Industry 5.0 fokussiert auf Mensch-Roboter-Kollaboration. Industry 6.0 setzt auf komplette Autonomie durch KI und Roboterschwärme.

Industrie 6.0: Wenn generative KI zur Chefingenieurin wird
Ein Forschungsteam aus Moskau stellt ein autonomes Fertigungssystem vor, das allein durch Spracheingaben komplexe Produkte entwickelt, herstellt und montiert. Der Prototyp zeigt, was die industrielle Zukunft mit Generative AI und Roboterschwärmen bereithält.
Textquelle: Abstract eines Papers der Skoltech-Universität
Ein Greifer mit zwei Fingern. Auf einem Tablet beschrieben, per Sprachbefehl spezifiziert – keine einzige CAD-Zeichnung, kein menschlicher Handgriff. Und doch wird das Bauteil designt, produziert, transportiert und montiert. Völlig autonom, innerhalb von zwei Stunden.
Was nach Zukunftsmusik klingt, ist für ein Forschungsteam der Skoltech-Universität bereits Realität. Sie nennen ihr System «Industry 6.0». Es soll den Schritt von der Mensch-Maschine-Kollaboration der Industrie 5.0 hin zur vollständig autonomen Produktion schaffen.
Generative KI denkt, entwirft und steuert
Das Herzstück des Konzepts: ein System aus generativer KI und heterogenen Robotern, das Sprache in technische Realität übersetzt. «Wir schlagen eine neue Stufe der Industrie vor, die ohne menschliche Beteiligung im Design- und Fertigungsprozess auskommt», heisst es in der Studie. Statt Ingenieurinnen und Operatoren regieren Sprachmodelle, 3D-Drucker, Drohnen und Manipulatorarme das Werk.
Auf Basis einer Texteingabe erstellt die KI zunächst eine sogenannte Signed Distance Function (SDF) zur geometrischen Beschreibung der Komponenten. Daraus werden STL-Dateien generiert, die den 3D-Druckern als Vorlage dienen. Zusätzlich entstehen JSON-Dateien mit Montageinformationen und Greifpunkten für die Roboter.
Flexible Produktion durch fliegende Förderbänder
Die Bauteile reisen nicht auf klassischen Förderbändern, sondern mit Drohnen zwischen Drucker und Montagezelle. Das System setzt auf eine magnetische Druckplattform, die von einem UR10-Roboterarm übergeben und vom UAV zur Montageeinheit geflogen wird. Dank Vicon-Tracking und ROS-Integration landet der Transport punktgenau.
Die Montage erfolgt schrittweise unter KI-Aufsicht: Zwei UR3-Roboter mit Greifern entnehmen die Teile und setzen sie gemäss Plan zusammen. Ein LLM-basierter Supervisor koordiniert die Aufgabenverteilung und lässt subtile Entscheidungen autonom treffen. Die Forscher nutzen dafür LangChain und LangGraph als orchestrierende Frameworks.
Leistungstest gegen den Menschen
In einer Vergleichsstudie traten zehn erfahrene Konstrukteure gegen das autonome System an. Der menschliche Durchschnitt für Design, Druck, Lieferung und Montage des Greifers lag bei 528 Minuten. Die Maschine schaffte das gleiche in 119 Minuten. Besonders im Design war der Unterschied frappierend: 23,5 Minuten versus 0,5 Minuten – ein Faktor 47.
«Die Effizienzsteigerung war am deutlichsten im Blueprinting-Stadium», resümiert das Team. Auch beim Drucken war das KI-System deutlich schneller. Einzig bei der Endmontage hatten die Menschen noch die Nase vorn.
Ausblick: Personalisierung oder Prognose?
Die Forschung legt zwei Pfade für Industry 6.0 nahe: entweder Systeme, die on demand personalisierte Produkte fertigen, oder solche, die auf Basis von Marktdaten autonom Produktion planen. «Künftig könnte die KI entscheiden, was am profitabelsten ist – und es einfach bauen», so die Vision.
Die vorgestellte Plattform ist mehr als ein technisches Experiment. Sie zeigt, wie generative KI nicht nur Informationen verarbeitet, sondern physische Realität schafft. Die Verschmelzung von Sprachmodell, Mechanik und Robotik lässt erahnen, wie Fertigung neu gedacht werden könnte: dialogisch, autonom und hochflexibel. Noch ist es ein Prototyp, aber die Grundidee ist revolutionär.
FAQ: Industrie 6.0 – Fragen und Antworten
Was unterscheidet Industry 6.0 von Industry 5.0?
Was ist eine Signed Distance Function (SDF)?
Ein mathematisches Modell zur Beschreibung von Geometrien, das in CAD-Prozessen verwendet wird.
Können auch CNC-Maschinen eingebunden werden?
Ja, das System ist modular und erlaubt die Integration weiterer Fertigungszellen neben dem 3D-Druck.
Ist das System marktreif?
Noch nicht. Es handelt sich um einen funktionierenden Prototyp, der den Weg für weitere Entwicklungen weist.
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Impressum
Textquelle: Abstract eines Papers der Skoltech-Universität
Bildquelle: Airbrush (Prompt: Technik und Wissen)
Redaktionelle Bearbeitung: Eugen Albisser
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