«Ich bin heute der Partycrasher», sagt Oliver Dürr, CEO der Rheinmetall Air Defence AG, gleich zu Beginn seines Vortrags am Swissmem-Symposium 2025 in Zürich. Nach Zukunftsvisionen zu KI und Automatisierung bringt er das Publikum zurück auf den Boden der industriellen Realität und daher zu Themen wie Lieferketten, Zünder, Stücklisten und politische Hemmnisse.
Dass ein Rüstungsexperte heute auf einem Schweizer Industriepodium spricht, war noch vor wenigen Jahren undenkbar. Doch die Welt hat sich verändert. Dürrs Botschaft ist klar: Die Verteidigung ist zurück und die Schweiz muss sich entscheiden, ob sie liefern will.
Investieren in der Schweiz – gegen den Strom
Rheinmetall baut am Standort Zürich aus. Nicht trotz, sondern wegen der Schweizer Stärken: technische Kompetenz, Bildungssystem, Handschlagqualität. Etwa 70 Prozent der Wertschöpfung werden extern erbracht – viele Partner sitzen in der Schweiz. Und das funktioniert. Noch.
«Wir haben in Deutschland ein Artilleriewerk mit 30'000 Quadratmetern in 14 Monaten hochgezogen», sagt Dürr. «Warum? Weil wir an die Zukunft glauben und handeln.» In der Schweiz sind die Hürden höher. Umso bemerkenswerter sei der Entscheid, hier zu investieren.
Politik als limitierender Faktor
Dürr redet nicht lange um den heissen Brei: Nicht hohe Löhne oder der Franken seien das Problem, sondern die Exportpraxis im Namen der Neutralität. «Ich will unsere Systeme nicht an Schurkenstaaten liefern», sagt er, «aber die Guten sollen beliefert werden dürfen. Aus der Schweiz.»
Er beschreibt eine Industrie, die international gefragt ist, aber zu Hause blockiert wird. Und eine politische Allianz, die sich – so Dürr «von ganz links bis ganz rechts» – gegen den Export von Rüstungsgütern stellt. Das gefährde nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Standorts.
Zulieferer: Mitdenken statt mitliefern
Rheinmetall produziert rund ein Drittel selbst. Der Rest stammt von Partnern. Diese Partner seien aber nicht einfach Zulieferer, sondern Mitgestalter. Was zählt, sei Co-Engineering: Lösungen gemeinsam entwickeln, Verantwortung teilen, Prozesse verstehen.
«Ein Termin ist ein Termin», sagt Dürr mit Nachdruck und erinnert an Tugenden, die früher selbstverständlich waren. Komplexität dürfe nicht mit noch mehr Komplexität gemanagt werden. Es gehe um Klarheit, Pragmatismus und gegenseitige Verlässlichkeit.
Ein Beispiel: In der Schweiz werde eine Montagezeichnung nicht seitenweise erklärt – der Mechaniker weiss, was zu tun ist. Diese Kultur, so Dürr, sei ein echter Standortvorteil, wenn man sie zu nutzen weiss.
Schweizer Bildung als strategischer Trumpf
Ein zentrales Element: das duale Bildungssystem. Für Dürr ist es entscheidend, dass Fachkräfte mit praktischer Ausbildung in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. «Ich habe selbst eine Lehre gemacht und ich stehe dazu», betont er. Was zählt, sei nicht nur Wissen, sondern Umsetzungsfähigkeit.
In einem Umfeld, in dem Systeme im Ernstfall sofort einsatzbereit sein müssen, ist dieser Praxisbezug nicht Luxus, sondern Voraussetzung.
Dürr nennt mehrere erfolgreiche Projekte mit Schweizer Partnern: von überarbeiteten Geschützplattformen bis hin zu vollständigen Stromaggregaten. Was zählt, ist Commitment nicht nur bei Lieferzeiten, sondern auch bei Investitionen, Innovation und Fehlertoleranz.
Er schildert die Realität eines Marktes, in dem Stückzahlen von 30’000 auf eine Million steigen. Da sind auch die Zulieferer gefordert, mitzuwachsen. Rheinmetall unterstütze dabei aktiv, allerdings nur, wenn das Gegenüber auch aktiv mitzieht.
Ein Appell an die Industrie
Zum Schluss wird Dürr persönlich. Er spricht über Verantwortung, Zusammenhalt und die Gefahr, dass die Schweiz vor lauter Wohlstand den Anschluss verliert. «Ich bin ein Schweizer. Ich möchte die Arbeit hier behalten. Aber dafür müssen wir zusammenstehen.»
Der Satz wirkt überhaupt nicht pathetisch bei Dürr, sondern echt. Ein Industriemanager, der nicht nur für sein Unternehmen spricht, sondern für einen ganzen Standort. Für ein Land, das viel kann … wenn es sich traut.