtes Image und hätte dieses Image einen nennbaren marktwirtschaftlichen Wert?

Christine Roth: Image spielt auch eine Rolle, ist jedoch selten der Haupttreiber. Neben der Motivation, Kosten zu sparen, den Nachhaltigkeitsausweis zu verbessern und allenfalls neue Geschäftsmodelle zu realisieren, sind auch Risikoüberlegungen relevant. Diese haben klar einen Wert. Ich nenne einmal das Risiko unterbrochener Lieferketten und Produktionsstillstand aufgrund fehlender Bauteile, oder das Reputationsrisiko, das sich zukünftig in ausbleibenden Aufträgen niederschlagen kann.

In gewissen Subbranchen wie der Aufzugsindustrie sind Nachhaltigkeitsausweise der Produkte essenziell: Ohne diese hat ein Anbieter bei einer Ausschreibung gar keine Chance. Vermehrt werden umfassende Nachhaltigkeitsanforderungen von Kunden gestellt. Diese nicht einhalten zu können, kann ökonomisch ebenfalls den Wegfall von Aufträgen bedeuten.

Christine Roth, Ressortleiterin Umwelt, Swissmem

Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber Nachhaltigkeit setzt eine finanzielle Investition voraus. Das Investieren dürfte vielen Firmen nach der Corona-Krise schwerfallen. Was denken Sie: Wird man für eine gewisse Zeit weniger von Nachhaltigkeit hören?

Christine Roth: Tatsächlich ist oft zuerst eine Investition notwendig. Diese ist jedoch nicht zwingend gross und wird möglicherweise sogar finanziell unterstützt. Eine solche Möglichkeit im Bereich Ressourceneffizienz ist das Netzwerk Reffnet, dessen themenspezifische Berater mit einem Unternehmen eine Erstanalyse durchführen und einen Massnahmenplan aufstellen.

Der Wissenstransfer durch diese Beratung wird vom Bundesamt für Umwelt unterstützt. Ein weiteres erfolgreiches Instrument ist die bereits erwähnte Verminderungsverpflichtung respektive das Zielvereinbarungssystem. Dabei identifizieren und realisieren professionelle Berater der Energieagentur der Wirtschaft (EnAW) oder der Act Cleantech Agentur gemeinsam mit den Unternehmen wirtschaftliche Massnahmen zur Energieeffizienzsteigerung und für Emissionsreduktionen.

Und die angesprochene Corona-Krise?

Christine Roth: Die Corona-Krise wird in der Schweizer MEM-Branche starke Spuren hinterlassen, die erst in den nächsten Monaten voll ersichtlich sein werden. Wir gehen aber nicht davon aus, dass das Thema Nachhaltigkeit dabei in den Hintergrund rückt.

Um ökologische Nachhaltigkeit im Geschäft umsetzen zu können, muss sichergestellt sein, dass das Geschäft überhaupt weiterläuft, also die ökonomische Nachhaltigkeit gesichert bleibt. Durch die Corona-Krise sind die Unternehmen weiter unter Druck, Kosten, wo möglich zu senken. Bei der produzierenden Industrie gibt es in den Bereichen Energieeffizienz, Materialeffizienz und Emissionsreduktionen Potenzial für Projekte mit attraktiven Pay-back-Zeiten, mit denen jährlich wiederkehrende Ausgaben reduziert werden können.

Grundsätzlich ist es deshalb sinnvoll, nachhaltige Projekte weiterzuverfolgen und den Aspekt Nachhaltigkeit bei einer allfälligen Neuorientierung mitzudenken. Das kann neue betriebswirtschaftliche Perspektiven generieren, wie die erwähnten neuen Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft.

Umweltbeauftragte in der eigenen Firma

In der Schweiz gibt es keine gesetzliche Pflicht für einen Umweltbeauftragten. Je nach Aktivitäten eines Unternehmens kann es aber sein, dass eine Pflicht besteht, beispielsweise für einen Gefahrgutbeauftragten oder eine Chemikalien-Ansprechperson. Wichtiger Player sind Umweltbeauftragte im Umweltmanagement-System ISO 14'001.

Die Verantwortung liegt zwar beim Management, die Umweltbeauftragten sind jedoch zentral für die Implementierung, kontinuierliche Verbesserung und die Schnittstelle zwischen Management, Mitarbeitenden und Prozessen. Sie haben den Überblick über ökologisch relevante Aspekte und können Anregungen einbringen. Ausserdem können sie verschiedene Lösungen aus ökologischer Sicht grob gegeneinander abwägen und wissen zum Beispiel auch dank des «Basiskurses für Umweltbeauftragte» von Swissmem, wo sie für die Details nachfragen können.

Wunder vollbringen, so Christine Roth, können Umweltbeauftragte aber nicht: Ein Umweltmanagement-System ist immer nur so gut, wie es das gesamte Unternehmen umsetzt, vom Management bis zu den Lernenden.

Es folgt

Nachhaltigkeit bei Werkzeugmaschinen / Die Produktivität als Nachhaltigkeitsfaktor / Trendthemen im Maschinenbau / Mit Retrofit Ressourcen sparen

Nachhaltigkeit ist besonders im Maschinenbau ein grosses Thema – und dies auch in unserem nördlichen Nachbarland Deutschland. Maschinenbauer Chiron findet, dass Nachhaltigkeit einfach sein muss. «Für uns, für unsere Kunden und vor allem für nachfolgende Generationen. Qualität, Umweltschutz, Energie, Arbeits- und Gesundheitsschutz spielen bei unserem Handeln als Unternehmen eine herausragende Rolle und sind Verpflichtung für unsere Mitarbeiter», meint Abdullah Sag, Leiter Qualitätsmanagement bei der Chiron Group.

Herr Sag, ist Nachhaltigkeit ein offizieller Teil der Firmenstrategie von Chiron?

Abdullah Sag: Die Themen Compliance und Nachhaltigkeit sind, wie auch die Unternehmensstrategie, zentrale Elemente der Management- und Steuerungsprozesse und ihrer Bedeutung entsprechend, auf Leitungsebene angesiedelt.

Wir beziehen Nachhaltigkeitsaspekte in unsere Produktentwicklung ein. Unsere Bearbeitungszentren arbeiten immer effizienter, mit höherer Produktivität und geringerem Ressourceneinsatz. So leisten wir unseren Beitrag, damit unsere Kunden ihre Nachhaltigkeitsziele erfüllen können.

Abdullah Sag, Chiron: «Qualität, Umweltschutz, Energie, Arbeits- und Gesundheitsschutz spielen bei unserem Handeln als Unternehmen eine herausragende Rolle und sind Verpflichtung für unsere Mitarbeiter.» Bild: Chiron

Wie zeigt sich dieser Nachhaltigkeitsaspekt bei den Werkzeugmaschinen?

Abdullah Sag: Nachhaltigkeit spiegelt sich auch in einer Vielzahl technischer Lösungen, die sich in der Summe zu deutlich mehr Energieeffizienz addieren. Ich kann Ihnen hier ein paar aufzählen:

  • mehrspindlige Bearbeitung
  • sämtliche Motoren werden über frequenzgeregelte Antriebe oder IE3 Motoren umgesetzt
  • Rückspeisung der Bremsenergie der Servomotoren im Standard
  • Hydraulik-Aggregate im Speicher Lade-Betrieb
  • Konsequente Massenoptimierung aller bewegter Bauteile in der Werkzeugmaschine
  • Frässpindeln mit energieeffizienten Synchronmotoren und Asynchronmotoren mit der Funktionalität zur
  • Reduzierung des Magnetflusses im Teillastbetrieb
  • Rückkühlung der Maschine gegen das Kaltwassernetz des Kunden als Option
  • Powersafe Funktion zum bedarfsgerechten Abschalten der Maschine
  • digitale SmartLine Produkte zum effizienten Betrieb der Maschinen
  • konsequent virtuelle Inbetriebnahme der Maschinen und Simulation der Kundenprozesse zum Verkürzen von Einfahrzeiten/Inbetriebnahmen der realen Maschinen

Nachhaltige News

Energieverbrauch der Schweizer Industrie in Abhängigkeit von den Energiepreisen

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben gemeinsam mit britischen Ökonomen untersucht, wie sich der Energieverbrauch der Schweizer Industrie in Abhängigkeit von den Energiepreisen entwickelt. Dazu betrachteten sie insbesondere die Preise und den Verbrauch sowohl von Elektrizität als auch von Erdgas der vergangenen Dekaden. Ein Resultat: Preissteigerungen bei der Energie wirken sich meist nur langfristig auf den Energieverbrauch aus. Weiterhin erarbeiteten die Forschenden mögliche Szenarien für die künftige Entwicklung bis ins Jahr 2050, in denen sie unter anderem Aspekte des Klimaschutzes thematisieren. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forschenden in dem Bericht «Swiss Industry: Price Elasticities and Demand Developments for Electricity and Gas». (Textquelle: PSI)


Können Sie konkret eine Maschine nennen, bei der diese unterschiedlichen Technologien und Nachhaltigkeitsthemen zum Tragen kommen?

Abdullah Sag: Da könnte ich Ihnen natürlich gleich mehrere nennen. Aber Nachhaltigkeit ist zum Beispiel integraler Bestandteil der neuen Chiron-Baureihen 16, 22 und 25 und der Stama MT 733. Die Bearbeitungszentren haben eine sehr kompakte Aufstellfläche, die Doppelspindler fertigen in kürzerer Zeit deutlich mehr Werkstücke auf geringerer Fläche und mit demselben Energiebedarf. Automatische Werkzeugwechsel und hauptzeitparalleles Be- und Entladen der Magazine sind weitere Faktoren für kurze Durchlaufzeiten.

Die Produktivität als Nachhaltigkeitsfaktor sozusagen.

Abdullah Sag: Ja, denn je produktiver ein Bearbeitungszentrum Bauteile fertigt, desto sparsamer und damit nachhaltiger ist der Ressourceneinsatz an Fläche, Energie und Rohstoffen. Am besten zeigt sich dies am Beispiel der Bearbeitung von Werkstücken mit ein- oder mehrspindligen Systemen. Unser erklärtes Ziel ist es, dass eine doppelspindlige Fräsmaschine zwei Werkstücke in der Zeit fertigt, die eine einspindlige für ein Werkstück benötigt − natürlich ebenfalls mit bester Qualität. Der zusätzliche Flächen-, Energie- und Investbedarf für ein doppelspindliges Bearbeitungszentrum ist, in Relation zu einem einspindligen, sehr attraktiv.


Nachhaltigkeitsbeispiel aus der Industrie

Die Firma Spühl produziert Hochleistungsmaschinen zur Herstellung von Federkernen für Matratzen. Bei der Verarbeitung der Stahl- und Gusswerkstoffen werden Kühlschmierstoffe eingesetzt, die später wieder abgespült werden müssen. Nach herkömmlichem Verfahren wird dazu die Waschflüssigkeit mit elektrischen Heizstäben erwärmt. Im Rahmen des EnAW-Zielvereinbarungsprogramms hat Spühl die bestehende Anlage umgebaut, so dass die Energie zur Erwärmung des Wassers neu direkt aus der Abwärme der Kompressoren bezogen wird. So konnte das Unternehmen seinen Energiebedarf deutlich senken. (Foto: Stefan Kubli)


Mehr Nachhaltigkeit mit mehrspindligen Fertigungskonzepten

Können Sie da etwas über den Energieverbrauch sagen?

Abdullah Sag: Wenn wir den Energieverbrauch für die Herstellung eines Verdichterrades anschauen, so kommen wir auf einer einspindligen FZ 08 S five axis auf 100 Wh pro Bauteil; die doppelspindlige DZ 08 benötigt für zwei Bauteile nur 120 Wh. Das zeigt das enorme Potenzial für deutlich mehr Nachhaltigkeit mit mehrspindligen Fertigungskonzepten. Der durchschnittliche Taktzeitvorteil der Baureihe 16 im Vergleich zur Vorgängerreihe beträgt rund 20 Prozent. Man braucht weniger Maschinen und entsprechend weniger Peripherieaggregate wie Kühlmittel.

Sehen Sie aber beim Maschinenbau momentan bestimmte Trendthemen in Sachen «Nachhaltigkeit»? Und falls ja, welche Trends verfolgt Chiron im Speziellen?

Abdullah Sag: Als Gründungsmitglied der VDMA-Initiative «Blue Competence» übernehmen wir aktiv Verantwortung und setzen die definierten Nachhaltigkeitskriterien konsequent in unseren Produkten um. Dazu gehören neben einer verbesserten Energie- und Rohstoffeffizienz auch die konsequente Automatisierung der Werkzeugmaschine, ein optimales Umsetzen der Prozesse durch ganzheitliche Turnkey-Lösungen und ein komplett digitaler Ramp-Up unserer Kunden- und Entwicklungsprojekte.

Produktion in modernster Werkzeugmaschinenfabrik Europas

Wie sieht die Nachhaltigkeit eigentlich in der eigenen Fertigung aus?

Abdullah Sag: Wir richten selbstverständlich die Fertigung unserer Produkte ebenfalls nach nachhaltigen Kriterien aus. In unserer neuen Precision Factory wird die Abwärme der im Bau befindlichen Bearbeitungszentren konsequent für die Temperierung der Halle eingesetzt, der zusätzliche Bedarf an Energie für Heizung und Klimatisierung ist dadurch enorm niedrig. Das Gebäude wurde speziell für die hohen Anforderungen durch die neuen Baureihen realisiert, die seit Ende August 2019 am Standort in Neuhausen ob Eck gebaut werden.

Ressourcen sparen, Werte bewahren: Retrofit statt Neukauf

Bei den Nachhaltigkeitsthemen rückt die Betrachtung der ganzen Wertschöpfungskette und des Kreislaufes immer mehr in den Fokus. Bei Werkzeugmaschinen stellt sich die Frage: Was passiert mit den alten Maschinen?

Abdullah Sag: Nachhaltigkeit bedeutet tatsächlich nicht nur den sparsamen Umgang mit Rohstoffen und eine höhere Energieeffizienz bei Neuentwicklungen, sondern auch das Bewahren von Werten. Ein Bearbeitungszentrum, auch wenn es schon viele Jahre in Betrieb ist, stellt einen solchen Wert dar. CMS, ein Mitglied der Chiron Group, bietet Retrofit-Lösungen an, mit denen sich der Lebenszyklus bestehender Maschinen verlängern lässt. Und nicht nur das: Durch umfassende Modernisierung ist eine solche Maschine rundum fit für die Zukunft, ist produktiver und damit Ressourcen schonender. Mit einem Retrofit lassen sich, im Vergleich zu einem Neukauf, rund 75 Prozent Rohstoffe einsparen.

Gibt es Kunden, denen die Nachhaltigkeit wichtig ist und dies explizit verlangen? Falls ja, was sind die bevorzugten Nachhaltigkeitsziele?

Abdullah Sag: Wir erhalten von vielen Kunden, auch aus dem Ausland, regelmässig Lieferantenfragebögen. Dabei nehmen die Fragen zu Nachhaltigkeit stetig zu und werden konkreter. Vielfach fragen Kunden gezielt nach Zertifikaten für Umwelt- und Energiemanagement oder möchten die Unterlagen einsehen. Weiterhin verlangen Managementsysteme wie die DIN ISO 50001, dass bei der Auswahl von Maschinen die Energieeffizienz ein wichtiges Kriterium ist.

Die Situation im Maschinenbau

Was sich auch unabhängig von Gesetzen zeigt: Dass Firmen sich das übergeordnete Ziel setzen müssen, wegzukommen von der auf die eigenen Produktionsstätten beschränkten Nachhaltigkeitsberichterstattung. Denn die Umweltrelevanz dehnt sich auf die ganze Lieferkette aus und auch dort kann nach Verbesserungen gesucht werden. Doch wie sieht diese Wertschöpfungskette zum Beispiel für den Schweizer Maschinenbau aus? Im «Umweltatlas Lieferketten Schweiz» — vom BAFU herausgegeben — heisst es: «Insgesamt fallen fast 90 % der Gesamtumweltbelastung des Schweizer Maschinenbaus im Ausland an.» Im Bericht heisst es zwar auch, dass der Schweizer Maschinenbau im Vergleich zum globalen Mittel unterdurchschnittliche hohe Umweltintensitäten aufweist. Dennoch gibt es immer noch einen deutlichen Reduktionsbedarf.

Es folgt

Beweggründe für nachhaltige Produktentwicklung / Was ein nachhaltiges Produkt beeinflusst / Generische Vorgehensmodelle / Vorgehen bei Ecodesign / Wie Produktionsdesign die Welt verändern kann

Die bisherigen Beispiele und Interviews zeigen bereits, dass es unterschiedliche Zugänge gibt, um das Thema Nachhaltigkeit in der Firma zu verankern. Bei einem Zugang steht das eigene Produkt im absoluten Mittelpunkt. Die Firma Züst Engineering berät Firmen, die mittels Ecodesign solche nachhaltigen Produkte auf den Markt bringen wollen. «Im Kern geht es um das ‹noch bessere Produkt›, denn ‹grüne Pflästerli› bringen nichts, diese kosten nur», sagt Geschäftsführer Rainer Züst. Das Produkt als Gesamtes muss deshalb hinterfragt und optimiert werden.

Herr Züst, Sie beraten Firmen, die nachhaltige Produkte entwickeln wollen. Warum wollen Firmen nachhaltige Produkte entwickeln? Was sind deren Beweggründe?

Rainer Züst: Im Kern geht es um das «noch bessere Produkt», denn «grüne Pflästerli» bringen nichts, diese kosten nur. Das Produkt als Gesamtes muss deshalb hinterfragt und optimiert werden. Der Mehrwert für den Kunden, für die eigene Firma und auch für die Umwelt steht jetzt im Mittelpunkt. Da braucht es effizienter Planungsprozesse wie auch spezifisches Knowhow. Die Rede ist dann auch von «Ecodesign», die besondere Art noch bessere Produkte zu entwickeln!

Warum brauchen diese Firmen einen Fachmann wie Sie und eine Beratung?

Rainer Züst: Der effiziente Einstieg ins Thema «Ecodesign» stellt vielfach das grösste Problem dar: Was könnte Ecodesign für die eigene Firma und die eigenen Produkte bedeuten? Welche Potenziale ergeben sich daraus am Markt? Was kostet ein Zuviel in Geld und Umwelt?

Zentral dabei sind neue Sichtweisen, andere Wahrnehmungen. Erfolgversprechend ist vielfach das Life-Cycle-Thinking, das systematische Denken in einzelnen Produktlebensabschnitten:

  • Welcher Material- und Energiebedarf besteht in den einzelnen Produktlebensabschnitten?
  • Was wird damit erreicht? Wie beeinflussen zum Beispiel die Kunden die Effizienz der Produkte?
  • Wie könnte man dies verbessern?
  • Braucht es dazu zusätzliche Assistenzsysteme, also Smartness?

Vielfach genügt eine systematische, auf Hauptprobleme ausgerichtete Analyse. Damit lassen sich einfach weitere Produktanforderungen formulieren, welche dann im bestehenden Produktentwicklungsprozess abgearbeitet werden.

Wie Produktdesign die Welt verändern kann

«Von Anfang an richtig» muss das Motto heissen

Welche Aspekte beeinflussen am meisten ein nachhaltiges Produkt?

Rainer Züst: Zentral ist die frühe Phase der Produktentwicklung: «Von Anfang an richtig» muss das Motto heissen. Spätere Anpassungen und Korrekturen sind aufwändig und verzögern den Entwicklungsprozess. So ist ein Misslingen bereits vorprogrammiert. Die frühe Phase der Produktentwicklung ist dadurch gekennzeichnet, dass noch wenige und vielfach noch ungenaue Daten und Informationen vorliegen; da braucht es eine systematische Auseinandersetzung mit Unsicherheit und Ungewissheit, idealerweise auch ein interdisziplinäres Arbeiten.

Stehen da Hilfsmittel zur Verfügung?

Rainer Züst: In der Praxis haben sich hier «Ecodesign-Workshops» als sehr erfolgreich erweisen. Eine erste Umweltanalyse wird zuvor vorbereitet und dann im Team breit diskutiert. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Rahmenkonzept respektive ein erster Entwurf von einem neuen Produkt den Anforderungen an die Nachhaltigkeit entspricht.

Einsatz generischer Vorgehensmodelle

Gibt es auch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man zu einem nachhaltigen Produkt kommt?

Rainer Züst: Ja, es gibt «generische Vorgehensmodelle». Diese bauen auf bekannte und vielfach erfolgreich eingesetzte Problemlösemethodiken auf, zum Beispiel die an der ETH Zürich entwickelte Methodik «Systems Engineering» für beliebig komplexe Fragestellungen der Systemgestaltung oder dann der DMAIC-Prozess für bereits bestehende Produkte, welche im Sinne eines KVP-Prozesses weiter optimiert werden sollen. Der Ablauf nach DMAIC erfolgt vielfach im Kontext von Lean-Six-Sigma-Studien.

Für bestimmte Fragestellungen, wie beispielsweise die Optimierung von komplexen «mechatronischen Systemen», haben wir eigene Methoden & Tools entwickelt, welche wir auch in Vorlesungen an der ETH Zürich und an der Universität Karlsruhe verwenden. Damit können in der frühen Produktplanung bereits in sehr kurzer Zeit belastbare Analysen und Auswertungen durchgeführt werden.

Die belastbare Umweltanalyse zu Beginn der Produktentwicklung

Kann man bereits zu Beginn der Produktentwicklung die Umweltauswirkungen erkennen?

Rainer Züst: Dieser Schritt ist sogar zentral: Ohne belastbare Umweltanalyse zu Beginn der Produktentwicklung lassen sich keine umweltgerechten Produkte entwickeln! Diese Analysen sind zwingend notwendig und müssen zum Teil mit noch unsicheren Daten und Informationen erstellt werden.

Worum geht es bei dieser Beurteilung?

Rainer Züst: Es geht um zwei Aspekte: Zum einen, um die Systemabgrenzung und die Fragen: Was gehört alles dazu? Was könnte hier noch wichtig sein? Was für Interaktionen gibt es? Wenn hier bereits Fehler passieren und Effekte und Systemteile verloren gehen, ist die Umweltanalyse nur bedingt nützlich. Zum anderen müssen bereits zu einem frühen Zeitpunkt die einzelnen Material- und Energieflüsse abgeschätzt und unter ökologischen Kriterien bewertet werden.

Anhand welcher Kriterien oder Indikatoren?

Rainer Züst: Solche Bewertungen können auf Basis von Indikatoren wie Masse oder Energiebedarf oder dann auf Basis von Umweltwirkungen wie zum Beispiel Klimaschädigung oder Umweltbelastungen erfolgen. Auch hier wieder: Ohne belastbares Produktmodell − im Sinne eines umfassenden Life-Cycle-Thinking − ist eine Umweltbewertung nicht möglich. Und «last but not least»: In der frühen Phase der Produktentwicklung geht es darum, zu erkennen, welche Aspekte aus Umweltsicht relevant sind.

Einsatz generischer Vorgehensmodelle

Gibt es auch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man zu einem nachhaltigen Produkt kommt?

Rainer Züst: Ja, es gibt «generische Vorgehensmodelle». Diese bauen auf bekannte und vielfach erfolgreich eingesetzte Problemlösemethodiken auf, zum Beispiel die an der ETH Zürich entwickelte Methodik «Systems Engineering» für beliebig komplexe Fragestellungen der Systemgestaltung oder dann der DMAIC-Prozess für bereits bestehende Produkte, welche im Sinne eines KVP-Prozesses weiter optimiert werden sollen. Der Ablauf nach DMAIC erfolgt vielfach im Kontext von Lean-Six-Sigma-Studien.

Für bestimmte Fragestellungen, wie beispielsweise die Optimierung von komplexen «mechatronischen Systemen», haben wir eigene Methoden & Tools entwickelt, welche wir auch in Vorlesungen an der ETH Zürich und an der Universität Karlsruhe verwenden. Damit können in der frühen Produktplanung bereits in sehr kurzer Zeit belastbare Analysen und Auswertungen durchgeführt werden.

Die belastbare Umweltanalyse zu Beginn der Produktentwicklung

Kann man bereits zu Beginn der Produktentwicklung die Umweltauswirkungen erkennen?

Rainer Züst: Dieser Schritt ist sogar zentral: Ohne belastbare Umweltanalyse zu Beginn der Produktentwicklung lassen sich keine umweltgerechten Produkte entwickeln! Diese Analysen sind zwingend notwendig und müssen zum Teil mit noch unsicheren Daten und Informationen erstellt werden.

Worum geht es bei dieser Beurteilung?

Rainer Züst: Es geht um zwei Aspekte: Zum einen, um die Systemabgrenzung und die Fragen: Was gehört alles dazu? Was könnte hier noch wichtig sein? Was für Interaktionen gibt es? Wenn hier bereits Fehler passieren und Effekte und Systemteile verloren gehen, ist die Umweltanalyse nur bedingt nützlich. Zum anderen müssen bereits zu einem frühen Zeitpunkt die einzelnen Material- und Energieflüsse abgeschätzt und unter ökologischen Kriterien bewertet werden.

Anhand welcher Kriterien oder Indikatoren?

Rainer Züst: Solche Bewertungen können auf Basis von Indikatoren wie Masse oder Energiebedarf oder dann auf Basis von Umweltwirkungen wie zum Beispiel Klimaschädigung oder Umweltbelastungen erfolgen. Auch hier wieder: Ohne belastbares Produktmodell − im Sinne eines umfassenden Life-Cycle-Thinking − ist eine Umweltbewertung nicht möglich. Und «last but not least»: In der frühen Phase der Produktentwicklung geht es darum, zu erkennen, welche Aspekte aus Umweltsicht relevant sind.

Energiebedarf in der Herstellung versus Energiebedarf in der Nutzung

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Nehmen wir das Beispiel eines Geräteherstellers. Dieser entwickelt, produziert und vertreibt Produkte, die in der Nutzung beim Kunden einen zusätzlichen Energiebedarf bewirken. Es geht deshalb zunächst um die Frage: Was ist umweltkritischer: die Herstellung des Geräts oder der nachfolgende Betrieb?

Für solche Fragestellungen erstellen wir ein Energieprofil. Auf Basis von KEA-Listen − KEA steht für kumulierter Energieaufwand − ermitteln wir den Energiebedarf in der Herstellung und vergleichen ihn mit dem Energiebedarf in der Nutzung. Hier ist es wichtig, dass unterschiedliche Nutzungsszenarien vorliegen, denn nicht jeder Kunde und jedes Kundensegment nutzt das Produkt in derselben Intensität.

Was muss dann im Sinne eines Ecodesigns passieren, wenn ein Ungleichgewicht berechnet wird zwischen dem Energiebedarf in der Herstellung und in der Nutzung?

Ist der Energiebedarf in der Nutzung deutlich höher als für die Materialbereitstellung und Herstellung des Produkts, sprechen wir von «aktiven Produkten». Bei diesen müsste unter der Prämisse eines nachhaltigen Produkts der Energiebedarf in der Nutzung reduziert werden. Das kann sein mittels effizienteren Funktionen, intelligentem Standby-Management, weniger Reibung und Verluste.


Zum Downloaden und Weiterlesen

Energieeffiziente Produktionsmaschinen
Planungshilfen für die MEM-Industrie

Abwärmenutzung bei Produktionsmaschinen

Eine Produktion von Energie Schweiz und Swissmem


Sie unterrichten auch Ecodesign an der ETH Zürich. Wie beliebt ist das Thema bei den Studenten und sehen Sie da eine Kluft zwischen den Interessen der Studenten an Ecodesign und der Entwicklung bei den Firmen?

Das Thema «Ecodesign» hat an Bedeutung gewonnen; aktuell besuchen rund 90 Studierende das Wahlfach «Ecodesign»; es sind mehrheitlich Studierende des Maschinenbaus. Vor einigen Jahren waren es noch etwa 30. Auf die Frage nach der Motivation, sich mit Ecodesign zu beschäftigen, bekam ich eine sehr erfreuliche Antwort: Wir wollen unsere Maschinen und Geräte auch in einem grösseren Kontext sehen, heisst es etwa. Ich denke, dass dies genau die richtige Motivation ist, um sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Es geht um eine umfassende Sichtweise und um eine umfassende Optimierung!

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Autor: Eugen Albisser

Bildquellen: diverse

Publiziert von Technik und Wissen

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