OPC UA Symbolbild mit Maschine

Wie ist das Kommunikationsprotokoll OPC UA im Kontext mit der IT-OT-Konvergenz zu sehen? Im Gespräch mit Stefan Schönegger, Vice President Product Management Controls, Machine Vision and Networks bei B&R.


Ein Beitrag von Technik und Wissen
Markus Back (Autor)

Was hat man unter IT-OT-Konvergenz zu verstehen?

Darunter versteht die Mehrheit der Anwender das Zusammenspiel von Maschinen und IT-Ausstattung. Das heisst, die OT-Welt mit ihrer Sensorik und Aktorik auf der einen Seite und auf der anderen Seite die IT-Welt, die beispielsweise mit MES- oder ERP-Systemen Produktionsdaten weiterverarbeitet.

Und welcher konkrete Nutzen ergibt sich aus diesem Zusammenspiel?

Dieses Zusammenspiel gibt es schon heute im weitesten Sinne. Allerdings ist dieses oftmals noch sehr manuell, sehr eingeschränkt und sehr fehlerbehaftet, was in der Praxis oftmals für missverständliche Interpretationen sorgt. Geschieht das jedoch vollautomatisch, gibt es beliebige Phantasien, welcher Nutzen sich daraus ziehen lässt. Dieser reicht von Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen über intelligente Anbindungen an Logistiksysteme bis hin zur besseren Ausnutzung der Maschinen- und Anlagenlastverteilung.

Stefan Schönegger, Vice President Product Management Controls, Machine Vision and Networks bei B
Stefan Schönegger, Vice President Product Management Controls, Machine Vision and Networks bei B&R.
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Zur Person Stefan Schönegger

Stefan Schönegger ist seit 2006 für B&R tätig, zunächst als Produktmanager, später als Leiter der Business Unit Open Automation. Im Jahr 2012 übernahm er die Leitung der globalen Marketingaktivitäten des Unternehmens und ist heute als Vice President Product Management für das globale Steuerungs-, Bildverarbeitungs- und Netzwerkportfolio von B&R zuständig. Bevor er zu B&R kam, war er in verschiedenen Funktionen als Projektleiter für die Entwicklung von Flugverkehrsmanagement-Plattformen tätig.

Keine standardisierte Sprache führt zu Problemen

Woran scheitert bislang diese vollautomatische Erfassung und Auswertung von Produktionsdaten?

Ein Grund hierfür ist der Lebenszyklus der Maschinen. In der Investitionsgüter-Branche beispielsweise sind immer noch sehr viele Anlagen im Einsatz, deren Steuerungsteil aus den 90-er Jahren stammt. Die Steuerungen, die in den vergangenen zehn Jahren auf den Markt kamen, könnten das zwar, haben aber keine standardisierte Sprache. Daher scheitert dieses Zusammenspiel gerade in grossen Produktionsbetrieben, weil hier die Anzahl verschiedener Steuerungen und damit der Sprachen besonders hoch ist. Es braucht deshalb eine Sprache, die möglichst alle Maschinen verstehen. Wenn sich in einem Raum Menschen aus zehn Nationen aufhalten, sprechen diese Englisch, weil hier die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass es halbwegs funktioniert. Ohne die englische Sprache wäre hingegen die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen sehr hoch.

OPC UA ist eine Schwergewicht

Ist OPC UA die Sprache, die alle Maschinen sprechen und verstehen können?

Sie ist sogar mehr, da bei OPC UA selbst die Worte beziehungsweise die Variablen eine Bedeutung haben, was die Feldbusse in dieser Form so nicht können. Nehmen wir den Temperaturwert von 80 °C. Diesem lassen sich in OPC UA Limits mitgeben, die einem übergeordneten Monitoring-System sagen, dass im Bereich zwischen 70 und 90 °C alles in Ordnung ist. Erhält das Leitsystem nun den Wert 80, kann es diesen in ein Verhältnis setzen. Waren es fünf Minuten zuvor 76 und zehn Minuten zuvor 72, errechnet es, dass es in 15 Minuten über dem Grenzwert sein wird und kann einen Alarm absetzen.

Das klingt wunderbar. Und was ist die Schattenseite der Medaille?

Bislang war der Nachteil von OPC UA seine Schwergewichtigkeit. Das heisst, OPC UA braucht noch relativ teure CPU, Speicher und Bandbreite, weshalb es schlanker, kompakter und günstiger werden muss, um beispielsweise Kleinsysteme wie Aktoren und Sensoren einbinden zu können.

Daran wird jedoch sehr intensiv gearbeitet und es gibt erste Erfolge: Mit den Publish-Subscribe-Mechanismen konnte die Protokolleffizienz bereits wesentlich erhöht werden. An weiteren Optimierungen wird auch im Bereich der Open-Source-Lösungen von OPC UA Development Kits gearbeitet. Es wird sich dem Ressourcenbedarf klassischer Feldbusse zügig angenähert und noch in 2021 sollten die Hausaufgaben grösstenteils abgeschlossen sein.

OPC UA: das Kommunikationssystem für IoT

Das klingt so, als wäre OPC UA das Kommunikationssystem für IoT schlechthin!

Absolut, das ist definitiv so. Das zeigt sich auch daran, dass mit Amazon Web Services, Microsoft und Google die wichtigsten Cloudanbieter bereits OPC UA beziehungsweise die OPC Foundation aktiv unterstützen. Diesen Status konnten die bisherigen Feldbustechnologien nicht annähernd erreichen.

Die Security-Eigenschaften mancher Feldbus-Systeme sind teils sehr rudimentär. Wie sieht das bei OPC UA aus?

Neben den semantischen Möglichkeiten - also den erfassten Werten, die übermittelt werden, bestimmte Bedeutungen mitzugeben - ist die zweite grosse Stärke die Security. Mit OPC UA lassen sich bis runter auf den einzelnen Parameter die Zugangsrechte festlegen und das mit einer vollwertigen Anbindung an jegliche Security-Systeme.

Wenn IT und OT durchgängig sind, beschränken sich Hackerangriffe und Virenbefall nicht mehr nur auf die Bürorechner. Wie lässt sich diesen Gefahren begegnen?

In dem alle heute verfügbaren Security-Massnahmen konsequent angewendet und nicht ignoriert werden. Die Fähigkeit der Technologie ist da, um saubere, gute und nachhaltige Security-Massnahmen zu etablieren und da gibt es nur eine Regel – wer seine Maschinen verbinden will, um einen Nutzen aus den Daten zu erzielen, muss die Security berücksichtigen. Diese ist keine Raketen-Wissenschaft. OPC UA bringt das von Haus aus mit und es muss nur entsprechend angewendet werden.


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Je nach Branche oder Anwendung bestehen OT-Topologien oftmals Jahrzehnte. Welche Empfehlung geben Sie deren Betreibern? Rausreissen und erneuern oder getrost zuwarten?

Das ist schwierig, da es vor allem eine wirtschaftliche Frage ist! Ich persönlich würde an einer hochprofitablen, stabil funktionierten Produktionslinie nichts verändern. Wer aber in seinen Maschinen und Anlagen ohnehin Veränderungen oder Optimierungen plant, sollte gleich einen Schritt weitergehen und auf moderne Mittel und Techniken setzen, um mit relativ wenig Aufwand einen grossen Schritt in Richtung Digitalisierung zu machen.


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Echtzeitfähige Kommunikation und Edge/Cloud Computing

OPC UA over TSN gestattet eine Echtzeit-fähige Kommunikation. Was bedeutet dies hinsichtlich Edge und Cloud Computing?

Das ist natürlich ein ganz spannendes Thema! Heute übermitteln Steuerungen Daten an übergeordnete Systeme. Bereits in unmittelbarer Zukunft werden alle Steuerungen und Shopfloor-Systeme untereinander mit OPC UA und TSN kommunizieren. Das ist das, was heute als Edge-Kommunikation angesehen wird und hier gibt es viele Möglichkeiten, um mit TSN einen Mehrwert zu schaffen.

Bei einer Edge-Plattform für Machine Learning zum Beispiel kann es wichtig sein, dass deren Arbeitsergebnisse schnell an eine Steuerungsplattform angebunden werden, um korrigierend eingreifen zu können und damit vielleicht Produktionsausschuss zu verhindern. Ein anderer Anwendungsfall könnte eine mikrosekunden-genaue Synchronisation von zwei mechatronischen Subsystemen einer Anlage sein. Genau das kann OPC UA mit TSN leisten.

Im Bereich der Cloud-Kommunikation ist hingegen OPC UA alleine die Technologie, die den Mehrwert bringt. TSN ist die Lösung für verkabelte, lokale Systeme. Dort kann es aber seine Vorteile voll ausspielen.

Was bedeutet das für die Feldebene und deren heutigen Protagonisten?

Früher sprachen die Steuerungen für die Kommunikation mit übergeordneten Systemen verschiedene Sprachen und das Ergebnis war, wenig überraschend, dass diese tatsächlich nicht miteinander kommunizierten und nun durch OPC UA over TSN ersetzt werden. Zum Nutzen aller Anwender.

Wenn bei der Datenauswertung der nächste Schritt gemacht werden soll, ist es wichtig, dass ein IT-System wirklich versteht, wie es beispielsweise dem einen Sensor oder Aktor gerade geht und da kommt es darauf an, durchgängig zu kommunizieren. Von daher ist abzusehen, dass OPC UA over TSN im Laufe der kommenden Jahre die bestehenden Feldbus-Technologien ablösen wird.

Kommt eines Tages die OPC-UA-over-IO-Link-Anbindung?

Wie sieht es mit IO-Link aus, teilt es das gleiche Schicksal wie die Feldbusse?

In den Bereich der allerkleinsten und günstigsten Temperatursensoren wird OPC UA in den kommenden Jahren wohl nicht unmittelbar vordringen. IO-Link wurde als Ergänzung der Feldbusse nach unten für die Einzelanbindung geboren und dort wird es vorerst auch bleiben. Gut vorstellbar ist aber, dass es eines Tages eine OPC-UA-over-IO-Link-Anbindung geben wird.

Mit Powerlink bietet B&R ebenfalls einen Feldbus an. Wie geht B&R mit der Tatsache um, dass OPC UA in den kommenden Jahren die bestehenden Feldbusse ablösen wird?

OPC UA over TSN wird von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnen. Wenn es um Applikationen geht, in denen Security eine Rolle spielt, ist OPC UA gesetzt und so wird das Kommunikationsprotokoll Schritt für Schritt in die B&R-Welt vordringen. Wir werden unseren Kunden die Möglichkeit bieten, beide Systeme zu nutzen oder auch beliebig zu kombinieren. Alle unsere Produkte werden zukünftig sowohl Powerlink als auch OPC UA unterstützen.

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5G versus OPC UA TSN

Mit 5G verbreitet sich ein Echtzeit-fähiger Mobilfunk-Standard. Wie ist dieser im Kontext zu OPC UA over TSN zu sehen?

5G ist eigentlich eine Alternative zu TSN. Bei 5G erfolgt die Datenübertragung über Luft und bei TSN über Kabel und es gibt bereits erste Versuche für ein OPC UA over 5G. Das ist auch der Weg, den wir sehen. Die kabelgebundene Kommunikation wird mittel- und längerfristig jedoch einen wesentlich grösseren Marktanteil haben als kabellose Lösungen. 5G ist aber für bewegte Projekte, wie zum Beispiel fahrerlose Transportsysteme, ideal.

Welchen Rat geben Sie Unternehmen, die IT und OT zusammenbringen wollen?

Nicht auf das perfekte Geschäftsmodell oder die perfekte Gelegenheit warten, weil diese niemals kommen wird, sondern jetzt schon mit einem einfachen Beispielprojekt beginnen und versuchen, mit der IT die Maschinendaten über eine OPC-UA-Schnittstelle auszulesen. Vielleicht sind die ersten Gehversuche nicht unmittelbar hoch profitabel. Wird aber weiter nur abgewartet, sind später der Aufwand und die Vorteile des Wettbewerbs umso grösser. Wenn ein Beispielprojekt deutlich aufzeigt, wie einfach das eigentlich geht, kommen die Ideen für das Geschäftsmodell von ganz alleine beziehungsweise werden die eigenen Mitarbeiter und Kunden sehr rasch die Möglichkeiten aufzeigen.

Impressum

Autor: Markus Back

Bildquelle: B&R

Publiziert von Technik und Wissen

Informationen

B&R Industrieautomation AG
www.br-automation.ch

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