Stand der Robotik in den USA im Vergleich zu Europa
Einblick von Nikolai Ensslen, CEO und Gründer von Synapticon, zum aktuellen Stand der Robotik in den USA
Die Robotik in den USA erfährt eine Renaissance, getrieben von softwareorientierten Servicerobotern und hohen Investitionen, während Europa eher zurückhaltend agiert, mit Fokus auf Hardware und kosteneffizienter Unternehmensführung, was zu einer wahrscheinlichen zukünftigen Technologieführerschaft der USA führt, trotz der Präzision und Zuverlässigkeit der europäischen Hardware.
Die Robotics Summit & Expo in Boston bietet ein vielseitiges Forum zu den Themen Design, Entwicklung, Herstellung und Lieferung von kommerziellen Robotik- und intelligenten Systemprodukten sowie zugehörigen Komponenten und Dienstleistungen. Das Programm liefert Fachleuten vielfältige Informationen zur Entwicklung der nächsten Generation kommerzieller Robotiksysteme. Ebenso sind aus erster Hand spannende Neuigkeiten zum aktuellen Stand der Robotik weltweit zu erfahren.
Das Wiedererstarken der USA in der Robotik
Auf der diesjährigen Veranstaltung liess sich vernehmen, dass die USA in der Robotik wieder erstarken. Dies ist erfreulich, denn in den vergangenen fünf Jahren fühlte es sich in der Breite, d.h. neben ein paar starken Spielern, eher nach einer Konsolidierung an. In der Industrierobotik gab es zuletzt kaum noch US-Hersteller, ähnlich wie in der gesamten Industrieautomation, ein Bereich, in dem die USA zuletzt kaum vertreten waren. Dies ist jetzt offensichtlich nicht mehr der Fall – im Gegenteil, es ist wieder mehr Aktivität zu verzeichnen, es gibt viele und z.T. signifikante Neugründungen - nicht nur aber auch in der Industrierobotik.
Im Vordergrund des aktuellen US-Robotikmarkt sind vor allem Serviceroboter, also mobile Roboter auf Rädern oder auf Beinen, Humanoide und Vierbeiner. Hier passiert derzeit einiges mehr als in Europa und die Lösungen sind viel substantieller als jene, die es in diesen Kategorien in Asien gibt. Grund dafür ist, dass es sich dabei um stärker softwaregetriebene Produkte handelt, die auch entsprechend attraktive Softwaremargen versprechen. Mit Ausrichtung auf die Industrie gibt es auch viele komplett ohne eigene Hardware realisierte Geschäftsmodelle, die nur auf Softwaretechnologie aufbauen und Roboterhardware anderer Hersteller, meist aus Asien, manchmal aus Europa, nutzen.
Reine Hardware ist für US-Unternehmen in der Regel uninteressant, da aufgrund zu geringer Differenzierung bzw. Wertschöpfung nur kleinere Margen realisierbar sind. Hohe Margen sind in den USA jedoch wichtig, da die Unternehmen meist investorenfinanziert oder börsennotiert sind und diese Gesellschafter die Marge nicht nur mit hoher Profitabilität, sondern auch mit dem Zukunftspotential eines Unternehmens verbinden. Dass die Entwicklung dieser Angebote zunächst jeweils hunderte Millionen kostet, ist dort kein grosses Thema, bei hohem Potential sitzt das Geld in der Regel locker.
Reine Hardware ist für US-Unternehmen in der Regel uninteressant, da aufgrund zu geringer Differenzierung bzw. Wertschöpfung nur kleinere Margen realisierbar sind.
Die meist inhabergeführten Unternehmen in Europa, teils in Familienbesitz, sind nicht so sehr auf hohe Margen aus, da diese - wiederum im Gegensatz zu den Amerikanischen - sehr kosteneffektiv (um nicht zu sagen sparsam) geführt werden und am Ende nur dem Inhaber einen auskömmlichen (und gesellschaftlich vertretbaren) Gewinn erwirtschaften sollen. Unmengen in ein perspektivisch margenmässig hoch profitables Geschäft zu investieren, das dadurch einige Jahre hoch unprofitabel ist, ist nicht des Europäischen Unternehmers Ding. «Europe europing», würde der bekannte Venture-Capital-Investor Michael Jackson sagen.
KI-Welle nimmt in USA mehr Unternehmen mit
Das Momentum in der Robotik, vor allem der beschriebenen Sparten, ist in den USA viel grösser und mitreissender als in Europa, typisch amerikanisch vs. typisch europäisch eben. Die KI-Welle nimmt in den USA viel mehr Unternehmen mit, die grossen Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) inspirieren die Robotik. Collaborative Robotics beispielsweise baut voll darauf, LLMs als Nutzerschnittstelle und Enabler für intelligente Robotik im Healthcare-Bereich zu nutzen. Europa beschäftigt sich derweilen lieber eifrig damit, KI zu regulieren.
Die KI-Welle nimmt in den USA viel mehr Unternehmen mit, die grossen Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) inspirieren die Robotik.
Mit Intrinsic und deren kürzlich vermeldeten Akquise der OSRF (Open Source Robotics Foundation) vollzieht sich – etwas später als erwartet – womöglich der Alptraum europäischer Automatisierungs- und Industrierobotikanbieter. So tritt Google damit in die Industrierobotik und Automation ein. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Intrinsic relativ unabhängig von Google geführt wird. Spät kommt hier zusammen, was einst zu erwarten war, als Andy Rubin 2013/2014 acht US- und ein deutsches Robotik-Startup kaufte: ein Android-System der Robotik. Allerdings wird es wohl nicht als Betriebssystem mit zugehörigem Geschäftsmodell kommen, sondern als integrierende Lösungsplattform, gewissermassen ein Geschäftsmodell für Systemintegration.
Geschäftsmentalität bremst Europäer aus
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich einmal wieder sehr nach künftiger Technologieführerschaft anfühlt, was sich in den USA anbahnt. Technologie für Präzision, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Hardware darf gerne weiterhin auch aus Deutschland kommen. Wofür diese zum Einsatz kommt und welche Software drauf läuft, wird künftig jedoch womöglich zunehmend in den USA definiert.
Die softwarestarken Unternehmen in Deutschland und EU-weit, die es sehr wohl gibt, sind hier schlicht in der Minderzahl und die europäische Geschäftsmentalität bremst diese Sparte aus – im Gegenteil zu ihren amerikanischen und asiatischen Wettbewerbern, die von einem starken Momentum und höherer Risikobereitschaft der Investoren profitieren können. Synapticon hatte anfangs die Vision, genau das zu entwickeln, was Intrinsic heute der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Verschiedene Faktoren, einschliesslich den beschriebenen Umgebungsfaktoren, haben uns auf einen anderen, auf einen im Grunde sehr viel Deutscheren Weg, mit Hardware im Mittelpunkt gebracht. Sehr gerne jedoch stehen wir heute allen Roboterentwicklern auf der Welt mit unseren Softwaretechnologie-ermöglichten Komponenten zur Verfügung, um sehr viel schneller hoch leistungsfähige und zuverlässige Hardware zu bauen und sich auf ihre Software zu konzentrieren.
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Impressum
Autor und Textquelle: Nikolai Ensslen, CEO und Gründer von Synapticon
Bildquelle: Synapticon (Porträt Nik Ensslen),
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
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