
US-Zölle treffen Schweizer Industrie hart
Verbände fordern rasches Handeln des Bundesrats
Die US-Regierung verhängt neue Importzölle von bis zu 31 Prozent auf Schweizer Industrieprodukte – ein schwerer Rückschlag für Tech- und Medtech-Unternehmen. Verbände fordern gezielte Gegenmassnahmen und betonen die Bedeutung von Freihandel und Diversifikation.
Textquellen: Swissmem / Swiss Medtech
Die Entscheidung der US-Regierung, pauschale Zölle auf Industrieprodukte aus Ländern mit Handelsbilanzüberschuss zu erheben, trifft die exportorientierte Schweizer Industrie empfindlich. Besonders betroffen sind die Tech- und Medtech-Branchen, für die die Vereinigten Staaten nach der EU der jeweils zweitwichtigste Absatzmarkt sind. Swissmem und Swiss Medtech zeigen sich tief enttäuscht vom protektionistischen Kurs Washingtons und fordern vom Bundesrat entschlossenes und rasches Handeln – sowohl auf diplomatischer als auch auf regulatorischer Ebene.
US-Zölle von bis zu 31 Prozent treffen die Tech-Industrie in Krisenzeit
Die Tech-Industrie sieht sich mit Zöllen von bis zu 31 Prozent auf Exportgüter in die USA konfrontiert. Betroffen sind gemäss Swissmem alle Produkte, die bislang nicht unter die bereits bestehenden 25-Prozent-Zölle auf Aluminium- und Stahlprodukte fielen. Automobilzulieferer bleiben bei 25 Prozent. Besonders KMU ohne Produktionsstandorte in den USA stehen nun unter massivem Druck. Ist ihr Produkt nicht als unverzichtbar eingestuft, droht ihnen der vollständige Verlust eines wichtigen Markts.
«Die Massnahme trifft die Branche in einer ohnehin konjunkturell angespannten Lage sehr hart», sagt Swissmem. Die Branche befindet sich in einer konjunkturell angespannten Lage, nach mehreren Quartalen mit rückläufigem Umsatz. Umso unverständlicher sei das Vorgehen der US-Regierung, zumal die Schweiz im Jahr 2024 sämtliche Industriezölle abgeschafft habe. Besonders schmerzhaft sei auch der Wettbewerbsnachteil gegenüber der EU, deren Produkte «nur» mit 20 Prozent Zoll belegt würden.
Bedeutung des US-Markts für Tech- und Medtech-Unternehmen
Die USA sind für die Schweizer Tech-Industrie mit einem Exportvolumen von 10,1 Milliarden Franken im Jahr 2023 der zweitgrösste Absatzmarkt – das entspricht einem Anteil von 14,9 Prozent an den Gesamtexporten. Für die Medtech-Branche ist der Anteil mit 23 Prozent sogar noch höher: Medizinprodukte im Wert von 2,8 Milliarden Franken wurden 2023 in die Vereinigten Staaten geliefert.
Die Handelsbilanz ist dabei klar zugunsten der Schweiz: Die USA importieren 55 Prozent mehr Schweizer Medtech-Produkte, als sie dorthin exportieren. Das hat die US-Regierung nun offenbar zum Anlass genommen, die Schweiz mit der neuen Zollmassnahme einzubeziehen. Für Swiss Medtech ist dies ein alarmierendes Signal, das die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche gefährdet.
Forderung nach gezielter Aussen- und Innenpolitik
Swissmem und Swiss Medtech fordern vom Bundesrat eine klare, koordinierte und pragmatische Reaktion. Auf aussenpolitischer Ebene soll die Schweiz umgehend den Dialog mit der US-Regierung suchen. Die offenen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die Vorteile der bilateralen Zusammenarbeit seien aktiv zu kommunizieren, um eine Abschwächung oder gar Rücknahme der Massnahmen zu erreichen.
Zudem fordern beide Verbände die rasche Umsetzung bestehender Freihandelsvorhaben. Swissmem nennt dabei konkret das Freihandelsabkommen mit Indien, das nach Ablauf der Referendumsfrist sofort in Kraft treten sollte. Auch die Verträge mit Mercosur und China müssten vorangetrieben werden. Besonders betont wird die strategische Bedeutung der Bilateralen III mit der EU. Swiss Medtech ergänzt: «Jeder dritte Arbeitsplatz in unserer Branche hängt direkt von Aufträgen aus der EU ab. Diese Beziehungen müssen weiter gefestigt werden.»
FDA-Zulassung als politisches Signal an Washington
Ein konkreter Hebel könnte laut Swiss Medtech die Anerkennung von US-amerikanischen FDA-Zulassungen für Medizinprodukte darstellen. Bereits 2022 hatte das Parlament dem Bundesrat diesen Auftrag erteilt, umgesetzt wurde er bislang jedoch nicht. «Der Bundesrat hat es in der Hand, FDA-zugelassene Produkte rasch per Verordnung zuzulassen – das wäre ein klares Signal an die US-Regierung für Dialog statt Zollpolitik», betont Swiss Medtech-Präsident Damian Müller.
Eine solche Massnahme hätte nicht nur handelspolitische, sondern auch standortpolitische Wirkung: Sie würde die Versorgungssicherheit stärken, regulatorische Hürden senken und die Attraktivität der Schweiz als Produktionsstandort erhöhen.
Diversifikation als Schlüssel zur Resilienz
Beide Verbände betonen zudem die Notwendigkeit einer strategischen Diversifikation. 85 Prozent der Schweizer Tech-Exporte gehen in andere Länder als die USA, allen voran in die EU. Auch Schwellenländer in Asien und Südamerika gewinnen weiter an Bedeutung. Für Swissmem bedeutet das: Die Unternehmen müssen sich noch stärker auf Innovation, Effizienz und technologische Nischenlösungen fokussieren, um in einem härteren Wettbewerbsumfeld bestehen zu können.
Swiss Medtech verweist auf die über 800 Mitgliedsunternehmen in der ganzen Schweiz – von urbanen Zentren bis zu alpinen Regionen. Für diese sei Offenheit das Erfolgsrezept, nicht Abschottung. «Exportbarrieren gefährden nicht nur Unternehmen, sondern auch Arbeitsplätze, Innovation und Versorgungssicherheit. Die Schweiz muss offen, entschlossen und strategisch auf solche Herausforderungen reagieren», sagt Direktor Adrian Hunn.
Innenpolitisch gefordert: Kurzarbeit, Bürokratieabbau und klare Freihandelspolitik
Nicht nur auf internationaler Ebene, sondern auch innenpolitisch sieht Swissmem dringenden Handlungsbedarf. Um die Industrie kurzfristig zu entlasten, müsse der Bundesrat den Handelskonflikt als Begründung für Kurzarbeit anerkennen und die Bezugsdauer auf 24 Monate verlängern. Gleichzeitig seien unnötige Regulierungen abzubauen – etwa im Bereich des CO₂-Gesetzes, das laut Swissmem der Industrie zusätzliche Fesseln auferlege.
Zudem erwartet Swissmem, dass sich sämtliche politischen Kräfte hinter die Freihandelsstrategie des Bundes stellen. Nur durch einen breiten politischen Konsens könne die Schweiz ihren exportorientierten Wirtschaftsstandort in einem zunehmend protektionistischen Umfeld behaupten.
Fazit: Wirtschaft warnt vor Rückschritt – Politik muss handeln
Die neuen US-Zölle sind ein schwerer Rückschlag für die Schweizer Exportwirtschaft, insbesondere für die Tech- und Medtech-Branchen. Beide Sektoren fordern entschlossenes Handeln – auf diplomatischer Ebene, durch regulatorische Anpassungen und durch eine strategisch ausgerichtete Freihandelspolitik. Gleichzeitig gilt es, die Resilienz der Unternehmen zu stärken: durch Diversifikation, Innovation und politische Unterstützung im Inland.
Die wirtschaftspolitischen Weichenstellungen der nächsten Monate werden entscheidend sein. Ob der Bundesrat mit klarem Kurs auf Dialog und Offenheit reagiert oder von protektionistischen Wellen überrollt wird, bleibt abzuwarten.
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Textquelle: Swissmem / Swiss Medtech
Bildquelle: Dall-e
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
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