«Zukünftige Wachstumstreiber sind hauptsächlich elektrische Systeme und Komponenten»

Die Facetten der Elektromobilität - ein Gespräch mit dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Hartmut Rauen des VDMA

Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA
Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA.

Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, dass die zukünftige Mobilität hier in Europa produziert wird. Was es dazu braucht und welche Chancen sich für Unternehmen auftun, sagt Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA, im Gespräch.


Markus Back

Autor: Markus Back, Chefredaktor Print
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Was bedeutet die Elektromobilität für den VDMA als Verband?

Die Automobilindustrie ist eine der wichtigsten Abnehmerbranchen für den Maschinen- und Anlagenbau. Über zehn Prozent der gesamten Wertschöpfung landen final in der Automotive-Industrie. Die Transformation der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität hat daher einen starken Einfluss auf unsere Mitgliedsunternehmen.

Im Bereich der mobilen Maschinen ist der Maschinenbau selbst Anwender innovativer Antriebstechnologien. Damit ist der Maschinenbau Vorreiter, Technologieträger und Gestalter einer nachhaltigen, zukünftigen Mobilität – bei hybriden und elektrischen Antrieben, im Leichtbau, in der Batterieproduktion und Recycling oder bei der Erzeugung von Kraftstoffen aus grüner Energie, Stichwort Power-to-X. Auf den Maschinen- und Anlagenbau als innovativen Lösungsgeber wird es ankommen, aus Ideen Realitäten zu produzieren.

«Die Transformation stellt insbesondere für hoch spezialisierte KMUs eine grosse Herausforderung dar. Für einige Unternehmen könnte es bereits zu spät sein, sich jetzt umzuorientieren.»

Mit welchen Herausforderungen sind Mitgliedsunternehmen konfrontiert, die Zulieferer für die Automobilbranche sind?

Die Anpassung des Produktportfolios an die Elektromobilität stellt eine zentrale Herausforderung für die Unternehmen dar. In Zusammenarbeit mit der FEV haben wir eine Studienreihe durchgeführt, die zeigt, dass der Wandel hin zu elektrischen Antriebskomponenten ein gewaltiger Transformationsprozess ist.

In Europa wird eine Abnahme von bis zu 80 Prozent bei konventionellen Verbrennungstechnologien bis 2040 erwartet. Die zukünftigen Wachstumstreiber werden hauptsächlich elektrische Systeme und Komponenten wie Batterien, Elektromotoren, Leistungselektronik und Brennstoffzellenkomponenten sein. Dies führt zu einer Verschiebung der Wertschöpfung von fertigungsintensiven Aktivitäten hin zu einer höheren Materialintensität. Folglich wird die Wertschöpfung aus der Fertigung abnehmen und sich in die vorgelagerte Wertschöpfungskette, einschliesslich des Recyclings, verlagern.

Die Transformation stellt insbesondere für hoch spezialisierte KMUs eine grosse Herausforderung dar. Für einige Unternehmen könnte es bereits zu spät sein, sich jetzt umzuorientieren. Andere Unternehmen, die bereits in den neuen Technologien tätig sind, sind in einer komfortableren Situation. Europa befindet sich jedoch derzeit in einigen Technologien nicht in einer führenden Position, wie zum Beispiel bei der Batterietechnologie und der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Neben der Gewinnung neuer Fachkräfte ist auch die Überführung der bestehenden Arbeitsplätze in die neuen Technologien von zentraler Bedeutung, um den Wandel zu stemmen. Ob die neue Mobilität in den Köpfen und Füssen der Menschen vorhanden ist, wird sich zeigen – zum Glück ist der Arbeitsmarkt robust.

«Entscheidend ist, dass diese neuen Technologien in Europa umgesetzt werden, um die Wertschöpfung zu sichern und somit ein tragfähiges Ökosystem entsteht.»

Vielfältiges Engagement für die Elektromobilität

Wie unterstützt der VDMA diese Unternehmen?

Mit 3600 Mitgliedern ist der VDMA die grösste Netzwerkorganisation und führendes Sprachrohr des Maschinenbaus in Deutschland und Europa. Der Verband engagiert sich auf vielfältige Weise für die Mobilität der Zukunft: Von den Aktivitäten der Fachverbände über die Arbeitskreise Brennstoffzelle und «Power-to-X für Anwendungen» sowie die Abteilung Batterieproduktion bis hin zur industriellen Gemeinschaftsforschung in den weltweit führenden Forschungsvereinigungen für Antriebstechnik (FVA) und FVV. Es sind vielfältige Aktivitäten, die wir im VDMA unter dem Motto «Produce Future Mobility» im Forum #XMOTIVE bündeln. Hier ist die zentrale Anlaufstelle für unsere Mitglieder beim Thema Mobilität der Zukunft.

Welche Chancen tun sich für deutsche Unternehmen durch die Elektromobilität auf?

Unternehmen, die ihre Produktion auf Wachstumsbereiche ausrichten, haben gute Chancen, auch zukünftig erfolgreich zu sein. Im Maschinen- und Anlagenbau wird das Investitionsvolumen voraussichtlich stabil bleiben, jedoch wird sich die Nachfrage deutlich hin zu neuen Technologien wie der Produktion von Batteriezellen und Elektronik verschieben.

Zusätzliche Chancen bieten sich für Maschinen- und Anlagenbaufirmen in den vor- und nachgelagerten Prozessen der Lieferkette, wie beispielsweise in der Rohstoffverarbeitung für Batteriezellen oder im späteren Recycling. Auch der Ausbau der notwendigen Infrastruktur, beispielsweise Ladestationen und Wasserstoff-Lieferketten, bietet Geschäftspotenzial.

Entscheidend ist, dass diese neuen Technologien in Europa umgesetzt werden, um die Wertschöpfung zu sichern und somit ein tragfähiges Ökosystem entsteht, wie wir es rund um die Verbrennertechnologie aufgebaut hatten.

«Deutschland und Europa haben alle Voraussetzungen, führender Innovations- und Produktionsstandort zu bleiben.»

Existierende Kernkompetenzen gezielt um neue Fähigkeiten ergänzen

Was müssen Unternehmen mitbringen, um in diesem Bereich erfolgreich zu sein?

Die Teilnahme am Absatzmarkt für Komponenten von elektrischen Antrieben ist eine unbedingte Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg. Die Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle analysieren und anpassen. Eingesetzte Entwicklungs- und Produktionsressourcen müssen neu bewertet werden.

Die Unternehmen müssen ihre individuellen Möglichkeiten identifizieren, um an der Elektrifizierung teilzuhaben. Hierzu sollten die existierenden Kernkompetenzen gezielt um neue Fähigkeiten ergänzt werden. Nachhaltige Innovationsnetzwerke aus Industrie und Wissenschaft, wie sie etwa im Zuge der vorwettbewerblichen industriellen Gemeinschaftsforschung bestehen, können wichtige Beiträge leisten.

Was ist aus Ihrer Sicht noch zum Thema «Elektromobilität» zu sagen?

Der Transformationsprozess stellt die Unternehmen vor gewaltige Aufgaben. Öffentliche Mittel müssen daher am Anfang der Wertschöpfungskette investiert werden – in Forschung und Lehre, in berufliche Qualifizierung und in intelligente Produktionstechnologien und Produkte.

Die Produktionstechnologien müssen in Deutschland und Europa entwickelt werden; dies ist der Anker für die nachgelagerte Kette der Automobilproduktion und Basis technologischer Souveränität. Kaufprämien für Fahrzeuge sind diesbezüglich Fehlinvestitionen.

Dabei darf der Wandel nicht starr auf eine Technologie gestützt werden. Für den Pkw scheint die Elektromobilität gesetzt, die Mobilität hat sowohl On- als auch Offroad viele weitere Anwendungen. Daher gilt es, technologieoffen jeweils die beste Alternative für die jeweilige Anwendung zu entwickeln und über die Automotive-Applikation hinaus zu denken.

Deutschland und Europa haben alle Voraussetzungen, führender Innovations- und Produktionsstandort zu bleiben. Die hohe Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein von Nachhaltigkeit geprägtes Mindset und eine führende Position in einer intelligent vernetzten Produktion begründen unsere Zuversicht, dass die Mobilität der Zukunft hier produziert wird.

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Autor: Markus Back

Bildquelle: VDMA

Redaktionelle Bearbeitung: Technik und Wissen

Informationen

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www.vdma.org 

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