
Die Schweizer Tech-Industrie kämpft mit sinkenden Umsätzen und wachsender Unsicherheit. US-Zölle und Handelskonflikte bedrohen Exporte massiv. Swissmem fordert eine Freihandelsoffensive und stabile Beziehungen zur EU. Ohne kluge Wirtschafts- und Sicherheitspolitik droht ein massiver Standortnachteil.
Die Schweizer Tech-Industrie, bestehend aus der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie sowie verwandten Technologiebranchen, erlebte 2024 ein schwieriges Jahr. Laut Swissmem sanken die Umsätze um 4,6 Prozent, während die Exporte um 3,1 Prozent zurückgingen.
Die Auftragseingänge blieben auf dem Niveau des Vorjahres. Besonders betroffen war der Maschinenbau mit einem Rückgang von 4,9 Prozent. Ein Lichtblick waren die Exporte nach Indien (+9,4 Prozent) und in die USA (+3,9 Prozent), doch konnten diese die Einbussen in der EU (-5,6 Prozent) nicht ausgleichen.



Handelskonflikte und US-Zölle als Bedrohung
Die unsichere weltwirtschaftliche Lage, geprägt durch protektionistische Massnahmen der USA, stellt eine grosse Gefahr für die Schweizer Tech-Industrie dar. Swissmem-Präsident Martin Hirzel beschreibt die Situation drastisch: «Für Unternehmen ist dieses Umfeld ein Albtraum». Die USA haben bereits Zölle auf Stahl und Aluminiumprodukte eingeführt, die den Export bürokratisch erschweren. Noch gravierender wären flächendeckende US-Zölle auf Schweizer Produkte. Da 15 Prozent der Exporte der Tech-Industrie in die USA gehen, wären Waren im Wert von über 10 Milliarden Franken betroffen.
«Worst-Case-Szenario wären flächendeckende US-Zölle»
Noch bedrohlicher wäre eine Reaktion der EU, die die Schweiz als Drittstaat behandeln könnte. In diesem Fall wären bis zu 70 Prozent der Exporte betroffen – das entspricht nahezu 50 Milliarden Franken. Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher warnt: «Das Worst-Case-Szenario wären flächendeckende US-Zölle, auf welche die EU reziprok reagieren würde.»
Politische Gegenmassnahmen dringend nötig
Um diesen Risiken entgegenzuwirken, fordert Swissmem eine aktive Aussenwirtschaftspolitik. Die Schweizer Diplomatie müsse die USA überzeugen, dass die Schweiz ein fairer Handelspartner sei. Die Aufhebung der Industriezölle durch die Schweiz sei dabei ein wertvoller Trumpf. Zudem müsse die Schweiz auf die EU einwirken, um nicht als Drittstaat behandelt zu werden.
Ein zentraler Hebel sei die Beschleunigung der Freihandelsoffensive. «Die Abkommen mit Indien, Thailand und dem Kosovo müssen rasch ratifiziert werden», betont Hirzel. Auch bestehende Abkommen mit China und Mexiko müssten aktualisiert werden. Die EU sei der Schweiz zum Beispiel im Hinblick auf Mercosur bereits einen Schritt voraus.
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Bilaterale III als langfristiger Schutz
Die Bilateralen III mit der EU sind laut Swissmem der beste Schutz vor einer wirtschaftlichen Isolation der Schweiz. «In einer Welt, in der unberechenbares, machtpolitisch motiviertes Verhalten den neuen ‹Courant normal› darstellt, wird der diskriminierungsfreie Zugang zum EU-Binnenmarkt zum sicheren Anker», sagt Hirzel.
Innenpolitische Herausforderungen
Neben den aussenwirtschaftlichen Risiken sieht Swissmem auch innenpolitische Bedrohungen. Die JUSO-Initiative «Für eine Zukunft» und die «Konzernverantwortungs-Initiative 2.0» könnten die Industrie stark belasten. Hirzel kritisiert: «Die Enteignungs-Initiative der JUSO betrifft einen Drittel der Swissmem-Mitgliedfirmen.»
Besonders problematisch sei die Rückwirkungsklausel, die Eigentümer dazu veranlasse, Abklärungen für einen Wegzug zu treffen. «Das trifft unsere Branche im Kern», warnt Hirzel. Auch die Konzernverantwortungs-Initiative stehe quer in der internationalen Entwicklung, da selbst die EU erkannt hätte, dass sie sich im Mikromanagement verrannt habe.
Sicherheitspolitische Bedeutung der Industrie
Swissmem fordert zudem eine stärkere Unterstützung der Schweizer Rüstungsindustrie. Die verschärften Exportbestimmungen hätten dazu geführt, dass Unternehmen ins Ausland abwandern: «Ohne Exporte kann die Rüstungsindustrie wirtschaftlich nicht überleben. Und ohne eigene Rüstungsindustrie können die Systeme der Schweizer Armee nicht einsatzbereit gehalten werden.»
Kluges und pragmatisches Handeln gefragt
Die Schweizer Tech-Industrie steht vor grossen Herausforderungen. Die geopolitischen Spannungen und die Unsicherheiten im Handel könnten gravierende Folgen haben. Dennoch gibt es Chancen: Der Ausbau von Freihandelsabkommen, stabile Beziehungen zur EU und eine innovationsgetriebene Industriepolitik könnten dazu beitragen, dass die Schweiz gestärkt aus der Krise hervorgeht. Hirzel mahnt: «Nicht nur der Staat Schweiz muss sich für die Grossmächte unverzichtbar machen. Das muss auch die Schweizer Tech-Industrie weiterhin tun.»
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Autor: Eugen Albisser
Textquelle: Swissmem
Bildquelle: Swissmem
Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen
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