Augmented Reality bietet viele Vorteile für Unternehmen. Wie diese genau aussehen und wieso sich der Einstieg trotz der hohen Anschaffungskosten schnell rechnet, erklärt Urs Rüegg von Microsoft Schweiz.
Von Markus Back (Text) und Ruben Sprich (Fotos)
Welchen konkreten Nutzen bringt die Hololens industriellen Anwendern?
Die Hololens überlappt die Realität mit der Virtualität, was sich dazu benutzen lässt, um Mitarbeitende anzuleiten und damit deren Arbeit effizienter zu gestalten. Das ist beispielsweise in Trainingsschritten möglich, bei denen diese im Kontext zur realen Maschine einen Schritt nach dem anderen gezeigt bekommen und so eigenständig lernen, was zu machen ist. Die Brille ist mit einer Kamera und Mikrofon ausgestattet und so können Servicemitarbeitende über diese Unterstützung hinzuziehen und haben dennoch beide Hände zum Arbeiten frei.
Hololenses brauchen keine Programmierkenntnisse
Muss die Hololens programmiert werden?
Es muss einmalig eine Software installiert werden, über die sich dann sämtliche Anwendungen wie Dynamics 365 Guides and Remote Assist konfigurieren lassen. Es werden also keine Programmierkenntnisse benötigt. Für Dynamics 365 Guides können die Arbeits- oder Anweisungsschritte wie auf einem Blatt Papier definiert werden und lassen sich durch Einbinden von Aktionen, Bildern und Videos zu einer Anleitung zusammenfügen. Abschliessend müssen lediglich die virtuellen Objekte im Kontext der physischen Applikation platziert werden.
Entscheidend ist hierbei die Erfahrung des Konfigurierenden. Wenn dieser zum Beispiel eine Schulungsanwendung umsetzen soll, hilft es, wenn er weiss, wie Lerninhalte vermittelt werden. Dazu braucht es keine Programmierkenntnisse, aber fachliches Wissen, damit die Trainingseinheit verständlich aufgebaut und vermittelt werden kann.
Bietet Microsoft hierbei Unterstützung?
Wir stellen eine Bibliothek an Trainingsmaterial zur Verfügung, die alles bereitstellt, was es braucht, um Anwendungen zu konfigurieren. Ergänzt werden diese um wertvolle Hinweise hinsichtlich des Aufbaus von Schulungen.
Einsatz von Hololens in Schweizer Firmen
Gibt es Schweizer Unternehmen, welche die Hololens bereits einsetzen?
Es gibt inzwischen einige Unternehmen in der Schweiz, die mit unserer Technologie arbeiten. Einen Schub erlebten wir zu Beginn der Covid-19-Pandemie, als viele Unternehmen wegen der Kontaktbeschränkungen die Belegschaft in ihren Fabriken auf ein Minimum reduzieren mussten. Dank der Hololens konnten die Mitarbeitenden vor Ort aber bei einer Störung oder im Servicefall aus der Ferne instruiert werden.
Wie waren die Rückmeldungen dieser neuen Anwender?
Die Haptik kommt sehr gut an und spätestens nach einer Viertelstunde weiss ein Erstanwender, wie er mit der Hololens umzugehen hat. Das Hindernis ist für viele Unternehmen der Anschaffungspreis von knapp 3000 Schweizer Franken für ein Gerät. Wenn man diesen Betrag jedoch im Kontext einer Anwendung sieht, rechnen sich diese Kosten sehr schnell. Mit der Hololens kann ein Servicetechniker aus der Ferne Unterstützung geben und muss nicht von A nach B geflogen und dort teuer im Hotel untergebracht werden.
Zur Person Urs Rüegg
Urs Rüegg begann seine berufliche Laufbahn in der Hardware-Entwicklung und qualifizierte sich im Abendstudium zum Elektro-Ingenieur. Dieses war der Schlüssel für den Schritt in die Selbstständigkeit und die Gründung einer ersten Firma, die für die Zürcher Stadtpolizei eine Mobile Software für die Bussenerfassung entwickelte. 1990 stieg er bei Microsoft Schweiz ein. Dort war elf Jahre in verschiedenen Rollen tätig, bevor er 2001 mit Kollegen eine zweite Firma gründete. Diese spezialisierte sich auf Geschäftsapplikationen und war bis zum Verkauf 2009 auf 75 Mitarbeitende angewachsen. Seit 2018 ist der 56-Jährige wieder für Microsoft Schweiz im Bereich «Business-Applikationen und deren Einsatz im Presales» tätig. Urs Rüegg ist verheiratet und Vater eines Sohnes.
Hohe Anschaffungskosten für Hololens von Microsoft: Warum?
Woraus resultiert dieser hohe Anschaffungspreis?
Die Hololens basiert auf Windows Holographic OS, welches zwei optimierte Hochleistungschips, einen für das Betriebssystem und einen für die 3D-Positionierung und Grafikaufbereitung, bereitstellt. Beide sind extrem leistungsstark und lassen sich nicht mit herkömmlichen Chips aus Mobiltelefonen vergleichen. Wenn ein Smartphone für Augmented Reality genutzt wird, lassen sich auf diesem spätestens nach zwanzig Minuten wegen der Verlustleistung Spiegeleier braten. Unsere Chips bewahren dagegen über Stunden hinweg einen kühlen Kopf.
Ein weiterer Kostenpunkt sind die integrierten Kameras, welche die Blickrichtung des Trägers identifizieren können. Da der Bildaufbau direkt vor das Auge des Trägers projiziert wird, muss alles stimmen. Daher braucht es eine hochfunktionale Mechanik für die Spiegel, damit das Bild für den Betrachter Lage genau aufgebaut wird und sich präzise ins reale Umfeld einpasst.
Wie wirkt sich diese Leistungsfähigkeit auf den Energieverbrauch der Hololens aus? Lässt sich mit dieser einen ganzen Tag lang arbeiten oder muss diese spätestens nach zwei Stunden wieder ans Ladegerät?
Die Akkulaufzeiten betragen je nach Anwendung fünf bis acht Stunden. Wenn ein Videostream beispielsweise permanent in die Cloud übertragen wird, braucht es mehr Leistung als wenn die Brille lediglich anzeigen muss, wo ein Gegenstand zu platzieren ist. Dafür müssen lediglich die räumlichen Koordinaten bekannt sein, was nicht wirklich viel Energie braucht.
Gibt es äussere Einflüsse, die sich auf die Zuverlässigkeit der Hololens auswirken?
Es gibt den Fall eines Liftherstellers, der unser Produkt für die technische Abnahme seiner Fahrstühle einsetzen wollte. Das hat soweit auch ganz gut funktioniert, bis es zur Abnahme der Fahrstuhlkabine kam. Weil deren Aluminiumverkleidung über keine klaren Kanten verfügte, konnte sich die Hololens nicht absolut positionieren. Für das menschliche Auge sind diese fehlenden, klaren Kanten überhaupt kein Problem, für die Sensorik aber sehr wohl. Ein anderer Bereich, in dem es nicht immer einwandfrei funktioniert, sind Tunnels oder Stollen. Hier kann die Verbindungsqualität teilweise zu Einschränkungen führen.
Einsatz der Hololens bei Operationen
Gibt es Branchen, welche die Hololens verwenden, von denen man es eher nicht erwarten würde?
Das Unispital Balgrist setzt Hololens bei schwierigen Wirbelsäulenoperationen ein. Während dieser trägt der Facharzt eine Hololens und erhält aus der Ferne Unterstützung von anderen Spezialisten. In einem anderen Fall legte ein Inspektor für die Bauabnahme in der Hololens den Gebäudeplan über das bestehende Gebäude. So sah er gleich beim Betreten des Gebäudes, ob die Türe richtig herum aufgeht und ob sie auch am richtigen Ort verbaut ist.
An welchen weiteren Neuerungen arbeitet Microsoft in diesem Bereich?
Die erste Hololens war schwer und vorlastig. Die zweite Version gleicht das besser aus und lässt sich durch das ausbalancierte Gewicht angenehm tragen. Ausserdem kam mit dieser die Augen- und Hand-Interaktion hinzu, also, wo schaut deren Träger hin oder wonach greift dieser. Der nächste Schritt wird sein, das Gerät noch kompakter zu bauen, weiter zu vereinfachen und es um einen kollaborativen Modus beziehungsweise um Mesh-Technologie zu ergänzen. Dieses Interview müssten wir zukünftig also nicht mehr gemeinsam an einem Ort führen, sondern könnten uns über Avatare austauschen.
Ausgabe 017 mit Schwerpunkt «Digitale Assistenten für Gebäude und Fabrik»
Lesen Sie in Ausgabe #017 unseres Printmagazins (erscheint Mitte April) den Selbstversuch mit der Hololens von unserem Print-Chefredaktor Markus Back.
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Impressum
Autor: Markus Back
Bilder: Ruben Sprich
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
Eine Publikation von Technik und Wissen
Informationen
Microsoft Schweiz GmbH
microsoft.com
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