Medtech Schweiz - Kanülen der Schweizer Medtech-Firma Oertli
Medizintechnik aus der Schweiz: Kanülen der Firma Oertli. (Bild: Ruben Sprich, Technik und Wissen)

Wie geht es der Schweizer Medtech-Branche knapp ein halbes Jahr nach Rückstufung auf Drittstaat? Mit dieser Frage beschäftigen sich an der Konferenz von Swiss Medtech über fünfhundert Teilnehmende. Die Antwort: Für den Export von Medizinprodukten gemäss neuer EU-Regelung ist die Branche den Umständen entsprechend gut aufgestellt. Alarmierend ist die Situation beim Import. Mit den hausgemachten Import-Hürden gefährdet die Schweiz die Gesundheitsversorgung ihrer eigenen Bevölkerung. Swiss Medtech fordert daher dringend eine Änderung der nationalen Medizinprodukteverordnung.


Redaktionelle Bearbeitung durch Technik und Wissen

Die diesjährige Konferenz von Swiss Medtech zur Medizinprodukteregulierung steht ganz im Zeichen der neuen Realität Drittstaat, in der sich die Schweizer Medizintechnikindustrie seit Mai dieses Jahres im Verhältnis zur Europäischen Union (EU) – ihrem wichtigsten Handelspartner – befindet. Welche Konsequenzen hat die Blockade mit der EU auf die bisher von Erfolg geprägte Schweizer Medizintechnikindustrie? Welches sind die akuten Probleme und wie könnten sie gelöst werden? 

Export: Die Schweizer Medtech-Branche hat sich arrangiert

Die Schweizer Medtech-Branche hat das Szenario Drittstaat zu grossen Teilen antizipiert und sich zwei Jahre mit grossem Einsatz darauf vorbereitet, die Zusatzanforderungen für den lückenlosen Export ihrer Ware in die EU zu erfüllen. Dazu gehören im Wesentlichen die Benennung eines Bevollmächtigten im EU-Raum, der stellvertretend Herstelleraufgaben und die solidarische Produktehaftung übernimmt, sowie die Neubeschriftung der Produkte. Heute sind fast alle Unternehmen entsprechend aufgestellt. Die Rechtslage ist klar: Wer MDR¹-Produkte in die EU-exportieren will, muss die Drittstaat-Anforderungen erfüllen. Demgegenüber besteht in Bezug auf die Medizinprodukte mit bestehenden Zertifikaten (sog. MDD²-Produkte bzw. altrechtliche Produkte) nach wie vor Rechtsunsicherheit. Dürfen sie von der Übergangsfrist bis Ende 2024 profitieren oder nicht? Die EU sagt Nein, die Schweiz sagt Ja. Jedes Unternehmen muss in diesem rechtlichen Schwebezustand eine eigene Risikoabwägung machen. 


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Import: Alarmierende Situation

Mit Inkraftsetzung der nationalen Medizinprodukteverordnung (MepV) am 26. Mai 2021 hat der Bundesrat hohe Import-Hürden für ausländische Hersteller aufgestellt. Damit schadet die Schweiz nicht nur der heimischen Medtech-Industrie, sondern gefährdet darüber hinaus die Gesundheitsversorgung ihrer eigenen Bevölkerung. Branchenumfragen zeigen, dass jedes achte der heute in der Schweiz verwendeten Medizinprodukte künftig nicht mehr verfügbar sein wird. Der Grund: Nicht alle ausländischen Hersteller sind bereit, zusätzliche Anforderungen einzig und allein für den kleinen Absatzmarkt Schweiz zu erfüllen. «Zurzeit sind uns Einzelbeispiele von Lieferstopps bekannt. Ab zweite Hälfte nächsten Jahres wird es breit spürbare Versorgungslücken geben», ist Dr. Daniel Delfosse, Leiter für Regulierungsfragen von Swiss Medtech, überzeugt.

Die MepV wurde mit hohen Import-Hürden in Kraft gesetzt

Bereits im Frühling dieses Jahres hat der Verband zusammen mit anderen Gesundheitsakteuren in einem offenen Brief an den Bundesrat auf die alarmierende Situation aufmerksam gemacht. Ohne Erfolg: Die MepV wurde mit hohen Import-Hürden in Kraft gesetzt. 

Dem Verband ist bewusst, dass der Bundesrat die MRA³-Aktualisierung und damit den Schlüssel zum freien gegenseitigen Warenhandel nicht allein in der Hand hat, sondern auch die EU bereit dazu sein muss. «Umso wichtiger ist es, dass der Bundesrat die Regeln des Imports, die er mittels MepV unabhängig von der EU einseitig festlegen kann, zum Wohle der Schweiz trifft. Das ist heute nicht der Fall», sagt Delfosse. Mit der MepV hat die Schweiz das von der EU übernommene Recht (MDR) noch zusätzlich verschärft (Swiss Finish). «Die Vorlage funktioniert in der Realität nicht. Wir fordern eine dringende Änderung. Mit ein paar wenigen Anpassungen der Verordnung könnte das sich anbahnende Versorgungsproblem massiv entschärft werden. Die Schweizer Regierung hat das allein in der Hand», so Delfosse.

Zukunft: Beziehung mit der EU auf eine solide Basis stellen

Nebst den kurzfristigen negativen Konsequenzen darf der langfristige Schaden für den bisher attraktiven Medtech-Standort Schweiz nicht vergessen gehen. «Vielen Entscheidungsträgern scheint nicht bewusst zu sein, wie sehr die Blockade mit der EU der Attraktivität der Schweiz als Wirtschaft- und Forschungsplatz bereits geschadet hat und schaden wird. Der Verband wird sich deshalb weiterhin mit ungebrochenem Engagement mit Partnern und in Allianzen dafür einsetzen, dass die Beziehung der Schweiz mit der EU auf eine solide und dauerhafte Grundlage gestellt wird», sagt Beat Vonlanthen, Präsident von Swiss Medtech.


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