Autor: Eugen Albisser
Bild: uptownBasel
Herr Professor Loss, Sie beschäftigen sich schon lange mit der Quantentechnologie. Welchen Wandel sehen Sie in den letzten Monaten und ist dieser Wandel auch hier in Arlesheim am Global Quantum Symposium zu spüren?
Generell würde ich sagen, das Spannende ist, dass das Gebiet immer weiterwächst. Es ist kein neues Gebiet, aber es hat in letzter Zeit sehr viel Interesse geweckt, auch in der Industrie. Und deshalb haben wir diese Veranstaltung hier bei QuantumBasel ins Leben gerufen: Weil wir die akademische Welt mit der Industrie zusammenbringen wollen.
Wie weit sind diese beiden Welten voneinander entfernt?
Sie sind nicht völlig orthogonal, denn es gibt Bereiche wie die Informatik, in denen man viel Wissen von der Industrieseite braucht, um zu verstehen, was man tun kann. In der Industrie sieht man auch junge Leute, die aus dem akademischen Bereich kommen und nicht zu Banken gehen, sondern sich für Start-ups entscheiden. Das sind die Leute, die Wissen aus dem akademischen Bereich mitbringen und weitergeben. Die Kommunikation ist also gar nicht so schwierig. Wenn man mit Wissen in eine andere Welt geht, kann man fast immer miteinander reden. Es gibt genügend Überschneidungen und eine gemeinsame Sprachbasis, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat, so dass es ein gegenseitiges Verständnis gibt und es als interessant empfunden wird.
Ich kann mir vorstellen, dass beide Seiten ein solches Zusammentreffen begrüssen, denn beide sind aufeinander angewiesen.
Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen und alle, die aus dem rein akademischen Bereich kommen, finden es sehr interessant, Fachleute aus der Industrie zu treffen. Das ist bemerkenswert, denn oft sind Konferenzen zum Thema Quantentechnologie rein akademisch.
«Die Kombination aus hoher Quantität und guter Qualität gibt es noch nicht»
Betrachten wir die technische Seite: Was sind die aktuellen Entwicklungen?
Es gab hier an der Veranstaltung zum Beispiel einen sehr schönen Vortrag von Professor Manucharyan von der EPFL über die neuen supraleitenden Qubits. Die gibt es schon seit einiger Zeit. Aber er hat heute Daten über die Qualität gezeigt, die ich bisher noch nicht gesehen habe.
Wobei man in der Quantenindustrie solche Daten wohl mit Vorsicht betrachtet.
Ja, das wollte ich noch hinzufügen. Wenn man etwas verkaufen will, nennt man einfach grosse Zahlen (lacht). Bei Quantencomputern zum Beispiel, kann man auf eine hohe Anzahl Qubits verweisen. Der Laie mag Unternehmen tatsächlich an solchen Zahlen messen, aber wer mit Quanten arbeitet, der weiss, dass 1000 Qubits nichts nützen, wenn die Qualität nicht stimmt. Die Qualität wird durch die Genauigkeit bestimmt. Heute haben wir bei den zuvor erwähnten supraleitenden Qubits eine Fidelity von vier ‘Neunen’ erreicht, das sind 99,99 Prozent Fidelity.
Zum Vergleich: IBM oder andere Firmen erreichen eine Fidelity von 99,77 %, was auch sehr gut ist. Aber der Unterschied ist enorm. Bei einer Fidelity von 99,99% brauche ich vielleicht 100 physikalische Qubits, für eines mit 99,77 % Fidelity bräuchte ich 800. Man kann also mit Qualität oder Quantität werben, aber die Kombination aus hoher Quantität und guter Qualität gibt es noch nicht.
«Die Quantentechnologie nicht mehr wegzudenken»
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an: Einerseits gibt es einen Hype um die Quantentechnologie, andererseits gibt es auch viel Skepsis gegenüber der Technologie, weil die Entwicklung langsamer voranschreitet als erhofft.
Dennoch glaube ich, dass das Interesse in den letzten fünf Jahren stark zugenommen hat, so dass auch in schlechteren Zeiten eine kritische Masse vorhanden ist, um einen möglichen ‘Quantenwinter’ zu überstehen. Mit anderen Worten: Es gibt jetzt so viele Menschen, die sich dafür interessieren, dass die Technologie nicht mehr wegzudenken ist. Es gibt Zyklen, aber der Trend geht nach oben. In den letzten Jahren war die Entwicklung besonders rasant.
Der Fortschritt kommt manchmal unerwartet schnell, wie wir kürzlich von amerikanischen Start-up Quera gehört haben, die gerade mit 1000 Qubits aufgetaucht sind und grosse Fortschritte in der logischen Implementierung gemacht haben. Auch hier muss man zwischen den Zeilen lesen, aber man kann sagen, dass grosse Fortschritte gemacht werden.
Sie sind beratend für QuantumBasel tätig. Was beinhaltet diese Tätigkeit?
Ich bin vor allem für das Symposium verantwortlich. Ein Symposium entsteht nicht von heute auf morgen. Gerade im akademischen Bereich bekommen Topforscher sehr viele Einladungen, da muss man schon einen besonderen Anlass auf die Beine stellen, damit die Leute kommen und vor allem auch als Referenten auftreten. Aber das ist jetzt schon die zweite Veranstaltung, die wir hier organisieren. Wobei es beim ersten Mal noch schlicht und einfach US-Switzerland Quantum Symposium hiess. Aber der Auslöser, der zu dieser Veranstaltung geführt hat, ist erwähnenswert…
... weil Sie Industrie und Forschung zusammenbringen wollten?
Das auch, aber der eigentliche Auslöser war, dass wir in der Schweiz von vielen Bereichen der europäischen Forschung rund um die Quantentechnologien ausgeschlossen sind. Selbst wenn wir bezahlen wollen, kommen wir nicht mehr rein. Das ist extrem, und die Schweiz versucht natürlich, bilaterale Abkommen zu schliessen. So kam es auch zu einem mit den USA, und das war der Anlass für die erste Veranstaltung. Die Veranstaltung war ein Erfolg – und das ist auch der Grund, warum wir sie jetzt ausgeweitet und globalisiert haben. Aber das Alleinstellungsmerkmal ist geblieben: Wir wollen hohe akademische Qualität gemischt mit der Industrie.
Was macht die Quantentechnologie für Sie so spannend?
Für uns als Wissenschaftler ist es spannend zu sehen, wie sich alles entwickelt. Quantencomputing ist das Beste, was man prinzipiell machen kann, und ich sage das, weil es ein Gebiet ist, das an die Naturgesetze gebunden ist. Ich glaube auch, dass deshalb das Interesse an diesem Gebiet so konstant hoch ist: Es ist dermassen grundlegend, dass wir einfach verstehen wollen, ob es möglich ist.
Quantencomputing ist das Beste, was man machen kann, sagen Sie. Also sollte man sich auch als Industrieunternehmen damit beschäftigen – und zwar schon heute?
Ich glaube, niemand kann sich dem verschliessen. Wie bei der KI. Und da gibt es auch Parallelen: KI gibt es seit 30 Jahren. Es sind nicht viele neue Ideen dazu gekommen. Das Einzige, was neu ist, ist die physische Plattform, die sie ermöglicht. Aber die Idee war schon da. Sie hat erst jetzt den Durchbruch geschafft. Wenn das Quantencomputing den Durchbruch schafft, wird es noch viel grösser sein. Es wird eine Revolution sein – und ich denke schon, dass man darauf vorbereitet sein sollte. Und das geht natürlich am besten, wenn man sich jetzt damit beschäftigt.
Diese Serie über Quantentechnologie entsteht in Zusammenarbeit mit uptownBasel.