Die Naturenergie Netze GmbH ist die Netzbetreiberin für Südbaden. Das Unternehmen macht Stromverteilnetze und kommunale Energieinfrastruktur leistungsfähig für die Zukunft und sorgt für eine sichere Stromversorgung. Durch Modernisierung und Ausbau der entsprechenden Infrastruktur treibt sie die Energiewende voran. Das Netzgebiet umfasst im Westen die Region südlich von Freiburg bis zum Hochrhein, im Osten vom Bodensee bis nördlich von Villingen-Schwenningen. Die Naturenergie Netze GmbH gehört zur deutsch-schweizerischen Naturenergie Holding AG.
Verteilnetzbetreiber im deutschen Stromnetz müssen ihre Infrastruktur für die Energiewende fit machen. Bis 2030 sollen 80 % des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Wie mehr Tempo in die Modernisierung von Umspannwerken kommt, zeigt ein Pilotprojekt bei der Naturenergie Netze GmbH.
Ein Fachbeitrag der Firma Eplan | Autor: Gerald Scheffels
Netzbetreiber stehen vor einer Mammutaufgabe. Sie müssen ihre Netze für diese komplexen Anforderungen fit machen. Für Naturenergie Netze gehört dazu der Neubau, aber auch die Modernisierung einiger bestehender Umspannwerke. Dabei besteht die Herausforderung nicht nur darin, die Werke an den steigenden Strombedarf anzupassen. Sie müssen vielmehr für eine weitaus grössere Flexibilität ertüchtigt werden, was Energiequellen und -flüsse sowie die exakte Steuerung des Stroms betrifft.
Digitaler Zwilling als Grundlage für Umbauplanung
Die Naturenergie Netze hat sich frühzeitig darauf eingestellt und arbeitet aktuell an einem Pilotprojekt im Rahmen der Modernisierung einer Anlage. Der Umbau des Umspannwerkes Rheinfelden wird dabei mit einem digitalen Konzept geplant und projektiert. Neu ist die Vorgehensweise bereits bei der Vorarbeit. Rainer Beck, Koordinator im Bereich Netzentwicklung: «Bevor wir in die Planung gehen, erstellen wir einen Digitalen Zwilling des Umspannwerks, also ein digitales Abbild mit allen Daten sowohl für die stromführenden Komponenten – die Primärtechnik – als auch für die Steuerungsebene – die Sekundärtechnik – und natürlich für die Gebäude mit der gesamten Peripherie. Dieser digitale Zwilling ist die Grundlage für unsere Umbauplanung.»
Zusammenführung von Primär- und Sekundärtechnik in einem einheitlichen Modell
Diese Aufgabe ist auch deshalb anspruchsvoll, weil Primär- und Sekundärtechnik mit unterschiedlichen CAD-Software-Tools geplant werden. Lösbar wurde sie bei diesem Pilotprojekt dadurch, dass sich zwei führende Anbieter – Entegra mit der Software-Lösung Primtech für die Primärtechnik und Eplan für die Sekundärtechnik – in dem VDE ETG-Arbeitskreis «Digitale Zwillinge für Elektrische Energiesysteme» auf eben das vorbereiteten, was Naturenergie Netze für den ersten (Vor-)Planungsschritt benötigte: die Zusammenführung von Primär- und Sekundärtechnik in einem einheitlichen Modell.
Deutliche Zeiteinsparung beim Umbau von Umspannwerken
Für dieses bislang einmalige Vorhaben suchten Entegra und Eplan nach einem innovativen Verteilnetzbetreiber, der als Dritter im Bund ein Pilotprojekt einbringt. Da kam der Kontakt zu Naturenergie Netze gerade recht – zumal es sich um ein komplexes Projekt handelt. Rainer Beck: «Wir werden hier die gesamte Sekundärtechnik in einem vorhandenen und sehr komplexen Umspannwerk erneuern – und das bei laufendem Betrieb.»
Bisher einzigartig und verspricht grossen Nutzen
Der Anreiz, sich an diesem Projekt zu beteiligen, ist offensichtlich: «Die Planung und Umsetzung der Modernisierung würde normalerweise zwei bis drei Jahre dauern. Mit der neuen Planungsmethodik wird es deutlich schneller gehen.» Davon sind alle Beteiligten überzeugt. Matthias Schuy, Business Development Manager bei Entegra: «Was wir hier machen – Primär- und Sekundärtechnik eines Umspannwerks in einen digitalen Zwilling zu integrieren –, ist bisher einzigartig und verspricht grossen Nutzen.»
Schnell amortisieren
Kann man das konkreter fassen? Rainer Beck: «Natürlich. Schliesslich müssen wir nachweisen, dass sich der Einmalaufwand, den wir investieren, schnell amortisiert. Nach der ersten Projektphase der Vorplanung zeichnet sich eine deutliche Zeiteinsparung beim Umbau von Umspannwerken ab – und das bei jedem Projekt.»
Umspannwerk scannen und Typenschilder fotografieren
Im ersten Schritt des Projektes wurde das Umspannwerk gescannt, die Typenschilder fotografiert und die erzeugten Primärtechnik-Daten mit denen aus dem Asset Management System abgeglichen. Als Ergebnis entstand ein valides, funktionales 3D-Modell des Umspannwerks in Primtech. Die in Primtech erstellten Datensätze wurden dann über eine Schnittstelle vollautomatisch nach Eplan exportiert und darauf basierend die Sekundärtechnik in Eplan geplant.
Das Prinzip ‚Single Source of Truth‘ beachten
Abschliessend wurden die Daten aus der Sekundärtechnik in den digitalen Zwilling integriert. Diese Arbeiten sind nahezu abgeschlossen. Mit der Dokumentation des Ist-Zustands wurde die Basis für den effizienten Austausch der Sekundärtechnik des Umspannwerks gelegt. «Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Alle Daten sind verifiziert. Grundsätzlich wird das Prinzip ‚Single Source of Truth‘ beachtet. Dabei bleiben die Daten in den ursprünglichen Systemen unangetastet und werden mit dem digitalen Zwilling verknüpft. So lassen sich Redundanzen vermeiden, die zukünftig problematisch werden könnten», erklärt Jan Oliver Kammesheidt, Global Vertical Market Manager Energy bei Eplan.
Zentral Zugriff auf alle relevanten Informationen des Umspannwerks bieten
Bei der Architektur des gemeinsamen Datenmodells haben die Beteiligten – ganz im Sinne des Zwillingsgedankens – eine besondere Infrastruktur verwirklicht. «Es gibt nicht ein führendes System, sondern nur verschiedene Sichten auf ein und dasselbe Modell. Der digitale Zwilling macht jeweils ein Fenster auf zu den Systemen – zum Beispiel von Primtech zu Eplan oder zu SAP. Damit erfüllt der digitale Zwilling eine seiner wesentlichen Funktionen, nämlich an zentraler Stelle Zugriff auf alle relevanten Informationen des Umspannwerks zu bieten», sagt Matthias Schuy.
Sekundärtechnik standardisieren
Erleichtert oder überhaupt erst möglich wurde die Dreierkonstellation von Entegra, Eplan und dem Verteilnetzbetreiber, weil Naturenergie Netze vor zwei Jahren Eplan die Software-Lösungen Electric P8 und Eplan Pro Panel für die Planung der Sekundär-, sprich Steuerungstechnik eingeführt hat. Dafür verantwortlich war und ist Simon Rümmele, Projektleiter im Bereich Netzentwicklung: «Mit Eplan können wir die Standardisierung und ein effizienteres Engineering der Sekundärtechnik vorantreiben – und eine durchgängige Planung, die wir auch im Betrieb nutzen können, für die vorbeugende Instandhaltung und für Revisionen.»
Vom Maschinenbau lernen
Das Projekt zeigt: Die Anwender in der Elektrizitätswirtschaft profitieren von Erfahrungen und Lösungen aus dem Maschinenbau. Dort – wo Eplan seit Jahrzehnten aktiv ist – ist die Standardisierung und «Industrialisierung» der Steuerungs- und Schaltanlagentechnik fest etabliert. Dieser Schritt steht für Umspannwerke vielfach noch aus, aber er muss kommen.
«Bisher wurden Umspannwerke individuell geplant und als Unikat wie in einer Manufaktur gebaut. Damit ist der Bedarf an Modernisierungen und Neubauten, den die Energiewende bedingt, aber nicht darstellbar. Die Branche muss deutlich mehr standardisieren als bislang üblich. Wir unterstützen dabei und sind froh, dass wir mit Naturenergie Netze einen innovativen Partner gefunden haben. Mit dem gemeinsamen digitalen Zwilling für Primär- und Sekundärtechnik beschleunigen wir den Prozess erheblich und machen ihn zugleich sicherer», erklärt Jan-Oliver Kammesheidt.
Starke Partner für den Umbau
Genau das ist die Absicht von Naturenergie Netze, wie Simon Rümmele erläutert: «Wir möchten und müssen mehr digitalisieren, weil wir hier Chancen und Erleichterungen für die Zukunft sehen. Deshalb probieren wir neueste Technologien aus und werden in unserem Umspannwerk in Rheinfelden auch weitere Piloten einsetzen. Und mit Rittal, dem Schwesterunternehmen von Eplan, haben wir zudem einen starken Partner für den Umbau der ‚Hardware‘, der gesamten Schaltschranktechnik, an Bord.»
Netze zukunftsfähig ausbauen
Auch die Standardisierung, für die der gemeinsame digitale Zwilling von Entegra und Eplan eine Voraussetzung schafft, stand schon länger auf der Agenda von Naturenergie Netze. Rainer Beck: «Wir können uns vorstellen, im 110-kV-Bereich zwei Standardkonzepte und -gebäude zu nutzen, auf deren Basis wir Varianten bilden. Daran arbeiten wir auch mit den zentralen Primärzulieferern. Das wird ebenfalls Zeit und Planungsaufwand sparen. Und das müssen wir, denn wir werden gezwungen sein, einen Grossteil unserer Umspannwerke an die veränderten Anforderungen anzupassen. Der digitale Zwilling und die Vorarbeiten, die Entegra und Eplan leisten, werden uns dabei helfen. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit erarbeiten wir hier wirklich eine Innovation, die dazu beiträgt, dass wir unsere Netze zukunftsfähig ausbauen können – mit hoher Effizienz.»
Verteilnetzbetreiber tauschen sich offen aus
Aber nicht nur Naturenergie Netze wird von dem Projekt profitieren. Jan-Oliver Kammesheidt: «Die Verteilnetzbetreiber tauschen sich offen aus, weil sie nicht im Wettbewerb stehen. Schon jetzt ist das Interesse gross. Ich bin sicher: Was wir hier und in der VDE-Arbeitsgruppe erarbeiten, werden viele Netzbetreiber für sich nutzen, um ihre Umbau- und Neubauprojekte schneller planen und umsetzen zu können.»
Die Naturenergie Netze GmbH
Passend zu diesem Artikel
Impressum
Textquelle: Eplan (Autor: Gerald Scheffels)
Bildquelle: Naturenergie Netze GmbH
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
Informationen
Weitere Artikel
Veröffentlicht am: