Stahlguss-TRIP-TWIP
Bei Gebirgsankern, die Felswände entlang von Verkehrswegen, Tunnelwände oder Abbauräume im Untertagebau sichern, kann ins Sicherungsnetz stürzendes Gesteinsmaterial zu Schäden im Anker führen. Bei der untersuchten, kaltumgeformten Legierung bewirkt diese Belastung eine erneute Verfestigung des Materials. Auch Verbindungselemente profitieren von diesem Effekt. (Bild: Fraunhofer)

Ein neu entwickelter TRIP/TWIP-Stahlguss des Fraunhofer IWU und der TU Bergakademie Freiberg kombiniert hohe Festigkeit mit plastischer Verformbarkeit – ideal für sicherheitskritische Bauteile im Fahrzeug-, Luftfahrt- oder Infrastrukturbereich.


Ein Beitrag der Firma Fraunhofer IWU
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen

Dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU und der TU Bergakademie Freiberg ist ein bedeutender Fortschritt in der Stahlgusstechnologie gelungen: Ein kupferlegierter, austenitischer Stahlguss, der sich kalt umformen lässt und gleichzeitig durch den TRIP- und TWIP-Effekt eine bisher nicht erreichte Kombination aus Festigkeit und Duktilität aufweist.

Der Werkstoff ist speziell für Anwendungen mit hohen Sicherheitsanforderungen konzipiert. Seine Mikrostruktur verändert sich unter mechanischer Belastung gezielt – was ihn besonders widerstandsfähig macht.

Was bewirken TRIP und TWIP?

Die mechanischen Eigenschaften beruhen auf zwei mikrostrukturellen Effekten:

TRIP (Transformationsinduzierte Plastizität): Bei Belastung wandelt sich Austenit in härteren Martensit um. Dies führt lokal zu einer Verfestigung des Materials.

TWIP (Zwillingsinduzierte Plastizität): Im Austenit bilden sich Verformungszwillinge, die die Zähigkeit steigern.

Die Kombination beider Effekte macht den Werkstoff besonders leistungsfähig. Nadine Lehnert, Projektleiterin am Fraunhofer IWU, erklärt: «Durch die Kombination dieser beiden Effekte wird die Festigkeit des Werkstoffes signifikant erhöht und das Bauteilversagen unter dynamischer Belastung verzögert. Zudem verbessern sich das Umformvermögen und das Energieaufnahmevermögen im Falle eines Aufpralls erheblich.»

Vom Guss zum leistungsfähigen Bauteil

Die Verarbeitung erfolgt über eine kaltmassivumformende Prozesskette. Ausgangspunkt ist eine grobkörnige austenitische Struktur. Diese wird durch Fliesspressen mechanisch beansprucht, wobei es durch den TRIP-/TWIP-Effekt zur teilweisen martensitischen Umwandlung kommt. Eine anschliessende Wärmebehandlung wandelt Martensit zurück in Austenit und sorgt für eine feinkörnige Gefügestruktur. Diese erlaubt eine gezielte Umformung bei gleichzeitig hoher Widerstandsfähigkeit gegen Risse.

Bei starker Belastung kann es im Austenitgefüge zu Anrissen kommen – diese führen jedoch nicht zum Bauteilversagen. Stattdessen wandelt sich das Gefüge lokal in Martensit um und erhöht dadurch erneut die Stabilität.

Einsatzfelder: Überall dort, wo Sicherheit zählt

Dank seiner Eigenschaftskombination eignet sich der TRIP/TWIP-Stahlguss für verschiedenste Einsatzbereiche:

Automobilbau: Fahrwerkskomponenten, Schrauben oder Crashabsorber profitieren von der hohen Energieaufnahmefähigkeit.

Luft- und Raumfahrt: Leichtere und widerstandsfähigere Strukturbauteile werden möglich.

Medizintechnik: Die hohe Biokompatibilität und Festigkeit machen den Werkstoff für Implantate oder Instrumente interessant.

Bauwesen: Gebirgsanker und Befestigungselemente für Tunnel oder Brücken können langlebiger und sicherer gestaltet werden.

Nachhaltiger und wirtschaftlicher produzieren

Die Eignung für die Kaltumformung ist nicht nur technisch relevant, sondern auch ökologisch und ökonomisch bedeutsam. Das Verfahren spart Energie, weil auf aufwendige Warmumformprozesse verzichtet werden kann.

Lehnert betont: «Die Prozesskette der Kaltumformung ist deutlich kürzer und effizienter. Wir beginnen mit einem vorgegossenen Werkstück, das dann direkt umgeformt wird. Dadurch entfallen zahlreiche energieaufwendige Schritte wie das Erwärmen, Walzen und Entzundern, die bei der Warmumformung erforderlich sind.»

Hinzu kommt der teilweise Ersatz von Nickel durch Kupfer – was sowohl Kosten als auch Gesundheitsrisiken bei der Verarbeitung reduziert.

Blick nach vorn: Optimierung des Umformprozesses

Die aktuelle Entwicklung legt das Fundament für weitere Forschungsarbeiten am Fraunhofer IWU. Ziel ist es, die Potenziale des TRIP/TWIP-Effekts noch gezielter zu nutzen und die Prozessparameter für eine wirtschaftliche Serienfertigung weiter zu verbessern.

«Unser Ziel ist es, die Potenziale des TRIP/TWIP-Effekts voll auszuschöpfen und die wirtschaftliche Herstellung von hochleistungsfähigen Bauteilen für eine Vielzahl von Anwendungen zu ermöglichen», sagt Lehnert.

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Textquelle: Fraunhofer IWU

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