Die Herausforderungen, mit denen Schweizer Fertigungsunternehmen sich konfrontiert sehen, werden nicht kleiner. Eine Umfrage bei den drei Trägerverbänden der Messe Innoteq – Swissmechanic, Swissmem und tecnoswiss – zeigt jedoch auch Chancen und positive Nachrichten, die der Branche Mut machen sollen.


Die Fragen beantworteten

Nicola Tettamanti, Präsident Swissmechanic Schweiz
Nicola Tettamanti, Präsident Swissmechanic Schweiz
Adam Gontarz, Swissmem Bereichsleiter Digitalisierung, Innovation und Technologie, Mitglied der Geschäftsleitung
Adam Gontarz, Swissmem Bereichsleiter Digitalisierung, Innovation und Technologie, Mitglied der Geschäftsleitung
Elias Welti, Geschäftsführer tecnoswiss
Elias Welti, Geschäftsführer tecnoswiss

Mit welchen konkreten Herausforderungen kämpfen Schweizer Fertigungsunternehmen und welche Strategien helfen, wettbewerbsfähig zu bleiben?

Swissmechanic

Schweizer Fertigungsunternehmen stehen derzeit vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Zu den zentralen Problemen gehören:

Fachkräftemangel: Der Mangel an qualifizierten Fachkräften im technischen Bereich belastet viele Betriebe. Insbesondere in der MEM-Branche fehlt es an Nachwuchs, der die notwendigen technischen und digitalen Kompetenzen mitbringt.

Dagegen helfen Investitionen in die duale Bildung, Weiterbildungsprogramme und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Fachhochschulen und Berufsbildungszentren. Zudem müssen wir die MEM- und verwandten technischen Berufe attraktiver machen. Dies wird uns mit der Initiative aus der Bildungsrevision Futuremem in Partnerschaft mit Swissmem gelingen.

Steigende Produktionskosten: Die Schweiz ist bekannt für ihre hohen Produktionskosten, was den Wettbewerb insbesondere gegenüber Ländern mit günstigeren Lohnstrukturen erschwert. Der Schlüssel liegt in der Effizienzsteigerung durch Automatisierung und Digitalisierung. Mit innovativen Technologien wie Robotik, Künstlicher Intelligenz und Predictive Maintenance können Unternehmen ihre Produktionskosten senken und gleichzeitig die Qualität sichern. Die Innoteq 2025 wird sicher eine Gelegenheit für die Branche darstellen, diese Trends und Lösungsansätze zu entdecken.

Globale Spannungen: Die anhaltenden internationalen Spannungen führen zu Engpässen bei Rohstoffen und Vorprodukten, was die Planungssicherheit beeinträchtigt. Ebenso führen die politischen Spannungen zu wirtschaftlichen Nebeneffekten (Stichwort: Strafzölle).

Als Strategie schlagen wir eine Diversifizierung der Lieferketten und einen verstärkten Fokus auf regionale Beschaffung vor, damit die Abhängigkeit von einzelnen Märkten reduziert wird. Auch die Entwicklung von strategischen Partnerschaften mit Lieferanten ist essenziell - ebenso wie die Offenheit für neue Export-Märkte.

Nachhaltigkeitsanforderungen: Die steigenden Erwartungen an umweltfreundliche und klimaneutrale Produkte erhöhen den Druck auf Unternehmen, ihre Prozesse anzupassen und neu zu zertifizieren. Für unsere 1‘300 Mitglieder, die hauptsächlich KMUs sind, bieten wir Lösungen an, die es ermöglichen, effizient und mit kleinem Aufwand diese Richtlinien umzusetzen. Da sind insbesondere die Verbände gefragt. Wir müssen uns einsetzen, damit unsere Mitglieder massgeschneiderte Lösungen, in Zusammenarbeit mit externen Partnern, aufbauen können.

Digitalisierung und Technologiewandel: Viele unserer KMUs kämpfen mit der Integration moderner Technologien und der Anpassung an die Anforderungen der Industrie 4.0. Swissmechanic unterstützt seine Mitglieder dabei, digitale Lösungen zu implementieren, Prozesse zu modernisieren und Mitarbeiter entsprechend weiterzubilden. Es braucht eine klare Strategie für die Digitalisierung, die auf die individuellen Bedürfnisse der Betriebe zugeschnitten ist.


Swissmem

Die aktuellen Herausforderungen sind vielfältig, komplex und anspruchsvoll. Sie beginnen mit der schwierigen Marktsituation in Europa. Sie ist tiefgreifend und von grossen Unsicherheiten geprägt. Das betrifft insbesondere die Automobilindustrie sowie die damit verbundenen Branchen und Lieferketten.
Viele Firmen schaffen es zudem nicht, die Digitalisierung zu monetarisieren.

Obwohl Lösungen existieren, erreichen sie keinen erkennbaren Mehrwert und verfehlen es, die Rentabilität zu steigern. Sehr hemmend wirken auch die ausufernden Regulierungen der EU aus (AI Act, Data Act, Cyber Resilience Act), welche teils durch länderspezifische Regeln noch überlagert werden. Sie behindern die Innovation sowie die Marktdurchdringung neuer Lösungen. Technologisch stellen im Übrigen die zunehmende Komplexität und die grosse Dynamik eine immer höher werdende Hürde dar – insbesondere für KMU.

Die technologischen Herausforderungen sind nur noch mit gezielten Kooperationen zu bewältigen. Solche Partnerschaften werden immer mehr zu einem zentralen Erfolgsfaktor. Chancen bieten auch die integrierende Automation der gesamten Fertigungskette. Hier sind zeitnah intelligente und vorausschauende Investitionen notwendig.

Die Firmen der Schweizer Tech-Industrie sind es sich aber gewohnt, mit schwierigen Situationen umzugehen. Agilität, Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft gehörten stets zu den Stärken der Branche. Mit diesen Tugenden werden die Unternehmen einen Weg aus der zurzeit schwierigen Situation finden.


tecnoswiss

Nebst dem konjunkturellen Auf und Ab ist es langfristig der Fachkräftemangel, der die Schweizer Fertigungsunternehmen herausfordert. Es ist nicht einfach, qualifizierte Mitarbeitende in genügender Zahl auszubilden, und auch Rekrutierungen im Ausland werden immer schwieriger. Die Industrie wird sich in Zukunft noch stärker automatisieren müssen, um auch mit weniger Personal die Produktion auf dem gleichen Niveau zu halten oder dieses sogar zu erhöhen.

Welche technologischen Trends oder Entwicklungen sehen Sie derzeit als die grössten Treiber für die produzierende Industrie?

Swissmechanic

Die grössten Treiber für unsere Industrie sind derzeit die Digitalisierung und Automatisierung durch Technologien wie Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz (KI) und das Internet der Dinge (IoT). Diese ermöglichen eine effizientere Produktion, vorausschauende Wartung und eine stärkere Vernetzung von Maschinen.

Weitere wichtige Trends sind die additive Fertigung (3D-Druck), die individualisierte Massenproduktion sowie Fortschritte bei nachhaltigen Technologien und Energielösungen. Auch die Nutzung von Big Data und datengetriebenen Entscheidungen spielt eine entscheidende Rolle. Diese Entwicklungen steigern die Wettbewerbsfähigkeit unserer Firmen und fördern Innovationen in der gesamten MEM-Branche.


Swissmem

Technologisch zeichnen sich deutliche Fortschritte in der Halbleiterfertigung, dem Gigacasting und in den neuen Verfahren zur Batteriezellenproduktion ab. Ein weiterer Trend ist die steigende Automatisierung durch Robotik in Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI). Zukunftsweisend ist auch die Entwicklung kompakter Anlagen, die mehrere Fertigungsprozesse integrieren, also z. B. Fräsen, Schleifen und Laserbearbeitung in einer einzigen Einheit.

Zudem eröffnen die Digitalisierung und die Potenziale der KI spannende Möglichkeiten. Noch fehlt es mancherorts noch an der Wirtschaftlichkeit solcher Lösungen. Es stellen sich auch Fragen zur Cybersicherheit, dem Datenmanagement und den damit verbundenen regulatorischen Anforderungen.


tecnoswiss

Nach wie vor ist die Automatisierung ein Thema, in dem noch sehr viel Potenzial steckt. Ein Mega-Trend wiederum ist die Künstliche Intelligenz, die in der MEM-Industrie allerdings noch keinen Durchbruch hatte. Längerfristig dürfte sie aber gerade für Grossbetriebe einiges bieten können.

Inwiefern helfen Fachmessen wie die Innoteq, konkrete Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden?

Swissmechanic

Fachmessen wie die Innoteq bieten eine Plattform, um innovative Technologien und Lösungen direkt zu erleben. Sie fördern den Austausch zwischen Unternehmen, insbesondere Kunden und Lieferanten. Gleichzeitig bietet es eine Chance für den Austausch unter Bildungsträgern, was neue Perspektiven und Partnerschaften ermöglicht. Gleichzeitig können Unternehmen Trends erkennen, Produkte vergleichen und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Fachmessen unterstützen die MEM-Branche aktiv bei der Umsetzung von Innovationen und präsentieren auch international ein starkes Bild des Schweizer Werkplatzes.


Swissmem

Bei Investitionsgütern spielt der Austausch mit Kunden, Partnern und Lieferanten eine entscheidende Rolle. Aufgrund der zunehmenden technologischen Komplexität sind ein starkes Netzwerk und die daraus resultierenden Kooperationsmöglichkeiten unverzichtbar, ja geradezu matchentscheidend. Diesbezüglich bietet die Innoteq den Unternehmen einen echten Mehrwert. Auf kleinem Raum haben sie die Möglichkeit, in kürzester Zeit mit verschiedensten Akteuren zu sprechen. Auch finden sich Lösungsanbieter, die man noch nicht gekannt hat oder deren Angebote man sich nicht bewusst war.


tecnoswiss

Als Ausstellende: Für die Ausstellenden ist es zentral, interessanten Branchenvertretern an der Messe zu begegnen: Kunden, Nicht-Kunden und Noch-nicht-Kunden.

Als Besucher: Für die Besucher wird es wichtig sein, Händler und Produzenten zu treffen und sich mit ihnen austauschen zu können.

Welche Erwartungen haben Sie und Ihre Mitglieder an eine Fachmesse wie die Innoteq?

Swissmechanic

Die Erwartungen als Aussteller an der Innoteq sind sehr gross: Auf der einen Seite wünschen sich unsere ausstellenden Firmen gute und zahlreiche Kontakte, sprich, viele Besucher. Auf der anderen Seite muss das ganze Konzept der Messe, die ja noch relativ jung ist, bereits in der zweiten Ausgabe gut bei den Besuchenden ankommen. Da haben sich die drei Trägerverbände stark eingesetzt, damit es zu gemischten Hallen mit verschiedenen Firmengrössen und Produktkategorien kommt. Alle Besuchenden sollen möglichst jede Halle auch effektiv betreten.

Auf der Besucherseite möchte man neue Trends entdecken. Man möchte in Erfahrung bringen, was die Branche bewegt und welche die Lösungsansätze für die Fertigungsprozesse der Zukunft sind. Es muss also spannend werden. Dafür spielt nicht nur die Innoteq-Organisation eine grosse Rolle, sondern auch die Ausstellenden, die bei jeder Ausgabe der Messe neue, attraktive und originelle Ideen entwickeln, wie sie ihre Dienstleistungen und Produkte bestens präsentieren können.


Swissmem

Die Innoteq ist der Ort, an dem sich die Spezialisten der Fertigungstechnik-Industrie treffen und austauschen. Neben der Präsentation von Innovationen geht es für einen Aussteller darum, das Netzwerk zu pflegen und auszubauen. Der persönliche Austausch soll den Weg zu Kooperationen und Leads ebnen.

Für einen Besucher ist die Innoteq weit mehr als eine reine Verkaufsmesse. Sie können sich über aktuelle Technologien und deren Potenziale informieren, sich von innovativen Ansätzen inspirieren lassen sowie konkrete Lösungen für Problemstellungen finden.


tecnoswiss

An der Innoteq zeigen Produzenten und Händler, welche Produkte und Lösungen der Industrie heute und morgen zur Verfügung stehen. Aber mehr als das: Die Innoteq ist auch eine «Begegnungszone», wo sich Akteure vernetzen und im Gespräch miteinander Ideen und Bedürfnisse austauschen. So entstehen neue Partnerschaften und Entwicklungen – sei dies absichtlich oder auch eher zufällig.

Und noch eine gute News zum Abschluss rund um die Schweizer Industrie: Haben Sie eine?

Swissmechanic

Die gute Nachricht ist, dass die Schweizer Industrie weiterhin weltweit für ihre Qualität und Innovation geschätzt wird. Besonders erfreulich ist, dass viele Schweizer Unternehmen trotz globaler Herausforderungen verstärkt in den Standort Schweiz investieren. Dies gibt uns das Vertrauen, dass wir als Technologie-Standort auch zukünftig an der Spitze bleiben können. Unsere MEM-Firmen sind es gewohnt, in Krisenzeiten gestärkt auf dem Weltmarkt zu agieren. Wir sind zuversichtlich, dass es auch dieses Mal der Fall sein wird. Als Verband setzen wir uns täglich für die guten Rahmenbedingungen der Industrie ein.


Swissmem

Die Lage der Schweizer Tech-Industrie ist zurzeit aus konjunkturellen Gründen sehr angespannt. Sie hat aber kein strukturelles Problem. Die Unternehmen waren stets sehr innovativ, agil und anpassungsfähig. An der Innoteq wird das grosse Potenzial der Branche für Aussteller und Besucher einmal mehr sichtbar werden. Wenn die Konjunktur wieder anzieht, werden die Unternehmen die sich bietenden Chancen zu nutzen wissen.


tecnoswiss

Die Schweizer MEM-Industrie kann unverändert auf die hochqualitativen Werkzeuge und innovativen Lösungen ihrer Lieferanten zählen.

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Impressum

Autor: Eugen Albisser

Bildquelle: zVg

Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen

Informationen

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit der Bernexpo und der Fachmesse Innoteq.

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