Michael Kummer, Geschäftsführer der Küffer Elektro-Technik AG
Michael Kummer, Geschäftsführer der Küffer Elektro-Technik AG. (Bild: Markus Frutig, Inoveris / Easyfairs))

Michael Kummer, Geschäftsführer der Küffer Elektro-Technik AG, spricht über Erfahrungen mit «Predictive Maintenance» und «Data Management» und erklärt, wie sein Unternehmen damit neue Dienstleistungen kreiert.

Herr Kummer, was ist die aktuell grösste Herausforderung in der Krise und wie meistern Sie diese? 

Die Agilität unserer Mitarbeiter wird von den Kunden sehr gefordert, denn sie entscheiden sehr kurzfristig, ob ein Einsatz stattfindet, verschoben wird oder ganz ausfällt. Das hat bei den Mitarbeitern eine gewisse Irritation zur Folge hinsichtlich Jobsicherheit oder Lohnausfall. Die Herausforderung besteht darin, die Mitarbeiter bei der Stange zu halten. Das heisst, wir arbeiten – so gut es geht – wie gewohnt weiter, selbstverständlich mit Abstandsregeln. Im Grunde versuchen wir während der Arbeitszeit möglichst Normalität herrschen zu lassen, sodass die Mitarbeiter eigentlich erst nach Feierabend, wenn sie beispielsweise zum Einkaufen fahren, wieder in die Realität mit den entsprechenden Schutzmassnahmen zurückgeholt werden.

Wo steht die Branche aktuell?  

Viele Hersteller haben in ihrer Lieferkette Lücken, die Lieferfristen werden länger. Da der Kunde aber immer kurzfristiger entscheidet, wird die Ersatzteilbeschaffung keine Alternative mehr sein, sondern eben die Reparatur. Wir arbeiten daher verstärkt mit Schweizer Herstellern zusammen, die über die nötigen Ressourcen verfügen. Die sind dann zwar etwas teurer, aber lieferfähig. Die Schweizer Handwerksarbeit wird dadurch wieder mehr geschätzt, weil diese sehr kurzfristig ausgeführt werden kann. 

Welche sind Ihre Perspektiven und Unternehmens-Ziele 2022?

Unser Ziel für das kommende Jahr wird sein, uns fit zu machen, damit wir so flexibel wie möglich auf die Herausforderungen reagieren können. Instandhaltung kann bekanntlich nur aufgeschoben und nicht aufgehoben werden. Irgendeinmal müssen also all die Instandhaltungs- und Innovationsprojekte, die während der ganzen Pandemie aufgeschoben wurden, umgesetzt werden. Für die Smart Maintenance Lösungen im Bereich «ketag 4.0» streben wir nächstes Jahr dann die Gewinnzone an.  

Instandhaltung kann bekanntlich nur aufgeschoben und nicht aufgehoben werden.

Welche Neuheiten, Trends und neue Technologien beschäftigen Sie? 

Im Sommer 2020 haben wir die ersten Synchron Reluktanz-Motoren nach IE4-Technologie zur Revision erhalten und konnten feststellen, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, da unsere Fachkräfte mit dem nötigen Spezialwerkzeug die Reparaturen durchführen konnten. Durch unsere Kompetenz und Technologiekenntnis können wir unseren Kunden zusichern auch nachhaltige, energieeffiziente Motorentechniken zu warten. 

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Wo liegen die Herausforderungen mit den neuen Technologien?

Bei den Themen Industrie 4.0, Predictive Maintenance und Augmented Reality bieten wir unseren Kunden Lösungen an, die sie einsetzen können und die ihnen einen Mehrwert bringen. Aber hier gibt es noch Luft nach oben. Denn die Hemmschwelle scheint noch hoch zu sein sowie die Befürchtung, dass durch diese Technologien Arbeitsplätze verdrängt werden oder sogar verschwinden.

Wir sehen zwar, dass die Analytikseite bereit wäre, die Datenströme zu analysieren und Mehrwert zu entwickeln, aber es werden keine Pilotprojekte initiiert. Wir freuen uns sehr, dass die Schweizerische Post sich entschieden hat, das Pilotprojekt mit ihren Sortieranlagen trotz Pandemie auszurollen, mit dem wir uns aktuell beschäftigen können. 

Welche Highlights präsentieren Sie an der Maintenance Schweiz?

Wir präsentieren schlussendlich unser Netzwerk, also die fünf Partnerfirmen und unsere Mitarbeiter. Denn wir sind überzeugt, dass in der Instandhaltung das Fachwissen sowie das Vertrauen massgebend sind. Daher stellen wir nicht Produkte aus, sondern unsere Mitarbeitenden zeigen ihr Gesicht, um bei unseren Kunden Vertrauen zu schaffen und ihnen unsere aktuellen Projekte vorzustellen und zu erklären. Weitere Highlights sind natürlich unsere Trachtenfrauen, mit denen sich die Besucher ablichten lassen können, sowie auch wieder unser Instandhaltungs-Stübli, das immer einen Besuch wert ist. 

Warum sollte man als Fachbesucher unbedingt an die «Maintenance Schweiz» 2021 kommen und was begeisterte Sie schon an der letzten Messe-Ausführung?  

Was gibt es Effizienteres als an einem Tag auf der Maintenance alle seine Lieferanten und Partnerbetriebe zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen? Mit dem Schutzkonzept ist dies eine sichere Möglichkeit, das Netzwerk trotz aller Schwierigkeiten aufrechtzuerhalten. Erwähnenswert ist noch, dass Easyfairs sehr innovativ ist und bereits vor einiger Zeit die «Visit Connect App» eingeführt hat. Heute werden also nicht mehr Visitenkarten überreicht, sondern es können mittels Smartphones kontaktlos Daten ausgetauscht werden. 

Trend Retrofit: Bedeutung für den Neuteilverkauf und Lagerhaltung

Geht der Trend zu mehr Retrofit – also Reparatur statt Neuteil? Was bedeutet dies für den Neuteilverkauf bzw. die Lagerhaltung?

Wenn die wirtschaftliche Situation weiter angespannt bleibt, wird sich das sicherlich nicht positiv für die Hersteller auswirken. Die Lieferzeiten von Neuteilen könnten sich weiter hinauszögern. Es könnte sogar zu einer Lieferunfähigkeit kommen, was sich dann sicherlich für Reparatur-Lösungen positiv auswirken wird. 

Kommen wir zur Nachhaltigkeit, die ja wichtiger denn je geworden ist. Mit dem Trend weg von der Wegwerfgesellschaft zurück zur heimischen Produktion wurden auch Grundsteine in der Gesellschaft gelegt, die sich positiv auf das Reparaturgeschäft und auf die Dienstleistung in der Schweiz auswirken werden. Das Thema «Reparieren statt wegwerfen» zeigen wir auf unserer Webseite sehr gut auf.


>>> Artikel lesen: Sicherheitsaspekte und Risikobeurteilung bei einem Retrofit >>>


Beispielsweise bei kompletten Elektromotoren müssen wir lieferfähig bleiben, denn ein Normmotor ist ein Produkt, das auch in Zukunft getauscht werden will. Wenn wir da nicht liefern können, sind wir schnell weg vom Markt. Bei den Ersatzteilen zu Motoren werden zuverlässige Lieferanten wichtiger. Und wir brauchen auch in unserem Netzwerk Hersteller von Ersatzteilen, die diese Teile in der Schweiz 1:1 nachbauen können. Da ist natürlich der 3D-Drucker ein Thema, an dem wir aktiv dran sind. Es ist erstaunlich, wie viele Bauteile, die schwierig zu erhalten sind, wir heute selber reproduzieren können und welche Freiheit dies gibt, wenn ein Lieferant nicht liefern kann.

Es ist erstaunlich, wie viele Bauteile, die schwierig zu erhalten sind, wir heute selber reproduzieren können [mit dem 3D-Drucker].

Ist «Predictive Maintenance» überall angekommen?

Wie optimieren Sie die Lebensdauer & Prozesssicherheit – ist «Predictive Maintenance» überall angekommen?

Der Weg geht schon hin zum Predictive Maintenance. Das heisst, wenn wir Schlüsselbauteile einer Maschine, die zu einem ungeplanten Ausfall führen können, mit der entsprechenden Sensorik ausrüsten; also einen Datenstrom generieren, den wir per IoT (Internet of Things) in die Cloud bringen und dort durch «Analytic Tools» analysieren lassen, können wir vorausschauend sagen, welche Komponente zu welchem Zeitpunkt gewartet werden muss. Das bietet nicht nur Prozesssicherheit, sondern führt auch zu optimierten Instandhaltungskosten. Denn wenn ich weiss, dass in zwei Wochen ein Lager ersetzt werden muss, kann ich es ja heute bestellen, habe es morgen im Haus und muss es nicht ein oder zwei Jahren bei mir im Ersatzteillager haben.  

Thema «Digitalisierung & Vernetzung/IoT»: Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aktuell konkret aus? 

Unsere Erfahrung zeigt, dass das ganze Thema IoT, also die Möglichkeit, Datenströme zu transportieren, in der Cloud Daten zu speichern und per Analytics die Daten dann noch zu analysieren, bereits vorhanden ist, aber schlichtweg zu wenig genutzt wird. Der Knackpunkt ist, dass vor allem bestehende Anlagen nicht smart sind, und daher diese Möglichkeit gar nicht genutzt werden kann. Es ist zudem auch ein offenes Geheimnis, dass Analytics nur funktioniert, wenn es an ein gewisses Datenvolumen angelehnt werden kann. Und damit ich das Tool in drei Monaten anlehnen kann, muss ich heute mit dem Datenstrom beginnen. Wir beobachten, dass hier abgewartet wird, aus welchen Gründen auch immer. Aber wenn ich übermorgen Predictive Maintenance einsetzen will, also Prozesssicherheit haben will, muss ich heute damit beginnen. 

Welche Herausforderungen stellen sich dadurch in Hinblick auf Produkt-Know-how und Mitarbeiterschulung?

Qualitativ gute Handwerker als Mitarbeiter zu haben ist hier wichtig. Ein chinesisches Sprichwort sagt, wenn die Winde stärker werden, beginnen die einen Mauern zu bauen und die anderen Windmühlen. Wir suchen also Windmühlenbauer und keine Maurer. Und damit alle Mitarbeitende der Instandhaltungsbranche, unsere eigenen eingeschlossen, immer auf dem neuesten Stand der Technik sind, bieten wir sogenannte Trainings an. Wir unterrichten aktiv zum Beispiel das Modul Antriebstechnik. Damit sind unsere Mitarbeiter stets in der Lage mit der neuesten Technik mithalten zu können.  

Qualitativ gute Handwerker als Mitarbeiter zu haben ist hier wichtig. Ein chinesisches Sprichwort sagt, wenn die Winde stärker werden, beginnen die einen Mauern zu bauen und die anderen Windmühlen. Wir suchen also Windmühlenbauer und keine Maurer.

Wie gehen Sie mit der zunehmenden Komplexität der Anlagen ihrer Kunden in unterschiedlichsten Branchen um, z. B. bei Fehleranalysen & -Behebung vor Ort?

Zum einen nutzen wir CRM, mit dem wir unser Fachwissen digitalisieren. Wenn wir schon einmal an einer Anlage waren und uns das Datenblatt eines Sensors beschafft haben, wird dies auch in der Anlage des Kunden in digitaler Form abgelegt. Zum anderen nutzen wir auch die Möglichkeit von Augmented Reality, wo wir mittels «Smart glasses» den Instandhaltern vor Ort unser Know-how schnell und ohne präsent sein zu müssen zur Verfügung stellen. Das Gleiche gilt für die Weiterbildung unserer eigenen Fachkräfte. Ein Servicetechniker kann sich also an eine komplexe Anlage heranwagen, denn er hat ja via Datenbrille den erfahrenen Instandhalter bei sich, der ihn unterstützt. 

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Instandhaltung: Neue Berufsfelder dank Digitalisierung 

Welche neuen Berufsfelder ergeben sich mit der Digitalisierung in der Instandhaltung?

Das ist einmal der Servicetechniker, der mithilfe von Augmented Reality Zugriff auf elektronischen Support hat, und noch wichtiger der Instandhalter, der den Servicetechniker vor Ort unterstützt. Ein weiteres neues Feld ist sicherlich das der Daten-Scientisten, die Datenströme in Bezug auf die Instandhaltung analysieren und mittels Anomalie-Erkennung, Rechenmodellen oder Algorithmen versuchen, die Lebensdauer, den aktuellen Zustand und den Ausfallzeitpunkt genau bestimmen zu können.

Vernetzung mit Industrie, Wissenschaft, Anwendern und Bildungsinstitutionen sind Voraussetzungen für zukünftig erfolgreiche Strategien. Mit welcher Strategie setzen Sie dies mit Ihrem Unternehmen um?

Das digitale Marketing ist von zentraler Bedeutung. Und ganz besonders die Nutzung von Social Media-Plattformen. Ausserdem arbeiten wir mit Fachhochschulen zusammen. So können wir auch für KMUs erschwingliche Entwicklungen und Innovationen marktfähig machen. 

Wie gehen Sie das Thema Nachwuchsförderung an – und die Verbände?

Aus meiner Sicht ist die Instandhaltung nicht gut vertreten als Branche und auch nicht gut vernetzt. Wir engagieren uns zwar in verschiedenen Verbänden, aber ich sehe da noch einiges an Handlungsbedarf. Der Branchenverband fm pro beispielsweise bildet leider lediglich eine Weiterbildungsmöglichkeit ab, und zwar zum Instandhaltungs-Fachmann und zum Instandhaltungsleiter. Aber die Grundausbildung wird nicht genug gefördert – ein grosses Manko, das wir gegenüber der Verbandsspitze bereits thematisiert haben. Das Thema Facility Management hat leider eine grössere Gewichtung als das Thema Maintenance. 

Wo ist Optimierungspotenzial?  

Wir bilden selber Auszubildende aus im Berufsbild des Automatikers sowie des Automatikmonteurs mit der Fachrichtung Instandhaltung, Elektromaschinenbau und Service. Weiter haben wir dieses Jahr in unserer Region beim Ferienpass-Programm mitgemacht. Hier konnten Schulkinder an einem Vormittag in unserer Werkstatt aktiv Elektromotoren auseinander- und wieder zusammenbauen. Die drei Module waren alle ausgebucht. Dann werden wir beim Zukunftstag am 11. November 2021 mitmachen. Dort gibt es die Initiative «Frauen in die Technik». Da wollen wir Mädchen im Schulalter für Technik und für technische Berufe begeistern, die in diesem Feld aktuell noch unterrepräsentiert sind. Ausserdem findet man uns regelmässig auf Berufsmessen, wo wir uns vorstellen und Fachkräfte gewinnen möchten.

Wie gestalten Sie bzw. sollten wir alle die Messe der Zukunft gestalten?

Ich fände es wichtig, dass eine grössere Vielfalt an Marktteilnehmern auf der Messe vertreten ist. Das würde sicherlich noch mehr Gäste anziehen. In Bezug auf die Digitalisierung ist die Messe gut aufgestellt mit der bereits angesprochenen Visit Connect App oder den Datenpunkten, wo Broschüren elektronisch heruntergeladen werden können.

Impressum

Textquelle: Easyfairs

Bildquelle: Easyfairs

Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen

Eine Publikation von Technik und Wissen

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