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Der Schutz elektromechanischer Schnittstellen gegenüber flüssigen Medien ist eine der Basisanforderungen für Industrieelektronik in der Automatisierungs- und Prozesstechnik. Das Kriterium «wasserdicht» lässt jedoch Spielraum für Interpretationen. Denn dicht ist nicht gleich dicht. Je nach Einsatzzweck sind für die elektrische Verbindungstechnik unterschiedliche Grade an Beständigkeit gefordert.
Ein Beitrag der Firma Binder
Wasserdicht – der umgangssprachliche Begriff suggeriert die absolute Widerstandsfähigkeit eines Objekts gegen das Einwirken von Feuchtigkeit – etwa in Form von Nebel oder Regen – sowie gegen das Eintauchen in Flüssigkeiten. Doch schon aus der Alltagserfahrung ist bekannt, dass in der Regel nur ein relativer Schutz besteht, etwa einer Uhr, einer Kamera oder eines Smartphones, deren Spezifikationen das Untertauchen nur bis zu einer begrenzten Tiefe beziehungsweise einem maximalen hydrostatischen Druck gestatten. Für die Anwender industrieller elektrischer Verbindungstechnik ist es naheliegend, diese Erfahrung auf die Einsatzszenarien für Steckverbinder, beispielsweise in der Prozesstechnik, zu übertragen. Der Schutz der Schnittstellen gegen fluide Medien ist hier unter funktionalen sowie unter Sicherheitsaspekten eine essenzielle Forderung.
Um die Dichtheit des elektromechanischen Gesamtsystems zu gewährleisten, kommt den Steckverbindern in der Industrieelektronik eine besondere Bedeutung zu. Denn einerseits sollen sie mehrmals steck- und abziehbar sein; andererseits muss die Verbindung im gesteckten Zustand – je nach Anwendung – das Eindringen flüssiger Medien zuverlässig verhindern.
Der Grad der nötigen Widerstandsfähigkeit – und damit die korrekte Interpretation des Attributs «wasserdicht» – ist untrennbar mit den Gegebenheiten der betreffenden Applikation verknüpft: Während Steckverbinder in vielen Automatisierungsaufgaben nicht in direktem Kontakt zu Feuchtigkeit stehen, gibt es spezielle Anwendungen, bei denen sie Spritzwasser ausgesetzt sind oder sogar zeitweiligem Untertauchen standhalten müssen. Insbesondere in hygienisch anspruchsvollem Umfeld kann es vorkommen, dass Steckverbinder zwecks Reinigung unter Hochdruck bestrahlt werden. Dann sind besondere konstruktive Massnahmen unerlässlich, um eine sichere Signal- beziehungsweise Energieübertragung zu gewährleisten.
Genormte Kennzeichnung: Schutzart und IP-Code
Der Grad der Beständigkeit gegen Feuchte und Flüssigkeiten ist in den Produktdatenblättern der Steckverbinderhersteller angegeben. Die betreffende technische Spezifikation bezieht sich auf die sogenannte Schutzart; sie legt fest, unter welchen Umgebungseinflüssen – Berührung sowie Eindringen von Fremdkörpern und Wasser – der jeweilige Steckverbinder einsetzbar ist. Die Schutzart wird, gemäss den Normen DIN EN 60529 beziehungsweise ISO 20653, in Form eines sogenannten IP-Codes (International Protection) angegeben, der aber bei Steckverbindern in der Regel nur im gesteckten Zustand gilt. Die obigen Beispiele entsprechen demgemäss den Schutzarten IP67 – Schutz gegen zeitweiliges Untertauchen – sowie IP68/69K – Schutz gegen dauerhaftes Untertauchen beziehungsweise Bestrahlen unter Hochdruck. Da die Normen Kriterien wie ‚zeitweilig‘ oder ‚dauerhaft‘ weder eindeutig noch verbindlich definieren, sind in der Praxis präzisierende Angaben der Hersteller sinnvoll.
Unzureichende Kenntnis der DIN EN 60529 beziehungsweise der ISO 20653 führt in der Praxis häufig zu der missverständlichen Annahme, eine hohe Zahl im IP-Code bedeute zwangsläufig den besseren Schutz. Es ist deshalb wichtig zu wissen, dass sich die erste Ziffer des Codes auf das Eindringen fester Partikel bezieht, etwa Staub, während die zweite Ziffer den Schutz gegenüber Feuchte und Wasser angibt. Somit kann ein Erzeugnis nach IP64 im Vergleich zu einem IP55-Produkt keinesfalls pauschal als ‚besser geschützt‘ betrachtet werden. Erstes darf zwar stärker mit Fremdkörpern belastet werden, sprich: Es ist staubdicht. Jedoch verträgt es nur Spritzwasser, während zweites sich aus beliebigem Winkel mit Wasser bestrahlen lässt.